Tichys Einblick
Universität Nottingham:

Warnhinweis wegen „christlicher Themen“ in Canterbury Tales

Nachdem schon vor Jahren alte Gemälde und Cembali gecancelt wurden, ist akademischen Zensoren endlich etwas Neues eingefallen. Endlich traut man sich nun ans Eingemachte zu gehen und versieht mittelalterliche Literatur mit Warnhinweisen wegen christlicher Themen.

Quelle: Wikimedia commons / gemeinfrei

Nachdem bereits in den letzten Jahren akademische Moralapostel Kunstwerke der Vergangenheit mit der faden Universalsauce politischer Korrektheit überzogen, um sie zu “aktualisieren”, was in einer Reihe von Trigger-Warnungen wegen Sexismus, Kolonialismus und Alter-weißer-Mannierismus an jahrhundertealten Gemälden mündete, sind die woken Tugendwächter nun endlich am Endziel ihrer Reise angelangt. Denn was konstituiert wohl das Fundament der europäischen Kultur, wenn nicht die christlichen Wurzeln Europas, die es zu dekonstruieren gilt?

Also muss das Christentum dran glauben. Dabei kann es methodisch nicht dumm genug werden. Gut, dass niemand ein Schamgefühl hat, sodass die Universität Nottingham sich wohl nicht einmal dumm dabei vorkam, als sie Werke der mittelalterlichen englischen Literatur mit Trigger-Warnungen versah. Und zwar wegen der darin befindlichen “Ausdrucksformen des christlichen Glaubens”.

Diese fanden die akademischen Spürnasen zum Beispiel in Geoffrey Chaucers berühmten “Canterbury Tales” aus dem späten 14. Jahrhundert. Das Werk erzählt unverblümt die Geschichte mehrerer Pilger während ihrer Wallfahrt nach Canterbury. Gut, dass es nun eine Warnung gibt, bevor noch jemand unvermittelt auf christliche Inhalte stolpert in einem Buch aus dem 14. Jahrhundert über eine Wallfahrt. Sicher ist sicher.

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Aus der Warnung der Akademiker spricht allerdings eine tiefe Kenntnis der modernen Leserschaft. Oder zumindest universitärer Bürokratien und ihrer Auflagen. Denn mit der christlichen Warnung sollten rosahaarige Atheisten des 37. Geschlechts genügend vorgewarnt sein. Diese haben aber bekanntlich weniger Probleme mit einigen anderen der expliziten Themen, die in den Canterbury Tales thematisiert werden. Wollust, Vergewaltigung und Antisemitismus finden zwar in bester mittelalterlicher Tradition ebenfalls Eingang in Chauchers Erzählung, sind aber der Universität zufolge einem modernen Publikum, das mit Game of Thrones aufgewachsen ist, wohl bedenkenlos zumutbar, denn vor diesen Dingen wird nirgendwo gewarnt.
Alles ist eine Beleidigung

Bei den Canterbury Tales handelt es sich natürlich nicht um einen Einzelfall. Auch andere Werke christlicher Literatur des Mittelalters bedürfen nun einer Warnung, um Schnappatmung in den Lesesälen zu vermeiden. So landete auch die Romanze von “Sir Gawain und dem grünen Ritter” aufgrund ihrer Behandlung christlicher Themen auf dem universitären Warnindex. Und auch das Werk eines weiteren Titanen der englischen Literatur des 14. Jahrhunderts, William Langlands “Piers Plowman”, fiel aufgrund seiner unverblümten Suche eines guten Lebens nach christlichen Werten bei den Zensoren in Ungnade.

Kritiker dieser Entscheidung gaben selbsterklärende und vorhersehbare Stellungnahmen über die Bedeutung des Christentums für die westliche Kultur zum Besten, die der Leserschaft von TE hinlänglich bekannt sein sollten. Allerdings sollte man sich wohl nicht täuschen, denn wer glaubt, dass diese Akte der Zensur nicht trotz, sondern aus exakt diesem Grund vorgenommen werden, lebt noch in den 1980ern des Kulturkampfes und glaubt an eine Wiederbelebung der Aufklärung.

Somit muss kommen, was unvermeidlich ist. Wer diese Absurditäten ablehnt, muss verstehen, dass man sie niemals ungeschehen machen wird, sondern diese sich nur durch Überspitzung in einem grandiosen Feuerwerk der Absurditäten wieder explosionsartig auflösen werden. Darum sollten kluge Akademiker (und jene, die es nicht werden wollen) diesen Prozess mit allen Mitteln vorantreiben. Die Bibel für ihre christlichen Inhalte anzugreifen wäre zwar sogar für diese Leute zu plump, aber man könnte zumindest die Matthäuspassion von Bach mit einem Triggerhinweis wegen christlicher Inhalte versehen. Oder Madonnengemälde mit einer Warnung wegen eines rückständigen Frauenbildes (Mutter!!!). Oder zu Ostern eine Entschuldigung an all jene Dauerempörten, dass Christus auch für sie gestorben ist, was als eine Form von Godsplaining zu lesen ist.

Zugegeben: Die satirische Luft wird langsam dünn. Aber erst wenn alle Nischen ausgereizt sind, kann man den atemlosen Berufsaufplusterern ruhig in die Augen sehen und sie fragen: “Und was nun?” Die Antwort auf diese Frage wird wohl spannender sein, als alles, was bis dahin noch an Triggerwarnungen und Cancel-Culture auf den Westen zukommt. Man darf aber gespannt sein. Und bis dahin gilt: Popcorn holen und nochmal “The Green Knight” schauen. Jetzt wo man weiß, dass die Handlung triggert, ist der Film gleich noch ein Stückchen besser.


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