»1984« war in früheren Zeiten über viele Jahrzehnte eine gängige Schullektüre, heute ist das Buch es jedoch zunehmend seltener, was angesichts seiner Aktualität zu beklagen ist. (…) Wir, die Autoren dieses Büchleins, setzen uns ein für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit – für den freien, selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Menschen. Zur Freiheit gehört aber auch Verantwortung. Ein Staat, der seinen Bürgern jede Verantwortung abnimmt und sie gegen alle Risiken absichert, ist per se gefährlich, weil er mehr oder weniger total sein muß. Und er verhindert – verdrehterweise – bereits in der Schule, daß Kinder sich zu wirklich erwachsenen Menschen entwickeln.
Wir behaupten keinesfalls, daß unser Land bereits eine Diktatur sei; andernfalls könnte dieses Buch nicht erscheinen. Wir wollen jedoch ausdrücklich davor warnen. Viele Schritte auf diesem verhängnisvollen Weg dorthin sind bereits getan, die Gefahr ist real. Der geneigte Leser möge selbst beurteilen, wie weit wir schon sind. Als Autorenteam haben wir uns jedenfalls entschlossen, das Buch unter dem etwas albernen Pseudonym Georg Odergut (quasi als deutsche Übersetzung des Namens George Orwell) zu veröffentlichen. So weit ist es mit unserem Vertrauen in die Gesellschaft unseres Landes schon gekommen. (…)
Dieses Projekt war ursprünglich dazu gedacht, Schülern den Roman »1984« näherzubringen. Es beginnt deshalb mit einer kurzen Inhaltsangabe, gefolgt von einem knappen Abriß des Lebens und Wirkens seines Autors George Orwell. Dem schließt sich der zentrale Teil unserer Ausführungen an: die Gegenüberstellung von Parallelen zwischen der in »1984« beschriebenen totalitären Gesellschaft und unserer heutigen Wirklichkeit. (…)
Kurzer Auszug aus »1984«:
»Momentan wurde der Strom tagsüber abgestellt. Das war Teil der Sparsamkeitskampagne zur Vorbereitung der Haßwoche. […] In Winstons Rücken plapperte die Stimme aus dem Teleschirm noch immer von Roheisen und der Übererfüllung des IX. Dreijahresplans. […] Und das Ministerium für Überfülle, das für Wirtschaftsbelange zuständig war.«
Also. Formal haben wir eine freie Marktwirtschaft. Jeder, der möchte, kann sich selbständig machen und ein Unternehmen gründen. Wenn er genug Kapital hat. Wenn er das Gewerbe korrekt anmeldet. Wenn er Sozialräume und Toilettenanlagen gemäß den geltenden Vorschriften für seine Mitarbeiter eingerichtet und deren Arbeitsplätze nach den entsprechenden Arbeitsplatzschutzvorschriften gestaltet hat. Wenn er alle möglichen Sicherheitsprüfungs- und Zertifizierungsvorschriften einhält – von der Schnullerkette über Schreibtischstühle bis zu Autos, alles muß von der jeweils zuständigen Behörde gemäß den geltenden Vorschriften überprüft und zertifiziert werden.
Trotz erheblicher bürokratischer Anforderungen gibt es – noch – sehr viele kleine und mittlere Unternehmen. Es gibt zudem ständig Neugründungen: Restaurants, Softwareentwickler, Frisöre, neue Nahrungsmittelmarken, Online-Angebote und vieles mehr. Gerade auch das Internet, die Digitalisierung, Logistikunternehmen und eine weltweite Arbeitsteilung tragen dazu bei.
Scheinbar basiert unser Wirtschaftssystem also hauptsächlich auf der Tätigkeit privater kleiner, mittlerer und großer Unternehmen und Konzerne, die am Markt in ihrem jeweiligen Segment tätig sind und sich dem freien Wettbewerb stellen. Dies ist ein wesentliches Merkmal einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die angeblich für viele, wenn nicht nahezu alle Probleme verantwortlich sein soll, unter denen Deutschland und der Rest der Welt zu leiden haben (Klimawandel, soziale Ungleichheit, Hunger in der Welt etc.).
Wenn die Marktwirtschaft oder der Kapitalismus für diese Probleme verantwortlich gemacht werden, wird in der Regel übersehen, wie groß der Staatsanteil an unserer Wirtschaft bereits ist. Dieser läßt sich leicht erkennen mit einem Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Hier wird ein Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt von 43,9 Prozent angegeben [Quelle: Statista. Europäische Union: Staatsquoten der Mitgliedsstaaten 2020. Für das Jahr 2022 werden bereits 49,7 Prozent ausgewiesen – Anm. d. Red]. Das bedeutet, daß etwa 44 Prozent, bald schon die Hälfte aller wirtschaftlichen Aktivitäten, staatlich sind. Dazu zählen die unmittelbaren staatlichen Einrichtungen wie Behörden, Schulen etc. über die staatlichen Sozialversicherungen bis zur staatlichen Auftragsvergabe beispielsweise im Straßenbau. Das bedeutet aber, nur ein wenig anders formuliert, daß bei fast der Hälfte aller wirtschaftlichen Aktivitäten der Staat diese plant und über sie entscheidet.
Machen wir zur Veranschaulichung die Gegenrechnung auf. Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Ein Arbeitnehmer mit 3.500 Euro Monatsbruttogehalt hat in der Steuerklasse 1 ein Monatsnetto von ca. 2.200 Euro. Wenn nun alle Sozialabgaben wegfallen, könnte ihm der Arbeitgeber auch noch den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung von etwa 700 Euro mit auszahlen. Statt 2.200 Euro netto bekäme der Arbeitnehmer dann jeden Monat den Bruttobetrag von 4.200 Euro überwiesen.
Also fast doppelt soviel wie zuvor. Sämtliche Einkäufe wären außerdem noch erheblich billiger, weil es keine Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc. gibt. Großartig, oder? Aber dann kommt am Jahresende das Finanzamt und berechnet die gleiche Summe an Steuern wie vorher, jetzt aber nachträglich als Gesamtbetrag in einer Summe. »Von Ihren 50 400 Euro Jahreseinkommen (12 Monate à 4200 Euro) berechnen wir Ihnen hiermit Steuern und Sozialbeiträge in Höhe von insgesamt 35.000 Euro. Wir ziehen diesen Betrag in den nächsten 10 Tagen von Ihrem Konto ein. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Regierung.« Von Ihrem Verdienst von 50.400 Euro blieben Ihnen also nur 15.400 Euro.
Klingt absurd? Ist es auch. Aber das ist bereits Realität. Da diese Realität aber nicht so deutlich sein soll, wurden die vielen, vielen Steuerarten erfunden. Außerdem wurden alle Unternehmer zu Steuereintreibern gemacht, weil sie diese Steuern bei ihren Kunden erheben und sie ans Finanzamt abführen müssen. Natürlich ohne daß sie für diese Arbeit, die sie dem Finanzamt damit abnehmen, entlohnt würden.
Früher standen die Bauern schon auf, weil sie den Zehnten nicht zahlen wollten. 1914 begnügte sich das ach so autoritäre Kaiserreich noch mit einer Staatsquote von 12 Prozent [Quelle: Habermann, Freiheit in Deutschland, Reinbek 2020] – verglichen mit heute waren das geradezu ultraliberale Zustände.
Mit am gravierendsten ist derzeit die Energiepolitik. Mit den Zwangsabgaben aufgrund des Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien beträgt der Anteil an Steuern und Abgaben über 50 Prozent des Strompreises. Das hat der Staat allein entschieden. Und er hat auch entschieden, was mit diesem Geld geschieht.
Hersteller von Windkraftanlagen werden zu Milliardären. Landwirte erzielen enorme Einnahmen aus der Verpachtung von Standorten für diese Anlagen auf ihren Feldern. Die Anwohner in der Nähe der immer größer gewordenen Windanlagen, die mit Lärm, Schlagschatten und Infraschall geplagt werden, gehen dagegen leer aus. Ganz im Gegenteil: Durch einen nahegelegenen Windpark wird der Wert ihrer Häuser erheblich gemindert. Besitzer von Immobilien erzielen garantierte großzügige Renditen mit Solarzellen auf den Dächern. Es gibt viele Profiteure. Die meisten von ihnen waren auch zuvor schon materiell gut oder sehr gut gestellt. Dagegen werden die finanziell Schwächsten von dieser Abgabe am härtesten getroffen, ohne daß sie davon irgendwelche Vorteile hätten. Auch diese Energiepolitik ist also unsozial und hat eine Umverteilung von Arm zu Reich zur Folge.
Daß es so weit kommen konnte, liegt am wirtschaftlichen Unwissen weiter Teile der Politik – und sicher nicht nur bei den linken Parteien – und an deren entsprechend zahlreichen und weitreichenden mehr oder weniger planwirtschaftlichen Entscheidungen. Das Magazin Tichys Einblick hat das in einem Artikel über die SPD sehr pointiert formuliert:
»Wirtschaftspolitik will die SPD-Vorsitzende [Saskia Esken] über Subventionen machen. In der DDR wurden die Lebensmittel subventioniert. Der vorgegebene Einkaufspreis für Obst und Gemüse lag spürbar über dem Verkaufspreis, was dazu führte, daß die Kleingärtner ihre Tomaten und Gurken bspw. an die Lebensmittelgeschäfte verkauften, um dann ihre Gurken und Tomaten oder die ihres Gartennachbarn in denselben Geschäften um ein Vielfaches billiger, als sie es zuvor verkauft hatten, zurückzukaufen. So funktioniert Saskia Eskens sozialistische Ökonomie in der Realität, zumindest bis der Staat Pleite ist.«
Leicht gekürzter und bearbeiteter sowie zu den Quellen der im Buch enthaltenen Fußnoten verlinkter Auszug aus:
Georg Odergut, 1984 – Wir wurden gewarnt. Wie viel von Orwells Roman ist bereits Realität? Manuscriptum, Klappenbroschur, 314 Seiten, 26,00 €.