Tichys Einblick
Es gibt nichts Neues unter der Sonne

„Was war, wird wieder sein“: die Zyklen der Finanzmärkte

Wer ein gewisses Faible für den historischen Determinismus hat, kommt im Buch „Stunde Null“ voll auf seine Kosten. Die Autoren vertreten die Theorie, dass Weltgeschehen und Finanzmärkte sich in Zyklen entwickeln. Derzeit laufe alles auf eine Blase hinaus

Die Sonne geht unter. Finanzplatz Frankfurt aus EZB-naher Perspektive

„Was war, wird wieder sein; was geschah, wird wieder geschehen, und nichts Neues gibt es unter der Sonne“. Mit diesem Bibelzitat aus dem Alten Testament (Prediger 1,9) schließen Harry S. Dent und Andrew Pancholi den Epilog zu ihrem Buch „Stunde Null“. Eigentlich müsste es zu Beginn dieses Finanzratgebers stehen; denn es fasst die Grundthese der beiden Autoren zusammen: Die Geschichte, auch die Wirtschafts-, Finanz- und Börsengeschichte verläuft in Zyklen.

Vier fundamentale Bewegungen seien es, die unsere Welt gestalten: Der 45-jährige Innovationszyklus, der 39-jährige Generationenzyklus, der 34-jährige geopolitische Zyklus und der zehnjährige Boom-/Bust-Zyklus. Derzeit, so die Analyse der Autoren, sollten uns warm anziehen: „Wenn zwei dieser Zyklen zusammentreffen, merkt man das deutlich. Wenn drei von ihnen zusammentreffen, ist es berauschend. Wenn alle vier zusammentreffen ist das eine Blase, die das Leben verändert.“

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Nun, Blasen platzen irgendwann. Dent und Pancholi erwarten den Knall sehr bald, und sie sind für die Zeit danach mehr als pessimistisch: „Die nächste Krise sollte über die nächsten paar Jahre reichen, und dann dürfte es Jahrzehnte dauern, bis sie im Zuge eines wieder aufsteigenden Zyklus der wirtschaftlichen Produktivität wettgemacht ist“. Sei die Krise ausgeschwitzt, werde es aber auch wieder besser, heißt es dann in versöhnlichem Ton: „Von etwa 2078 bis 2145 bekommen wir die Reifephase des Aufschwungs in Form des Globalisierungsbooms Nummer 3“. Schade nur, dass der Rezensent das nicht mehr erleben kann.

Die Herleitung dieses neuerlichen Booms ist durchaus lesenswert. Er werde getragen von positiven Impulsen, wie sie sich aus dem 500-jährige Mega-Innovations- und Inflationszyklus, dem 250-jährige Revolutionszyklus, dem 100-jährige Zyklus, dem 84-jährigen Zyklus der populistischen Bewegungen und dem 28-jährigen Finanzkrisenzyklus ergäben. Aber wie gesagt: Erst einmal wird‘s ganz bitter, und deshalb – so die Empfehlung des Verlags – sollen wir die „Stunde Null“ kaufen: „So profitieren Sie von der größten politischen und finanziellen Umwälzung aller Zeiten“. Am besten solle sich der Leser auch auf „economyandmarkets.com“, „dentressource.com“ und markettimingreport.com“ registrieren.

Zwar ist die „Stunde Null“ hier und da eine Reklameschrift für E-Mail-Newsletter, sie ist vor allem aber eine faszinierende Mischung aus Trend- und Geschichtsbuch. Viele Zusammenhänge sind plausibel, aber an den Haaren herbeigezogen. So gibt es eine Graphik: „88 Prozent der Rezessionen finden statt, wenn die Sonnenflecken abnehmen“. Das hat so viel Erklärungswert wie die retardierende Storchenpopulation für den Rückgang der Geburtenrate.

Trotz solcher Mängel ist das Buch lesens- und kaufenswert. Es zeigt zum Beispiel eindrucksvoll, welche Auswirkungen die Digitalisierung (Netzwerkökonomie, „the winner takes it all“) auf traditionelle Unternehmen, auf die Wirtschaft (Einkommens- und Vermögensverteilung, Arbeitslosigkeit, Gegenbewegung zur Globalisierung) und die Finanzmärkte haben kann.

Und die Autoren vertreten die These, dass sich gesellschaftlich etwas ändern muss, damit es wieder besser werden kann: „Wir brauchen mehr echte Unternehmenslenker und Visionäre (…), keine bekloppten Hebelwirkungskünstler an der Wall Street oder altmodische Manager, die lediglich ihre Top-down-Managementsysteme rationalisieren, während ihre Arbeitskräfte auf ihre nicht gedeckte Rente und ihren Tod warten“.

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Der Spagat, den Dent und Pancholi intellektuell wagen, indem sie die größte Produktivitätsrevolution der letzten hundert Jahre von einer veritablen deflationären Finanzkrise begleitet sehen, klingt plausibel – ist aber nicht besonders wahrscheinlich. Genauso wenig, wie es wahrscheinlich war, dass zum Erscheinen der deutschen Übersetzung dieses Buches im Frühjahr 2018 US-Präsident Donald Trump seit Herbst 2017 bereits tot sein wäre.

Obwohl man dem Buch ein sorgfältigeres Lektorat und liebevollere Übersetzung gewünscht hätte, ist es ein Gewinn, es zu lesen. Man lernt viel und wird ermuntert, bei seinen Entscheidungen das gesamte Spektrum der Möglichkeiten zu berücksichtigen. In diesem Sinn sind die meisten expliziten Ratschläge in „Stunde Null“ nutzlos, aber die impliziten umso wertvoller.


Frank-B. Werner ist Journalist und Geschäftsführer des Finanzen Verlags


Harry S. Dent/Andrew Pancholi, Stunde Null. So profitieren Sie von der größten politischen und finanziellen Umwälzung aller Zeiten. Plassen Verlag, 368 Seiten, 50,00 €.

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