Tichys Einblick
Wegweiser durch den Gendersprech-Dschungel

Verliert die Sprache ihre Bedeutung, verlieren die Menschen ihre Freiheit

Eine Kunstsprache ist im Begriff, den Sprachstrom unserer Muttersprache zu veruneindeutigen. Unter dem Vorwand, Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, wird tatsächlich die (Sprach-)Verwirrung stetig vergrößert. Von Dominik Klenk

Der Turmbau zu Babel ging als größenwahnsinniges Bauprojekt in das kollektive Gedächtnis der Menschheit ein: ein Reich, eine Sprache, eine Denke, die sich als Ungetüm in den Himmel bohrte. Erst als den Beteiligten ihre Sprachmagie um die Ohren flog und keiner mehr so recht verstand, was der andere wollte, fanden alle zu einer eigenen, authentischen Sprache: der Muttersprache, die sie ihre Kinder lehrten, wie ihnen der Schnabel gewachsen war.

Heute scheint Muttersprache – samt der «Mutter» – wieder in Verruf geraten zu sein, und die Verwirrung über das, wer wir sind und was wir als Männer und Frauen miteinander wollen, wird mit Sprachmagie und Wortungetümen kaschiert. Meist finanziert von öffentlichen Geldern, hat es der Genderismus in einigen Bereichen geschafft, Sprach-Raum zu gewinnen: Ein Gestrüpp von gendergerechten Umschreibungen wuchert über Gewerkschaften, in Betriebsräten, an Universitäten und zieht sich bis ins Kirchenlied.

Die allgemeine Geschlechtsverwirrung wird wortreich durch zunehmend sinnfreie Formeln übertüncht. Mit dem Gender_Gap, also durch Unterstriche, oder durch Stern*chen werden Signets für Identitäten jenseits des Mann-Frau-Schemas geschaffen. Kryptik ist erwünscht. Hinter dem Make-up der Gleichstellung zeigt sich die Fratze des Genderismus. «Sprachverhunzung» nannte Thomas Mann den Kernimpuls brauner Ideologie. Und auch im Regenbogenschillern bleibt Ideologie, was sie ist: Gewalt am Sprach- und Denkvollzug. Das Wissen darum ist alt wie die Menschheit: «Wenn Wörter ihre Bedeutung verlieren», sagt Konfuzius, «verlieren die Menschen ihre Freiheit.»

Eine neue Sprache für eine neue Welt

Sprache prägt das Denken, entsprechend haben Ideologien schon immer versucht, Sprache zu lenken, Worte zu verbieten, Begriffe neu zu prägen. Das «Neusprech» – eine böse Vorahnung des Autors George Orwell in seinem düsteren Roman «1984» – ist heute längst Teil eines akademischen Diskurses geworden, der jetzt nach der Lebensrealität und den Sprachgewohnheiten von Millionen Menschen greift. Wer politisch eine neue Welt – oder was die Gender-Ideologen verfolgen: einen neuen Menschen – will, muss die Sprache zerstören, die das Bisherige getragen hat und ihm Sinn und Ordnung verlieh.

»Ein unverbrüchlich menschliches Buch«
George Orwell: Auf der Suche nach Wahrheit in einer Welt voller Lügen
Wenn Geschlecht abseits von biologischer Wirklichkeit nur noch als frei wählbare Selbstbestimmung verstanden wird – und das ist der ideologische Bodensatz der Gender-Sprache –, dann wird aus dem Urwort «Mutter» plötzlich nur noch eine «gebärende Person». Das geschieht mit dem Vorsatz, ihre Weiblichkeit nicht mehr zu benennen und damit auch andere Geschlechter zumindest sprachlich zu «Müttern» zu machen.

Aus Familie und Vater, Mutter, Kind, so planen es die Gender-Architekten, wird dann «Elternteil 1» und «Elternteil 2» oder auch 3, 4 und 5 – je nachdem, wer sich selbst plötzlich als Teil der Familie oder gar als Zuständiger für das Kind fühlen will.

Sprache soll inklusiv sein

Die gängige Begründung jener, die Gendersprache fordern, speist sich aus der Behauptung, die deutsche Sprache diskriminiere sowohl die Frau als auch die neue «Vielfalt» der Geschlechter, deswegen müsse man die Frau und die Geschlechtervielfalt in der Sprache sichtbar und hörbar machen. Die deutsche Grammatik wird als männlich dominant empfunden, weswegen sie neuen Formulierungen zum Opfer fällt. Im Ergebnis steht vor allem der grammatikalische Plural mit dem sogenannten generischen Maskulinum (Piloten, Ärzte, Bäcker etc.) stark unter Verdacht, die Frau auszugrenzen, darum ist er auszumerzen.

Die Forderung ist also klar: Sprache soll alle mitnehmen, niemanden zurücklassen, sie soll keinen verletzen und immer «inklusiv» sein, also alle Menschen einschließen und sichtbar machen. Jeder soll sich wiederfinden in den Schreibweisen und nicht nur «mitgemeint» sein, so die gängigen Begründungen für das absichtliche Umformulieren nach neuen, gleichstellungspolitischen Maßstäben. Deren Richtlinien kennt allerdings keiner so genau, weil sie willkürlich von einer Handvoll Aktivisten ersonnen und dazu auch noch ständig verändert werden.

Doch obwohl ständig «gerechte» und «achtsame», aber gerne auch «inklusive» Sprache gefordert wird, entwickeln sich die Verlautbarungen aus Ministerien und Behörden, aus Gleichstellungsbüros, aber auch aus journalistischen Redaktionen und nicht zuletzt die Begriffe und Formeln in den Forderungen von LSBTTIQ-Aktivisten zu einem verklausulierten Geheimcode, den nur noch jene verstehen, die diese Begriffe wie ein Mantra wiederholen oder offenbar mehrere Gendersprachseminare zur Erringung eines «Genderzertifikates» erfolgreich absolviert haben.

Methoden der Umsetzung

Das sprachliche Gendern hat seine ideologische Wurzel in der Bestrebung, die natürliche Kategorie «Geschlecht» grundsätzlich infrage zu stellen, und findet sich bei der Sprache in drei unterschiedlichen Methoden umgesetzt:

Gender-K(r)ampf
Wer Gender will, bekommt es bis zum bitterbösen Ende
Zum Ersten begegnet einem Gendersprache im Alltag neuerdings als gut erkennbare orthografische Verunstaltung von Wörtern durch Sterne, Striche, Doppelpunkte und sonstige Einfügungen, da selbst die Vertreter sich untereinander nicht einig sind, wie Gendersprache denn nun «richtig» formuliert werden soll. Das Sammelsurium kurioser Schreibweisen zeigt uns also den Gender*Stern mitten im Wort, aber auch das große Binnen-I der FeministInnen, den Gender_Gap als Unterstrich-Platzhalter für ganz viel Vielfalt als Schreibvariante oder auch den Doppelpunkt bei den Sprachakrobat:Innen. Gerne genommen wird aber auch die Kombination aus Sternen und dem großen «I» der Gendersprecher*Innen, wenn sie nicht gleich ganz zu «Gendersprechenden» geworden sind. Man sieht: Je weiter die Zeit voranschreitet, umso mehr Schreibvarianten, vermeintliche Regeln, Striche, Punkte und Sonderzeichen tauchen auf. Alle Schreibweisen haben jedenfalls eines gemeinsam: Sie sind freie Erfindungen einer Minderheit, die der Mehrheit der Bevölkerung eine neue Schreib- und Sprechweise aufdrängen will. Genauso gut könnte man bunte Blumen oder Emojis mitten in die Worte setzen, man mag es kaum aussprechen, um niemanden auf neue Gedanken zu bringen.

Zum Zweiten werden Begriffe, die als «stereotyp» oder «sexistisch», gerne auch als «rechts» oder «rassistisch» gebrandmarkt werden, ganz aus dem Sprachgebrauch getilgt. Einzelne Begriffe oder auch Redewendungen werden nicht bloß umformuliert, sondern gar ganz vermieden, weil sie auf der Gender-Opfer-Skala als verletzend oder beleidigend eingestuft und gebrandmarkt werden. Das betrifft den «alten Hasen» genauso wie den «Fachmann», das «Mauerblümchen», die «Milchmädchenrechnung» oder gar die «Mannschaft», weil die alte Häsin, die Fachfrau und die Frauschaft nicht sichtbar sind und sich zudem auch noch unschön anhören. Wenn niemand sprachlich ausgegrenzt sein soll, müssen manche Begriffe entsprechend sterben, frei nach der kindlichen Logik: Was nicht mehr ausgesprochen wird, existiert auch nicht.

Zum Dritten werden für offensichtliche und klare Bezeichnungen absichtlich neue und auch irreführende Begriffe erfunden. Der Wunsch wiegt also höher als die Wahrheit, damit sich niemand durch Fakten diskriminiert fühlt. In diesem Geist darf die Frau nicht mehr «Frau» genannt werden, sie könnte sich ja als anderes Geschlecht fühlen, sie wird zum «Menschen, der weiblich gelesen wird». Andere Worte werden umdefiniert, um jedem die Option offenzulassen, dass er auch Teil des großen Ganzen sein kann. In England wurde kürzlich die «Muttermilch» amtlich zur «Menschenmilch» geschlechtsneutralisiert, damit auch jene Menschen ein Kind sprachlich stillen können, die sich selbst vielleicht als Mann betrachten und gerne stillende Väter wären. Transfrauen müssen wahrheitswidrig als echte Frauen bezeichnet werden, auch wenn sie anatomische Männer sind.

Freiheit der Sprache

Es sind nicht wenige Bürger, die sich langsam fragen, was mit all den neuen Wortschöpfungen wohl gemeint sein soll, welchen ungeschriebenen Gesetzen das Gendern folgt und ob man das eigentlich mitmachen muss? Auf der Seite der Ratlosen stehen auch jene, die gerne so sprechen, wie sie ihre Muttersprache von der Wiege an gelernt haben. «Frei Schnauze», sagte man früher. Das ist im Gender-Land allerdings nicht mehr vorgesehen. Nicht wenige Bürger sind darum verunsichert, andere genervt.

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Gendern oder nicht, das spaltet auch Familien oder lässt Freunde miteinander brechen. Irre. Die Bemühungen jener, die akribisch darauf achten, auf politisch korrekte Weise zu sprechen, führen zu Zensur, Verboten und Sprachverkrümmungen, die nicht nur Sprachliebhabern und Germanisten den Schlaf rauben, sondern alle verunsichern, weil man nicht mehr weiß, wie man und natürlich auch frau, ohne in Fettnäpfchen zu treten, formulieren soll. Das Sprachregime der Wirrköpfe kippt allmählich in eine allgemeine Sprachverwirrung.

Klartext für alle

Es ist daher an der Zeit, dem Leser eine Übersetzungshilfe an die Hand zu geben, um sich in jenen Begriff en zurechtzufinden, die sich formelhaft über die tatsächlich gesprochene Sprache gelegt haben. Das leistet »Die Gender-Fibel«. Als kleines Konversationslexikon zur Unterscheidung möchte es Mut machen, den Humor nicht zu verlieren und sich selbstbewusst querzustellen, wo Gendersprech Eingang fordert. Mit Jordan Peterson, dem kanadischen Psychologieprofessor, dürfen wir uns im Klaren sein: « Wenn ich die Gendersprache spreche, spreche ich die Sprache einer Ideologie!»

Gendersprache bringt gerade keine Vielfalt, sondern raubt Differenzierung, Nuancen, Eindeutigkeit und tilgt Tradition sowie kollektive Erinnerung. Sie zersetzt Identität. Denn lebendige Sprache – und besonders auch unsere deutsche Sprache – ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen: tief verwurzelt, stark im Stamm, weit verästelt, reich an Blättern und an Frucht: gegenseitigem Verständnis und einem Verständnis unserer selbst. So schnell lässt sie sich nicht umdeuten oder verbiegen. «Die Sprache ist klüger als der, der sie spricht», sagt der Sprachphilosoph Eugen Rosenstock-Huessy. Also: Reden wir fröhlich, fürstlich und frisch – gerade so, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Das ist wahre Vielfalt. Das bürgt für Lebendigkeit und Originalität.

Dr. Dominik Klenk ist Verlagsleiter und Geschäftsführer bei Fontis in Basel und Lüdenscheid. Der gelernte Journalist war früher Handballprofi, Consultant und Leiter der Kommunität „Offensive Junger Christen“.

Eckhard Kuhla (Hg.), Die Gender*Fibel. Ein irres Konversationslexikon. Gender-Deutsch vs. Normal-Deutsch. Fontis Verlag, Hardcover mit Lesebändchen, 128 Seiten, 9,90 €.


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