Tichys Einblick
Tellkamp würdigt Sarrazin

Öfen setzen. Laudatio auf einen Unbequemen

Das Buch trägt den Karl Popper abwandelnden Titel „Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“. Es läßt sich, wie jedes gute Buch, auf einen Satz bringen. Wenn der Staat beginnt, Sinn zu suchen, wird es gefährlich.

Thilo Sarrazin zu loben ist, folgt man manchen Journalisten, ein Vergehen, ein Überschreiten der roten Linie, ein Geistesverbrechen. Zum ersten Mal begegnete mir sein Name bei Recherchen zur Wirtschafts- und Währungsunion im Zuge der 89er Revolution. Sarrazin leitete damals das Referat für Nationale Währungsfragen im Bundesfinanzministerium. Kein einflußreiches Referat in den Jahren vor dem Mauerfall. In Abseits-Referaten kann der Beamte auf zweierlei Weise agieren: mit Dienst nach Vorschrift (was eine Form von Rückzug ist), oder indem er das Referat ernst nimmt, Potentiale erforscht und nutzbar macht, die das Referat aus dem Schlummer- in den Avantgardestatus leiten können.

Sarrazin tat letzteres, und so verdanken wir nicht zuletzt seiner Arbeit im Referat für Nationale Währungsfragen, daß einige der schwierigsten Aufgaben der deutschen Wiedervereinigung geglückt sind. Später übernahm er im Bundesfinanzministerium die Rechts- und Fachaufsicht über die Treuhand, saß im Vorstand der Deutschen Bahn, wurde Finanzsenator des Landes Berlin. Als er 2009 von Berlin nach Frankfurt in den Vorstand der Deutschen Bundesbank wechselte, hatte der Berliner Landeshaushalt den ersten Überschuß seit 1948 erwirtschaftet.

Im Jahr 2010 dann brach der Vielfaltsberg aus, der größte Vulkan auf dem Gebiet der deutschen demokratischen Meinungswirtschaft. Was war geschehen? Thilo Sarrazin hatte es gewagt, Statistiken zu veröffentlichen. Aus diesen Statistiken zog er außerdem noch Schlüsse. Einer stand auf dem Buch und hieß „Deutschland schafft sich ab“. Das folgende Theaterstück war im Staatsschauspiel durchaus erprobt, ungewohnt war die Intensität. Nennen wir es Schlammödie – ist der Name auch neu, so doch das Verfahren vertraut. Die Schlammödie mit dem Arbeitstitel „Thilo und der Regenbogen“ war durch eine recht einseitige Verteilung von Wurfgeschossen mit mehr oder weniger blubbernautischem Hintergrund gekennzeichnet, viele stammten vom Panzerkreuzer Potemkin, von Qualitäts-Kanonieren abgeschossen. Auf Dauer waren sie nicht hilfreich, „Deutschland schafft sich ab“ hatte zu viel Realitätsvorder- und -hintergrund.

Wider den Konformitätsdruck
Thilo Sarrazin über die Vernunft und ihre Feinde
Das Buch, das Ihnen heute vorgestellt wird, trägt den Karl Popper abwandelnden Titel „Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“. Es läßt sich, wie jedes gute Buch, auf einen Satz bringen. Wenn der Staat beginnt, Sinn zu suchen, wird es gefährlich. Was Vernunft sei, findet statt in wechselnder und schwankender Gestalt. Wenn aber die Feinde der Vernunft walten, kommt der Volkswitz zurück.

Habecken. In der Bundesrepublik Deutschland, im Jahr 2022, wurde über das E-Auto, smartes Wohnen, Kohlendioxid, über den Ukrainekrieg, Gas und Gender gesprochen, gesendet und geleitartikelt, über das E-Auto je länger je weniger, dafür mehr über den sogenannten Streckbetrieb, eine Art von Streckbank für den Wähler, im Diskurs nur Demokraten selbstverständlich, die mit Weisheitslöffeln aus dem ökologisch abbaubaren Kiezkürbis Demokraten-Eintopf löffelten, während die Menschen unten, wo die undemokratischen Ruder der Schiffe streifen, zu habecken begannen, weil plötzlich offenbar wurde, daß all diese Wörter und Phrasen nur Falschgeld waren, kaum oder nicht gedeckt von der Lebenswirklichkeit der vielen (die tatsächlich sagen konnten „wir sind mehr“).

In dieser Lebenswirklichkeit ging es darum, den kommenden Winter ohne Gas, Strom, Heizung zu überstehen und das nicht etwa als üblen Scherz, sondern als faesern, als ernstgemeinten Akt im Theaterstück unseres Staatsschauspiels, zu begreifen, als den Augenblick, wo das Schauspiel in die Wirklichkeit überging und also merkelte, vom Ende her gedacht und mit durchaus flach gehaltenen Bällen. Winter ohne Wärme in Stadtwohnungen ohne Ofen, wenn das Licht ausging und weder Kühlschrank noch Toilettenspülung mehr funktionierten, noch Benzinpumpen an Tankstellen, wenn Notstromaggregate in Krankenhäusern womöglich vorhanden waren, aber nach dem Anspringen wieder ausgingen, wie es sich zutrug in Berlin im Jahr 2019.

In dieser Wirklichkeit, der Wirklichkeit des Habeckens, ging es nicht um Welterrettung, sondern um den Kauf von Wasserkanistern zum Trinkwasserspeichern, um Taschenlampen und Notfallradios mit Kurbel, darum, welche Axt man sich besorgt, ob Konserven oder Armee-Notfallnahrung, und es ging darum, in Zeiten ohnehin drückender Inflation für all diese Dinge Geld und nochmals Geld auszugeben beim Versandhandel, der das einzige war, was in diesem Jahr 2022 im besten Deutschland ever zu funktionieren schien, es ging ums Bevorraten gegen den Knall, das Große Schwarze Loch nach der Großen Grünen Idee

Und wie es nach dem Krieg in Köln das Wort fringsen gegeben hatte, nach Kardinal Frings, der Stehlen in der Not für vertretbar erklärte, so kam jetzt, im Revolutionären Kalender schrieb man das Jahr Eins der Ampel, das Wort habecken auf, es bezeichnete das Raffen, Amazonen, Preppern, das nicht Folge von Putins Krieg, sondern von einem Wahn war, einem Feind der Vernunft: wer zwei grundlastfähige Energien abschaltet, der wird eben von der dritten und ihrem Besitzer abhängig, dann bleibt nur noch habecken und dem Wirtschaftsminister, mit authentisch zerknirschtem Gesicht das störrische Volk auf die gute Sache hinzuweisen, für die kalt zu duschen sich lohne. Habecken hieß also nicht bloß hamstern, sondern freiwillig verzichten für den Frieden, E-Räder müssen rollen für das Klima, und wer sich da an etwas erinnert fühlte, zu dem kommen, wie früher der Gasmann kam, die Energiewächter.

Wer aber hat das möglich gemacht, fragt Sarrazin. Medien und Wähler: Wie bestellt, so geliefert, sagt der Blogger Danisch. Wir sind mehr, sagen die Kulturschaffenden.

Video der Buchpräsentation
Thilo Sarrazin - Die Ampelkoalition opfert die Vernunft dem Wunschdenken
Sarrazin ist Aufklärer. Es geht ihm darum, die Freiheit zu schützen vor denen, die sie im Namen höherer Zwecke einschränken wollen. Dazu muß man die Begriffe klären, teils eben wieder aufklären – und klar halten. Man muß die Rahmen untersuchen, in denen sie wie gelten, auf Bedeutungsverschiebungen, Sinndrehereien, Konturaufweichungen hinweisen.

Doch um Inhalte geht es im Staatsschauspiel schon lange nicht mehr. Das ist ja der Grund, warum man es tunlichst vermied, sich mit Sarrazin auf Sachdebatten einzulassen, seine Statistiken inhaltlich zu widerlegen. Es geht nicht um die Sache, es geht um Macht, und in der Talkshowkratie ist Macht bei denen, die in die Talkshows eingeladen werden. Sarrazin wirkt auf den ersten Blick, wie sich Karikaturisten einen Spitzenbeamten als Mann reiner Ratio vorstellen: zahlen- und statistikbestimmt, die Wirklichkeit steckt für ihn eher in einer Tabelle als in einer Parlamentsdebatte.

Beobachtet man ihn genauer, nimmt man den metaphysischen Saum seiner Persönlichkeit wahr: zum interessantesten Bereich seines neuen Buchs gehören für mich seine Erinnerungen an die frühen, die prägenden Jahre – sie zeigen eine Folge der heutigen Debattenkultur in aller Deutlichkeit: den durch Blödheit, Blindheit, Herdentrieb, aufmerksamkeitsökonomische Gier und Zwänge geschaffenen grotesken Abstand zwischen öffentlichem und privatem Bild eines Menschen. Er hatte lange Scharlach, das Lesen ermöglichte Weltentdeckung. Sein Humor ist angelsächsisch, der zum Understatement neigende, trockene der Seefahrer, sein Wahrnehmungsvermögen und -interesse läßt ihn immer wieder zurücktreten und die eigenen Erkenntnisse bezweifeln. Das widerspricht dem Bild, das bestimmte Medien von Sarrazin zusammenschustern.

Er ist eben keiner, der mit platten Argumenten oberflächliche Beobachtungen verteidigt, er geht den Dingen auf den Grund, studiert die Philosophen, will wissen, was man wissen kann. Vor allem die Politik als offensichtlichstes Gebiet von Macht interessiert ihn, und da Politik der Versuch ist, Ordnung in die Unordnung der Polis zu bringen, interessieren ihn die Grundlagen des Daseins. Dazu gehört Rüstzeug. Wer über Gesellschaft nachdenkt, kommt um die Staatslehren von Platon, von Hobbes, Marx und Popper nicht herum, er muß sich damit auseinandersetzen, will er auch nur einordnen können, was um ihn, den Beobachter, von Staats wegen vorgeht.

Vom Verstehen und Verständnis, das oft mit Erklärungen operiert, zu schweigen. Sarrazin ist, was das betrifft, ein zurückhaltender Mensch. Daß Erklärungen manchmal allzu rasch das Etikett auf der Weinflasche für den Wein halten, weiß er nur allzu gut aus seiner beruflichen Tätigkeit an verschiedenen Stellen der Staatsmaschine und, nach 2010, aus der Erfahrung, was es heißt, mit einer Fremdwahrnehmung konfrontiert zu sein, die mit dem realen Menschen nur den Namen gemeinsam hat. Der Name klebt als Etikett auf einem teils bequem, teils bösartig herbeigeschriebenen, herbeigesendeten Popanz. Diese aus der Propaganda wohlbekannte Vogelscheuche diente zum Abladen persönlicher Charakterdefizite und zum Ablenken von den Problemen.

TE-Interview
„Auch die mediale Figur Uwe Tellkamp ist eine Fiktion“
Jede langfristige Politik, heißt es im Buch, ist institutionell. Jede langfristige Institution aber verliert das Herdfeuer, den wärmenden Ofen des Gefühls. Dies zu verhindern, wird die Schwampel auf Rot gestellt, begleitet vom Baerbocken. Baerbocken war, Kobolde im Netz zu sehen, baerbocken war, nicht etwa Sinn und Verstand von Coronamaßnahmen zu befragen, sondern, etwa als baerbockender Journalist, zu den Kontrolleuren von Polizei und Gesundheitsamt in den ÖPNV zu steigen und auch ja genau hinzusehen, ob die Maßnahmen befolgt wurden oder nicht und denjenigen zu melden, der sie nicht befolgte, zu kontrollieren, ob es auch ja genug und genügend motivierte Kontrolleure, auf Baerbockisch: Kontrolleur:innen, gab, und wenn nicht, noch mehr, ja viel mehr Kontrolleure zu fordern, Kontrolleur:innen und Kontrolleur:außen, baerbocken war: den Kampf gegen Rechts aufzunehmen, Krematorien am Limit zu schreiben und zugleich über das Wort Exil zu wachen, das Feld also nicht den Falschen zu überlassen und ihrem bis über die rote Linie in Kontaktschuld getunkten Sprachgebrauch; baerbocken war, die Windräder dafür zu bestrafen, daß sie sich drehten, wie und wann sie wollten, und die Lösung für ihre Unbotmäßigkeit darin zu sehen, noch mehr Windräder zu bauen, dann würde nämlich das Vorbild der anderen Windräder auf die noch in der Trotzphase befindlichen Windräder einwirken, ein Ministerium würde dafür zuständig sein, das Ministeriums des Winds und der Sonne, das WiSo, geleitet von einer Gesichtserkennung mit Korananschluß, und damit das Baerbocken Schule machte, mußte das WiSo hinaus in die Welt, um die Welt zu beglücken, zu bebaerbocken, und während das zu Hause hockende, hass & hetzende Holk habeckte, baerbockten bombastisch bezahlte Blindendanten vom Klimawandel, gretelten von Fridays for Future, baerbockten, der nicht schnell und entschieden genug erfolgten Energiewende hätten die Habeckenden den Schlamassel zu verdanken, außerdem Putin und seinem Krieg in der Ukraine, und während sie baerbockten, suchten die Habeckenden nach Waffen, um sich und ihre Familien vor den nach den Grünen Wundern kommenden Plünderern zu schützen. Dagegen hilft faesern – ab fünf ausgefallenen Mahlzeiten endet die Demokratie. Vernunft ist grundlastfähig.

Religion sei tot? Im Gegenteil, der religiöse Sensus ist unsterblich und sucht sich, überdrüssig der Sinnleere einer dekadenten Gesellschaft, andere Formen. Alles ist wieder da: Gläubige, Priester, Hohepriester, Ablaßhandel, Sünder, Ketzer und Götzen. Sogar Altarkerzen gibt es wieder, nachdem das Toilettenpapier zeitweise aus war. Der Weltuntergang ist nahe. Doch wo Armageddon droht, sind auch die Wunderwaffen nicht weit.

Mitten in der deutschen Seele gibt es den Panikknopf, und lauterbachen hieß, um die Bedeutung dieses Knopfs zu wissen. Ständiges Drücken erhöhte die Talkshowpräsenz, und je mehr Talkshowpräsenz, desto näher der Ministersessel. Der Daumen auf dem Panikknopf schüchterte die deutschen Seniorenresidenzen ein, trieb die Klickzahlen unter den lauterbachenden Artikeln in die Höhe; wer lauterbachte, wußte, wer die Schwurbler waren und wer nicht, wer die „-leugner“, die Verschwörungstheoretiker und Bekloppten, wer lauterbachte, definierte Pandemie neu (und kam damit durch), wer lauterbachte, forderte mehr Diktatur wagen und nicht alles auf den Tisch, sondern vom Tisch, am besten unter den Teppich, wer lauterbachte, als Wissenschaftler, brauchte keine Angst um Drittmittel zu haben, vor Kollegen, Nachbarn, der Zivilgesellschaft, wer lauterbachte, mußte sie nicht fürchten, die bohrenden Fragen, er hatte ja Studien gelesen und in Harvard studiert, und Widersprüche, daß sich alle Stapelbalken bogen, blieben ohne Konsequenzen; wer lauterbachte, war ja schließlich Demokrat und auf der richtigen Seite, lauterbachen hieß: maßlos sein und dafür nicht geradestehen zu müssen, nicht in den allermeisten Zeitungen, nicht in den Löwenanteilen des ÖR.

Der neue Tellkamp
Die Maßeinheit des Verlustes ist die Zeit
Lauterbachen hieß, die Gesellschaft ungestraft mit Phantomen einzuschüchtern, hieß Lockdown und Maske, egal, ob die was taugten und das brachten, was behauptet wurde, und wer nicht lauter, sondern leiser dachte, war schon ein Anhänger von Verschwörungstheorien und als solcher anzuzeigen, lauterbachen hieß, des Deutschen Angst und Finsterführers feuchten Traum hervorzuholen, auf willige Helfer zu treffen, lauterbachen hieß denunzieren mit Lust und öffentlicher Anerkennung fürs Lumpentum; lauterbachen hieß nicht scholzen, das hieß kanzlern, schweigen, alzheimern und Führungsschwäche zeigen, so wie merzen hieß, den Finger vorsichtig in den Wind zu heben, eine entsaftete Partei zu Ende zu merkeln, merzen hieß, praktisch immer nur theoretisch zu bleiben.

Lauterbachen hieß, einem Virus den Krieg zu erklären, Generalmobilmachung und wann wir schreiten Seit an Seit, lauterbachen hieß, den Inneren Deutschen zu entbinden und dabei den Schleim wiederzuentdecken, Nabelstränge und Käseschmiere der Vierten Gewalt, oder wars die Traurige Gestalt, oder wars Wurstbrühe, an der die Welt genesen sollte? Lauterbachen war, Deutschland wieder mal erfolgreich zum Sonderfall zu machen.

Aufklärung: Darunter versteht Sarrazin einen Denkstil, der sich der Ratio, der vorurteils- und tabulosen, genauen Sicht auf die Wirklichkeit, dem logischen und systematischen Denken verpflichtet weiß. Glaube vereinfacht die Willensbildung, das ist verführerisch. An der Oberfläche ist Politik rational, sie wirkt in die Wirklichkeit und muß, um das erfolgreich tun zu können, diese erkennen, adäquat abbilden und nach ihren Gesetzen handeln. Das ist die Ratio im Sinn des Lebens, das sich im Moment präsentiert.

Leben als Projekt aber ist in die Zukunft gerichtet, und da das mit Unsicherheit verbunden ist, braucht man Pläne, Vorstellungen, wie sie aussehen könnte, gar wie sie zu machen wäre. Das ist möglich, beruhigt der Glaube. Man braucht dazu nur Schiff und Magnet. Glaube erscheint als Kompaß, als Vernunft in Zukunft. Der Feind der Vernunft mag vernünftig argumentieren, aber diese Vernunft, die alltagspraktisch gebundene, ist für den religiös Empfindenden Schein, spiegelt einen Irrtum, hat bestenfalls vorübergehend etwas für sich. Wer so auf die Welt sieht, für den wird sie eine Brücke zur Verheißung. Sarrazin zitiert den amerikanischen Physiker Steven Weinberg über Religion: „Mit ihr oder ohne sie gibt es gute Menschen, die gute Dinge tun, und böse Menschen, die böse Dinge tun. Aber damit gute Menschen böse Dinge tun, braucht es Religion.“

Was eine Gesellschaft, die demokratisch bleiben will, dringend braucht und deshalb aushalten muß, sind ehrliche Debatten: kühl, unbestechlich, unerschrocken, den Blick auf die Sache und nicht auf den Weihrauch gerichtet, der die Sinne vernebelt. Sarrazin braucht keinen Bundesverdiensthammer auf der Heldenbrust, schon gar nicht aus den Händen dieses Bundespräsidenten; Sarrazin braucht nicht die Nestwärme einer Partei, die einmal Geister wie ihn nicht nur aushielt, sondern rief, inzwischen aber zu einem Ideologiekombinat mit Mietendeckel verkommen ist, das seine ursprüngliche Klientel verrät. Sarrazin hat die Anerkennung, ja Verehrung seiner Leser, die sich dem Tugendterror, der Klimareligion, dem Coronawahn, dem nach woke und linksgrün entgleisten Öffentlich-Rechtlichen Staatsfunk entziehen. Sie, die nur das Böse, aber nicht das Bewährte an Nation, Volk, gewachsener Sprache, abendländischer Kultur sehen und dieses Bewährte als bloßes Konstrukt abzuräumen versuchen, hoffen aufs Vergessen. Deshalb fürchten und bekämpfen sie Geister wie Sarrazin.

Uwe Tellkamp hielt diese Laudatio anläßlich der Präsentation des neuen Buches von Thilo Sarrazin am 22. August 2022 in Berlin. (Zum Video dieser Veranstaltung bitte hier oder hier klicken.)

Der 1968 in Dresden geborene Romancier, Erzähler und Essayist Uwe Tellkamp studierte in Leipzig, New York und Dresden Medizin und arbeitete als Arzt an einer unfallchirurgischen Klinik. 2008 legte er mit »Der Turm« seinen gefeierten Roman vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Neben vielen anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012. 2022 erschien sein lang erwarteter zweiter Roman »Der Schlaf in den Uhren«.

Thilo Sarrazin, Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens. LMV, Hardcover mit Schutzumschlag, 392 Seiten, 26,00 €.


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