Es ist jetzt acht Jahre her, dass der Spectator mich nach Lampedusa schickte, um über die dort gelandeten Flüchlingsboote zu berichten. Das war zu Beginn der Migrantenkrise 2015. Die Insel, auf der gerade einmal 6.000 Menschen leben, brach unter der Last von 1.300 weiteren Ankömmlingen zusammen. Ich folgte ihnen nach Sizilien und dann weiter über den Kontinent. Auf Lampedusa wurde mir das Ausmaß des Problems der illegalen Migration bewusst, und was ich dort sah, drückte ich in den ersten Zeilen meines Buches „Der Selbstmord Europas“ aus: „Europa begeht Selbstmord. Oder zumindest haben sich seine Führer dafür entschieden. Ob die europäischen Bürger ihnen auf diesem Weg folgen wollen, ist freilich eine andere Frage.“
Meine Vorhersage lautete damals, dass die Europäer versuchen würden, sich Gehör zu verschaffen, indem sie bei Wahlen mehr und mehr für Politiker stimmen würden, die gegen die illegale Einwanderung vorgehen wollten. Und das taten sie auch. Mit wenigen Ausnahmen wurde in den Europäischen Staaten Politiker gewählt, die die illegale Einwanderung restriktiver handhabten. In Italien wurde schließlich Giorgia Meloni gewählt, die am weitesten rechts stehende Politikerin, die das Land seit langem gesehen hat.
Doch Mitte September wurde die Bevölkerung von Lampedusa innerhalb von nur 48 Stunden durch die Ankunft von etwa 7.000 illegalen Migranten zur Minderheit. Meloni besuchte die Insel, zusammen mit einer lächelnden Ursula von der Leyen. Meloni beklagte, dass Italien unter „unhaltbaren Druck“ gesetzt werde und die EU nicht genug tue. Seit 2015 sind acht Jahre vergangen, und es hat sich so gut wie nichts geändert.
Jetzt werden die Online-Bescheidwisser behaupten, Meloni sei „gekauft“ und „ein Lockvogel“ geworden. Sie werden behaupten, dass sie sich verkauft hat und eine „Marionette“ der EU geworden sei. Solche Erklärungen sind aber sowohl lächerlich beruhigend als auch falsch. Die Realität ist unendlich viel schlimmer. Lassen Sie mich zwei Namen nennen, die erklären, warum.
Matteo Salvini – ein politischer Rivale Melonis – hat ebenfalls eine politische Karriere gemacht, indem der in der Frage der illegalen Migration ein Machtwort sprach. Als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister Italiens hat er viel unternommen, um den Zustrom zu stoppen. Insbesondere weigerte er sich, Boote in italienischen Häfen anlegen zu lassen. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die sich für offene Grenzen einsetzen, und andere hatten die italienische Gesetzgebung jahrelang auf die Probe gestellt. Salvini fand heraus, dass der Zustrom von illegalen Booten aufhören oder sich zumindest verlangsamen würde, wenn man ihnen das Anlegen verbieten würde.
In den vergangenen Jahren musste sich Salvini wiederholt den Versuchen stellen, ihn für dieses „Verbrechen“ zu belangen. Im Jahr 2021 wurde er wegen „Entführung“ von Migranten vor ein italienisches Gericht gezerrt (die „Entführung“ bestand darin, illegalen Migranten nicht zu erlauben, in Italien an Land zu gehen). Als dieses Verfahren scheiterte, stimmte der italienische Senat, dem Salvini angehörte, für einen neuen Prozess. Erneut wurde er wegen „Entführung“ angeklagt, weil er das Einlaufen des NGO-Schiffs Open Arms mit 147 illegalen Migranten an Bord verhindert hatte.
Salvini hat seinerseits gesagt, dass er das, was er getan hat, für Italien getan hätte und wieder tun würde. Aber es ist eine eindringliche Warnung an andere Politiker in Italien und darüber hinaus. Lasst die tägliche Aushöhlung eurer Grenzen zu und es wird euch gut gehen. Wenn ihr weiterhin zulasst, dass Menschen ohne erkennbaren Asylanspruch zu Tausenden von einem Kontinent kommen, von dem noch Hunderte von Millionen kommen werden, dann werdet ihr gefeiert. Doch wenn ihr die geltenden Gesetze nicht länger brechen wollt, werdet ihr strafrechtlich verfolgt.
Falls Sie glauben, dies sei ein Einzelfall, lassen Sie mich das Beispiel einer Politikerin anführen, die in Europa vielleicht weniger bekannt ist. Inger Stojberg ist eine der erfolgreichsten dänischen Politikerinnen der letzten Jahre. Ich weiß, das wird nicht jeden überzeugen, aber Stojberg sollte eine moderne europäische Heldin sein. Ihr Land hatte das Glück, sie 2015 auf dem Höhepunkt der Migrationskrise als Einwanderungsministerin zu haben. Sie war vier Jahre lang in dieser Funktion tätig und schaffte es – mit großer Unterstützung der Bevölkerung – zu verhindern, dass Dänemark zu einem vorrangigen Ziel für illegale Migranten wurde.
Als Einwanderungsministerin führte sie bewusst abschreckende Maßnahmen ein, wie z. B. ein Gesetz, das als Strafe für illegale Einwanderung androht, das Hab und Gut eines Migranten bis zu dem Betrag in Besitz zu nehmen, das der Migrant durch sein Handeln den Staat kostet. Dieses Gesetz wurde nur wenige Male angewandt, hatte aber eine Signalwirkung: Dänemark war nicht die Willkommens-Sozialfarm für alle Menschen aus den Entwicklungsländern, die auf der Suche nach einem besseren Schicksal waren. Und obwohl Stojberg Mitglied der dänischen liberalen Venstre-Partei und eindeutig dem Mainstream zuzurechnen war, wurde über sie in der liberalen Presse wiederholt gelogen. Aber sie blieb bei ihrer Position: Dänemarks Grenzen müssen halten.
Auch Stojberg wurde in den letzten Jahren durch die Gerichte gejagt. Eine ihrer Maßnahmen sah vor, dass in einem Asylzentrum Paare, von denen einer der beiden minderjährig ist, getrennt untergebracht werden sollten. Stojbergs Gegner erklärten, dies verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Im Jahr 2021 stimmte das dänische Parlament (einschließlich ihrer eigenen Partei) dafür, Stojberg für ihr „Verbrechen“ anzuklagen und vor Gericht zu stellen. Sie wurde zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt und trug am Ende eine Fußfessel, um nicht ins Gefängnis zu müssen.
Wenn man sich also fragt, warum unsere Politiker nicht in der Lage sind, das Richtige zu tun, ist dies einer der Gründe. So lange sie zulassen, dass Gesetze gebrochen werden, wird Ihnen nichts passieren. Sie werden Ihren Ruhestand in Ruhe genießen können. Aber wenn sie versuchen, die Gesetze und die Völker Europas zu verteidigen, werden sie gejagt werden. Auch so begeht unser befremdlicher Kontinent Selbstmord: bestraft wird nur, wer das Richtige tut.
Dieser Beitrag von Douglas Murray erschien zuerst in The Spectator unter dem Titel „Politicians can’t win on illegal migration“. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
Mit Ihrem Einkauf im TE-Shop unterstützen Sie den unabhängigen Journalismus von Tichys Einblick! Dafür unseren herzlichen Dank!! >>>