Die Ausgangsfrage jedweder Neustrukturierung der Staatsfinanzen lautet nach Auffassung des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin: „Wo werden notwendige Ausgaben nicht bedient, und wo gibt es überflüssige Ausgaben?“
Bei der Landesverteidigung und der Infrastruktur fehlt Geld. In die Bundeswehr müssten jährlich 40 Milliarden Euro fließen, in die Autobahnen fünf bis sechs Milliarden, und weitere fünf Milliarden sollten an die Deutsche Bahn gehen.
Die Mehrausgaben müssen an anderer Stelle eingespart werden. Hier schlägt Sarrazin vor: Bürgergeld kürzen und weniger Beitragsempfänger zulassen – 30 Milliarden Euro gespart. Entwicklungshilfe streichen, denn die sei „größtenteils völlig überflüssig oder sogar für die Empfänger schädlich“: weitere zwölf Milliarden.
Zusätzliche fünf Milliarden können eingespart werden, wenn man die nichtdiplomatischen Ausgaben im Auswärtigen Amt entfallen lässt – also jene Geschenke, die Außenministerin Annalena Baerbock bei ihren Reisen macht; hier ist eine Art zweites Entwicklungshilfeministerium entstanden.
Denn dieses ist nicht nur mit Staatssekretären aus der Klimalobby, sondern auch mit hohen Beraterkosten aufgefallen. „Durch eigenes Nachdenken und die Nutzung der Expertise der Ministerialbeamten würde sich die Qualität aller Entscheidungen verbessern und ein ganz anderer Wind durch die Köpfe der Entscheidungsträger blasen. So wären neue, unbekannte Einsparungen möglich, die ich auf weitere 20 Milliarden Euro ansetze…“
„Und diese Vorschläge sind zu 98 Prozent ernst gemeint“, schließt Sarrazin ironisch. Er sehe bei der gegenwärtigen Regierung „weder Ideen noch den politischen Willen, die notwendige Neuausrichtung vorzunehmen.“
Man könnte meinen, mit Christian Lindner und der FDP sei ein Koalitionspartner in der Regierung, der willens und fähig sei, Einsparungen umzusetzen. Doch statt Sparvorgaben zu machen, sende Lindner an seine Kollegen in den Ministerien Rundschreiben, sie mögen Vorschläge einreichen. „Eine Lachnummer!“, kommentiert Sarrazin. Ein Minister, der nicht sparen will, würde „genau die Dinge vorschlagen, die politisch kontrovers oder nicht umsetzbar sind“. So würden die Einsparbemühungen unterlaufen.
„Noch nie ist es gelungen, einen Fachminister durch gutes Zureden zum Sparen zu bewegen.“ Denn „Führungsfragen sind auch Machtfragen“, und das Ziel des Kanzlers sei es nur, sich bis zum Ende der Legislaturperiode an der Macht zu halten. Sparen hilft dabei nicht. Sarrazins Rat: Scholz müsste zusammen mit Lindner die Sparliste anfertigen – und durchziehen.
Thilo Sarrazin, Deutschland auf der schiefen Bahn. Wohin steuert unser Land? LMV, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, 26,00 €