Es überrascht, dass Sahra Wagenknecht nie einen Essay über die Erschaffung des Papiergeldes in Faust II verfasst hat, weil Goethe hier wirklich bis heute interessante Fragen und möglicherweise heute noch stärker interessierende Fragen zum Geld aufgeworfen hat. Die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck ist auf die Enteignung und Ausplünderung der Deutschen zugunsten der vornehmlich amerikanischen Hochfinanz ausgerichtet. Wer die These illustriert haben möchte, muss nur einen Blick auf die Finanzierung von Habecks Thinktanks wie die Agora Energiewende werfen. Habecks Amtszeit wird womöglich mit der größten Umweltzerstörung enden, die jemals in Deutschland von einem Wirtschaftsminister zu verantworten ist. Würde man mit einer Wirtschaftsministerin Sahra Wagenknecht eine andere Wirtschaftspolitik bekommen, als man sie mit Robert Habeck hat?
Beide sind fest davon überzeugt, dass ein starker Staat nötig ist, der in die wirtschaftlichen Kreisläufe massiv eingreift. Sie sehen den Staat als Unternehmer. Beide laufen einer fehlgeleiteten Klimapolitik hinterher. Beide halten dafür, dass die Wirtschaft im Prinzip ökologisch und klimaneutral umgebaut werden muss. Doch da beginnen schon die Unterschiede im Detail.
Wagenknecht lehnt höhere Abgaben und Steuern auf Verbraucherpreise zur Finanzierung der Transformation ab, weil sie die untere Mittelschicht besonders treffen würde. Wagenknecht setzt auf billigere Energie, in dem sie erstens sich wieder mit Russland ins Benehmen setzt und auch nicht ideologisch gegen Atomenergie eingestellt ist. Sie würde einem vernünftigen, einem rationalen Energiemix den Vorrang vor ideologischen Altbeständen einer Partei geben, die wie keine andere in Deutschland aus der unglücklichen Verbindung von Inkompetenz und Irrationalismus lebt. Im Gegensatz zu Habeck, der sich weder für soziale noch für ökologische Fragen interessiert, der im Grunde seine Wasserstoff-Utopie verwirklichen will, und wenn darüber die Deutschen zurück in die Höhle müssen, hat Wagenknecht ein durch und durch soziales Anliegen.
Ihr Buch Die Selbstgerechten ist im Grunde gegen die Parteigrünen und gegen die Grünen in der Linkspartei geschrieben. Wagenknecht, die im Gegensatz zu Robert Habeck über ökonomisches Wissen verfügt – ein Satz wie der über die Insolvenz wäre ihr nie über die Lippen gekommen –, versucht, kommunistische Ideen mit denen des Ordoliberalismus zu kombinieren, indem sie den Ordoliberalismus extrem sozialistisch auslegt.
Während Habeck die Eigentumsverhältnisse unangetastet lässt, abgesehen von der Enteignung, die sein Gebäudeenergiegesetz und seine Energiepolitik, die in Chaos und Desaster enden wird, mit sich bringen, und die Unternehmen durch Vorgaben, das heißt durch Interventionen und Subventionen leiten will, gehen Wagenknechts wirtschaftliche Vorstellung letztlich auf das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung zurück, das man in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre in der DDR zu verwirklichen suchte. Ab Mitte der Sechzigerjahre verlor man dann an Umsetzungsdynamik, und schließlich wurde es durch Erich Honecker und die Kombinatsbildung Anfang der Siebzigerjahre völlig beendet.
Die Grundvorstellung des NÖSPL besteht darin, so etwas wie eine sozialistische Marktwirtschaft zu schaffen, bei der neben den großen Volkseigenen Betrieben eine Vielzahl an mittelständischen und kleinen Betrieben existiert, die privatwirtschaftlich bzw. genossenschaftlich geführt werden. Die VEBs sollten weniger zentral vom Ministerium und von der Staatlichen Plankommission geleitet werden, sondern in Rechnungsführung, Investition und Planung selbstständiger agieren dürfen. Wettbewerb war erwünscht. Dadurch sollte Konkurrenz entstehen, die Wagenknecht für nützlich hält, als Leistungs- und als Innovationstreiber.
Ihre Kritik an der Marktwirtschaft, dass der Markt nicht wirklich frei ist, wenn er von Oligopolen beherrscht ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Kurios ist, dass Habecks Wirtschaftspolitik dem Mittelstand massiv schadet und die Marktmacht der Monopole und Oligopole sogar noch verstärkt. Doch bei genauerem Hinsehen ist es auch wieder nicht erstaunlich, denn wer verdient an Habecks Umbau der Wirtschaft, die zu einem Gutteil durch Kredite finanziert wird, wer profitiert von den milliardenschweren Subventionen, die ebenfalls zu einem nicht geringen Teil kreditfinanziert sind? Es ist die Finanzwirtschaft, die Kredite vergibt und gleichzeitig Miteigentümer der subventionierten Konzerne ist.
Hinzu kommt, dass Deutschland auf dem Weg zu einer Subventionswirtschaft ist, die ebenfalls nur so lange funktioniert, wie die Subventionen fließen. Da den großen Monopolen und Oligopolen höhere Angestellte, Manager, und nicht Unternehmer vorstehen, ist ihr Denken stärker auf die kurzfristige Rendite gerichtet. Wenn Thyssenkrupp in der Stahlproduktion rote Zahlen schreibt, dann ist es für den Manager keine schlechte Perspektive, wenn der Staat ihm dafür, dass er die Produktion auf grünen Stahl umstellt, 2,1 Milliarden Euro zugesteht. Zumal er weiß, dass der Staat, wenn er sich schon ein Mal so stark engagiert hat, gezwungen ist, sich weiter zu engagieren, schlechtem Geld noch schlechteres Geld hinterherzuwerfen.
Das ist alles Hütchenspiel oder Hasard oder Casino, denn bis heute wird noch kein grüner Stahl produziert – und selbst wenn er produziert wird, wird er so teuer sein, dass er nicht konkurrenzfähig ist. Der Staat wird Thyssenkrupp also so lange subventionieren müssen, bis ihm Geld und Kreditwürdigkeit ausgegangen sind. Das ist die Konsequenz von Habecks Mazzucato-Wirtschaft. Wie sagte doch Habeck frei nach Mazzucato: Die Politik hat die Richtung der Wirtschaft zu bestimmen, und dann brauchen wir die Kreativität der Unternehmer, damit unsere Richtlinien umgesetzt werden.
Oder nicht minder frei nach Stalin: Wenn die Richtung klar ist, entscheiden die Kader alles. Und die Richtung gibt die Politik, also der frühere »Kinderbuchautor« Robert Habeck vor.
Diesen Weg will Wagenknecht so nicht gehen, auch wenn sie genau wie Habeck und Mazzucato den starken Staat favorisiert.
Auszug aus:
Klaus-Rüdiger Mai, Die Kommunistin. Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen. Europa Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, 24,00 €.
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