Es ist an der Zeit, über Entschädigungen zu sprechen. Ich meine damit selbstverständlich nicht jene wohlfeilen Forderungen bestimmter Interessengemeinschaften, die hohe Bargeldbeträge für etwas einklagen, was lange vor ihrer Geburt Menschen, die sie nicht kannten, von Menschen, denen sie nie begegnet sind, angetan worden ist. Das nicht. Ich spreche vielmehr von der Notwendigkeit, dass den Bürgern dieser Welt von den Chinesen Wiedergutmachung gezahlt wird für das, was China im Verlauf des vergangenen Jahres bei uns angerichtet hat.
Bevor wir fortfahren, müssen vielleicht ein paar Dinge ins rechte Licht gerückt werden. Der britische Finanzminister Rishi Sunak gab in der vergangenen Woche seinen Rechenschaftsbericht ab. Darin erklärte er, dass die britische Wirtschaft in diesem Jahr einen Rückgang von 11 Prozent erlitten habe. Um diese Zahl richtig einzuordnen: Es handelt sich um den größten Wirtschaftseinbruch in Großbritannien seit über 300 Jahren. Selbst optimistischste Schätzungen gehen nicht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung vor dem vierten Quartal nächsten Jahres wieder das Niveau vor der Corona-Pandemie erreichen wird. Die Staatsverschuldung ist so hoch wie nie zuvor in Friedenszeiten, und es wird erwartet, dass die Schuldenanteil bis 2025/26 satte 97,5 Prozent des BIP ausmachen wird.
Jeder, der versucht ist zu behaupten, dass das allein den Maßnahmen der britischen Regierung zuzuschreiben sei, möge sich im Rest der Welt umschauen.
Es gibt aber eine große, glückliche Volkswirtschaft, auf die das nicht zutrifft. Raten Sie mal, welche? China erwartet für dieses Jahr ein Wachstum von 1,8 Prozent – als einziges Land, in dem das der Fall ist. Schön für die Chinesen. Ein Finanzjournal erklärte diese Woche sogar: „China treibt die globale Erholung voran.“
So könnte man es sehen. Ich persönlich empfinde bei der Lektüre solcher Geschichten allerdings eher Rachegelüste, also Gefühle, die ja in der Vorweihnachtszeit ohnehin zu kurz kommen. Mir geht es eben auf die Nerven, dass China so glimpflich davon kommt – und dabei auch noch Schlagzeilen über die weltweit positive Wirkung seines wirtschaftlichen Aufschwungs macht.
Zunächst einmal lohnt es sich, den Verlauf der Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Wir wissen nach wie vor nicht, ob das Virus aus dem Labor in Wuhan stammt oder ob die Geschichte von den verspeisten Fledermäusen stimmt. Beides wäre denkbar. Und beides lässt die Frage zu, ob die Kommunistische Partei Chinas das Virus absichtlich oder versehentlich entweichen ließ.
Das klingt vage, aber genau das ist von der KPCh so beabsichtigt. Die verbrachte nämlich viel Zeit seit Ende 2019 und im Jahr 2020 damit, sicherzustellen, dass wir diese Dinge nicht so genau wissen sollen und können. Als unsere Verbündeten in Australien Anfang dieses Jahres eine unabhängige internationale Untersuchung des Virusursprungs forderten, drohte die KPCh mit Sanktionen. Und diese Woche wurden auf Accounts der chinesischen Regierung gefälschte Fotos eines australischen Soldaten veröffentlicht, der ein afghanisches Kind „ermordet“. Komischerweise scheinen die Kommunisten nicht nach den gleichen Regeln zu spielen wie alle anderen.
Ist es eine Verschwörungstheorie, zu glauben, dass es Absicht gewesen sein könnte? Der Meinung sind weder ich noch etliche Mitarbeiter von Geheimdiensten. Im Jahr 2020 landete China einen der größten Coups der Finanzgeschichte. Der Handelskrieg der Trump-Regierung gegen China begann, Wirkung zu zeigen, und zufällig oder absichtsvoll befand sich die KPCh plötzlich in der glücklichen Lage, dass die Wirtschaft ihres Hauptkonkurrenten (und der restlichen Welt) vollständig heruntergefahren werden musste. Als Bonus wurde auch noch der Präsident, der die einzige Person auf der Welt zu sein scheint, die bereit ist, der KPCh die Stirn zu bieten, aus dem Rennen genommen. Während nun die amerikanische Öffentlichkeit ein politisches und finanzielles Durcheinander von gigantischen Ausmaßen zu bewältigen hat, segelt China vergnügt mit steigendem Wachstum ins Jahr 2021.
Das Tollste ist, dass China sich jetzt auf einem Käufermarkt befindet. Der Rest der Welt muss aus diesem finanziellen Einbruch und einer möglichen Depression einen Ausweg finden. Von Afrika über Mitteleuropa bis zum Brexit-Großbritannien bietet sich nun eines an: Chinesische Investitionen. Und so lange China auch noch als das Land angesehen wird, das „die globale Erholung vorantreibt“, wird diese Versuchung groß sein. Längst hat die KPCh unsere Universitäten aufgekauft, ziemlich billig sogar. Ganz zu schweigen von einem Atomkraftwerk und einigem mehr. Nun können sie sich erst recht wie ein Immobilienentwickler verhalten, der die Umgebung eines Hauses zerstört hat und dann anbietet, die nun unattraktiv gewordene Immobilie zu einem Spottpreis zu kaufen. Natürlich unter gewissen Auflagen. Selbst wenn ein Land der Versuchung widerstehen sollte, chinesische Investitionen zu nutzen, um seine Probleme zu lösen, so ist es unwahrscheinlich, dass die restlichen Länder eine ähnliche Zurückhaltung an den Tag legen werden.
Daher mache ich einen anderen Vorschlag: Länder der Welt, vereinigt Euch! Die KPCh hat 2020 die Weltwirtschaft zerstört. Und wir verlangen Entschädigungen. Ich bin offen für Vorschläge, wie wir das umsetzen: Sanktionen, Kanonenboote – nichts sollte tabu sein. China hat uns das Jahr 2020 gegeben. Wir müssen es dafür bezahlen lassen.
Dieser Beitrag von Douglas Murray erschien am 5. Dezember 2020 unter dem Titel „The case for Chinese reparations“ in The Spectator. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme und Joachim Winter für die Übersetzung ins Deutsche.
Von Douglas Murray liegen zwei Bücher in deutscher Übersetzung vor, die in der Edition Tichys Einblick im FBV erschienen sind und nicht zuletzt angesichts der Corona-Krise eine neue Aktualität erfahren: „Wahnsinn der Massen“ und „Der Selbstmord Europas. Immigration, Identität, Islam. 384 Seiten, 24,99 €.
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