Es gibt Bücher, die rufen nach einem Bleistift: einem Werkzeug, mit dem man Richtiges unterstreichen, Erkanntes mit einem Rufzeichen markieren will. Das passierte mir mit „Leichter leben mit Philosophie“.
Wir leben in zunehmend verunsichernden Zeiten und müssen feststellen, dass wir den äußeren Umständen der vielen Krisen, die auf uns hereingebrochen sind, nicht gewachsen sind, dass wir diese nicht verändern und die Krisen aus eigener Kraft nicht beenden können. Die triviale Antwort findet sich in immer abenteuerlicheren Verschwörungstheorien; die gepflegte Antwort suchen Denker, die dafür zum Philosophen geadelt werden. Viele stellen sich die Frage, wie sie mit diesen Krisen umgehen sollen, um nicht an ihnen zu verzweifeln und hoffnungslos zu werden. In diesen Zeiten kann Philosophie zum Zufluchtsort für alle werden, die die Orientierung in einer immer chaotischer werdenden Welt suchen. Und diejenigen, die sich mit diesem Wunsch an sie wenden, kann sie trösten und ihnen Hoffnung geben.
Aber der Einstieg in die Philosophie ist abschreckend. Schon mal Hegel im Original versucht, oder Nietzsche genossen und Adorno verköstigt? Wer nicht gerade in Untersuchungshaft sitzt, hat kaum Zeit dazu, auch wenn draußen die Zeiten immer wirrer und herausfordernder werden.
Die Stoiker machten die Erfahrungen, mit denen wir auch in den heutigen Krisen fertig werden müssen, zum Beispiel dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, das in der Corona-Zeit sehr deutlich wurde oder aber auch der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit angesichts des Krieges in der Ukraine. Dieser Abgrund gehört für den Stoiker zum Leben dazu und uns bleibt ebenfalls nichts anderes übrig, als mit diesem Abgrund zu leben.
Der römische Philosoph Seneca (+ 65 n. Chr.) plädiert dafür, alles, was uns im Leben widerfährt, aber auch das Leben selbst, nur als Leihgabe zu sehen, von der wir nicht wissen, wann wir sie zurückgeben müssen. Wenn wir diese Leihgabe irgendwann zurückgeben müssen, sollten wir das ohne Gram tun. Ein wichtiges Merkmal der stoischen Philosophie ist die Ataraxie, die Seelenruhe, eine innere Ruhe, die sich auch durch die äußeren Umstände nicht erschüttern lässt. Der Begriff bezeichnet eine, zugegebenermaßen, ideale Lebenseinstellung, mittels derer es gelingt, das unberechenbare Handeln der Götter, beziehungsweise Ereignisse des Schicksals gelassen und ruhig akzeptieren zu können und nicht daran zu verzweifeln. Sollte Sie also das Verbot ereilen, das Ihre mühsam finanzierte Heizung oder Ihr Dieselfahrzeug stilllegt – nehmen Sie es mit Ataraxie. Das Leben geht ja weiter.
Die Grundzüge dieser Philosophie finden sich in Senecas Schriften „Vom glücklichen Leben“ und „Über die Ausgeglichenheit der Seele“ wieder. Für den Stoiker Epiktet (+135 n.Chr.) ist die Philosophie eine praktische, gelebte Tätigkeit mit dem Ziel, ein innerlich freies Leben, angesichts äußerer Umstände, die wir nicht ändern können, zu erlangen. Philosophie ist die einzig wahre Lebensform, um innere Freiheit zu bekommen und sich von den äußeren Umständen nicht unterdrücken zu lassen. Auch für Marc Aurel (121-180 n. Chr.) ist das Ziel des philosophischen Strebens das Erreichen der Seelenruhe.
Philosophische Hoffnung ist eine Hoffnung, die sich den jeweiligen Verhältnissen anpasst und ein Zugeständnis an die Widrigkeiten des Lebens, auf die man keinen Einfluss hat.
Das ist das Faszinierende an diesem Buch: Es hilft beim Auffinden, verlockt dazu, die kurzen Texte durch Studium der Originaltexte zu vertiefen und aus vielen Facetten zusammenzusetzen und bei Immanuel Kant erstaunlich moderne Gedanken „zum ewigen Frieden“ auf der Welt zu finden.
Viele philosophische Sätze benutzen wir verkürzt im Alltag. Hier findet man die Quellen. Ein Schlagwortregister erleichtert die Suche und das Weitermachen, Weiterlesen, Hoffen.
Denn Hoffnung bedeutet, das Leben anzunehmen, wie es ist. Hoffnung ist ein Vertrauen auf die eigene innere Stärke und darauf, an den Widrigkeiten nicht zu zerbrechen. „Denn in einem tieferen Sinn“, so der Philosoph und Mediziner Giovanni Maio (*1964), „hofft man nicht auf etwas, sondern auf sich selbst.“ Wenn man dagegen die Hoffnung aufgibt, so bedeutet das im Umkehrschluss, dass man sich selbst aufgibt.
Helga Ranis, Leichter leben mit Philosophie. Quell-Verlag, Taschenbuch, 200 Seiten, 14,90 €