Großmutter Pauline hat die badischen Rezepte gesammelt und in einem handgeschriebenen Kochbuch festgehalten. Die Sammlung wurde weitergegeben – und jetzt hat sie die Grafikerin Monika Frei-Herrmann herausgegeben – mit dem Wissen um Einkauf, Verarbeitung und Zubereitung. Seit der Corona-Krise ist dieses Wissen wieder aktuell: Nicht mehr um raffinierte und möglichst ausgefallene, exotische und technologisch auf die Spitze getriebene Küche geht es – sondern um gutes, schmackhaftes, wertvolles Essen, das mit überschaubarem Aufwand zubereitet werden kann. Entstanden ist ein Kochbuch, das Schritt-für-Schritt erklärt, wie man feinste Gerichte zaubert. Wobei wirklich jeder Schritt fotografiert wird. Jeder. Und die Rezepte sind nicht das übliche Überkandidelte aus der Fernsehküche, sondern seit Jahrzehnten bewährt. Gut soll es schmecken und gleichzeitig unkompliziert sein, mit wenigen Zutaten, um den Einkauf zu bewältigen und: erklärbar.
„Mein kulinarisches Erbe – Traditionelle Rezepte Schritt für Schritt fotografiert“ lautet das Programm. Zunächst Schnitzel mit Senfkruste und Bratkartoffeln. Eine Kombination, die ungewollt zum Luxusgericht ausartet, wenn der Metzger Rinderfilet verkauft. Das Essen wird dann wie zu erwarten großartig, allerdings reißt es ein riesiges Loch in das Budget. Gutes kostet. Darf es aber nicht jeden Tag. Also doch besser Schwein. Wie man es macht – Schritt für Schritt wird es erklärt, unabhängig von Sonntags- oder Wochentagsschnitzel.
Deshalb als Alternative die Nudelpfanne mit Ei, schnell, preiswert, gute Alltagsküche. Sie kann mit Speck verbessert werden; badische oder Schweizer Hausfrauen kochen nicht ohne Speck. Und Speck ist einer der Lagerbestände, der weder Kühltruhe noch Verfallsdatum wirklich braucht, sondern eingeschweißt einfach lange hält. Die Mengenangaben erscheinen manchmal niedrig, aber schnell zeigt sich beim Probekochen: Sie sind realistisch statt knickrig.
Aber haben wir nicht Zeit gewonnen durch zwangsweise Pause? Also ausprobieren. Weiße Bohnen müssen vorgekocht werden, können aber auch aus der Dose verwendet werden, die im Supermarktregal noch zu finden ist: Basis-Koch-Güter gibt es länger als vorproduziertes „Ready-to-Eat“, das derzeit schnell vergriffen ist. Speck muss ausgelassen werden, wobei auslassen nicht weglassen heißt, sondern ihn besonders zu behandeln. Aber das lernt man im Buch. Ebenso: Gurken kann man entwässern – ein Trick für ausgebuffte Köche, der aber den Kartoffelsalat weicher macht. Notküche muss nicht so schmecken, an der Kenntnis des Kochs zeigt sich der Unterschied. Das Foto im Buch zeigt, wie die Gurken von dem schräggelegten Schneidebrett abtropfen. Folge dem Foto! Und es schmeckt. Selbst Kuchen ohne Mehl. Mehl soll neuerdings mancherorts schon Mangelware sein.
Bratkartoffeln muss man vorher nicht kochen, sie schmecken auch lecker, wenn man sie roh in der Pfanne brät. Paprika kann man mit Honig würzen, was ein sehr gutes Aroma erzeugt. Jedoch ist bei der Auswahl der Rezepte auf den Geldbeutel zu achten, da man schnell durch die animierenden Fotos zum Nachmachen verführt wird – und aus der Not- wird eine Luxusküche. Aber wie wußte doch die Großmutter: Spare in der Not, da hast Du Zeit dazu. Und so zeigt sich, dass Omas Rezepte sich auch gut für Festtagsgerichte eignen.
Klar, solche Anleitungen gibt es heute auch per Smartphone. Aber die Netzqualität nimmt ab, wir tasten uns analog an die Erfahrungen früherer Generationen heran. Und übrigens: Teigfinger zerstören jede Tastatur, die Bilder sind zu klein. Und manches wirkt bieder: Markklößchensuppe. Klingt sehr nach Oma. Aber die konnte: kochen.“
Monika Frei-Herrmann, Mein kulinarisches Erbe. Traditionelle Rezepte Schritt für Schritt fotografiert. Quell Edition, 174 Seiten, 19,90 €.
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