Mitte April trat Raúl Castro mit fast 90 Jahren als Parteichef der KP Kubas zurück – ein Anlass, sich dem ernüchternden Kapitel der Geschichte Kubas seit der Revolution 1959 und anderer sozialistischer Staaten zuzuwenden.
Das Verhältnis der Deutschen zu Kuba ist gespalten. In meiner Jugend gab es kaum ein Studentenzimmer ohne Che Guevaras heroisches Portrait im Schattenriss, schwarz auf rot. Der jugendliche Fidel zeigte es den Amis, die mit ihrem Krieg in Vietnam sowieso der Feind aller Gutgesinnten waren. Der Export der kubanischen Revolution nach Südamerika durfte schon viel Blut kosten. Die strahlende Zukunft sollte es rechtfertigen. Das ist der Stoff, aus dem die Träume sind, die im Blutbad enden. Kuba endet schlicht im Elend; sozial, wirtschaftlich und moralisch.
Kürzlich sagte mir eine junge Frau, die sich von einem Sozialismus-Begeisterten aus Kuba buchstäblich hat herausheiraten lassen als einzigem legalen Fluchtweg, der den schönen jungen Frauen offensteht: „Mein italienischer Ehemann und Herzens-Sozialist träumte vom Sozialismus. Aber müsste er vom Gehalt meines Vaters leben wäre er schon zur Monatsmitte verhungert.“ Der Blick von Innen ist realistisch, der Blick von Außen auf den Sozialismus verklärend.
Es gibt wohl kaum ein schillernderes Phänomen als den Sozialismus. In den letzten 100 Jahren gab es mehr als zwei Dutzend Versuche, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, von der ehemaligen Sowjetunion über Kuba und Nordkorea bis hin zu Venezuela – alle waren früher oder später zum Scheitern verurteilt.
Friedrich August von Hayek stellte schon 1988 fest: »Nach siebzig Jahren Erfahrung mit dem Sozialismus können wir festhalten, dass die meisten Intellektuellen nicht bereit sind, sich einmal zu fragen, ob es nicht vielleicht Gründe dafür gibt, dass der Sozialismus, so oft er auch ausprobiert wird, nie so funktioniert, wie seine intellektuellen Vorreiter sich das vorstellen. Die vergebliche Suche der Intellektuellen nach einer echten sozialistischen Gemeinschaft führt zu einer Idealisierung, und dann zur Desillusionierung, mit einer offenbar endlosen Kette von ›Utopien‹ – die Sowjetunion, dann Kuba, China, Jugoslawien, Vietnam, Tansania, Nicaragua.«
Heute ist Kuba das, was man einen „Failed State“ nennt, der Sozialismus der gelebten Realität qualvoll, ohne Zukunft, ohne Hoffnung. Nur das Che-Guevara-Poster sieht man noch ab und an. Es ist eine Ikone der Selbsttäuschung und der Verbrechen an der Menschlichkeit – aber die Kinder sehen immer nur den Sexappeal des südamerikanischen, glutäugigen Latin Lovers. Seine Toten sind längst aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden, und so feiert das Gespenst des Sozialismus immer wieder Auferstehung.
Kristian Niemietz, Sozialismus. Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt. Mit einem Vorwort von Rainer Zitelmann. FBV, 320 Seiten, 22,99 €.