Tichys Einblick
Tichys Lieblingsbuch der Woche

Michael Esders inspiziert das Schlachtfeld der Begriffe und Metaphern

Wir sollen nicht mehr reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist, sondern uns sprachlich und geistig unterwerfen. Unter das mächtige Sprachregime der Gegenwart, welches die postmoderne Linke etabliert hat. Nur wer das semantische Betriebssystem dieses Sprachregimes entschlüsselt, kann seine Macht brechen

»Wie konnte es gelingen, eine Agenda durchzusetzen, die den Interessen der Mehrheit eklatant widerspricht und deren zerstörerische Folgen keinem unverstellten Blick entgehen können? Wie war und ist es bis heute möglich, in der Migrations-, Klima- und Identitätspolitik die Evidenz des Augenscheinlichen und Offensichtlichen dauerhaft außer Kraft zu setzen?«, so beginnt Michael Esders seine klarsichtige und reichen Erkenntnisgewinn liefernde Analyse der real existierenden öffentlichen Sprache in unserem Land. Und fährt fort:

»Diese Fragen haben die vorliegenden Überlegungen schon zu einer Zeit provoziert, als sie kaum mehr als ein erstauntes Entsetzen waren, das sich gegen die Formulierung sperrte. Es liegt nahe, in einer orchestrierten Öffentlichkeit, einem monolithisch auftretenden politisch-medialen Komplex und der undurchdringlichen Phalanx aller gesellschaftlichen Akteure von den Parteien bis zum Bildungssystem, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, von den Industrieverbänden bis zu den Nichtregierungsorganisationen entscheidende Faktoren zu sehen. Auch psychologische, psychopolitische oder geschichtsphilosophische Erklärungsmuster, die etwa auf transgenerationale Schuldkomplexe, historisch bedingte Identitätsstörungen oder Verfallserscheinungen der westlichen Zivilisation insgesamt abheben, drängen sich auf.

Viele dieser Begründungen sind zumindest in Teilaspekten plausibel, aber keine kann, für sich genommen, die kollektive Ausschaltung rationaler Interessenkalküle und den dauerhaften Verstoß gegen elementare Anforderungen der Selbsterhaltung erklären. Es muss etwas hinzukommen, das die umstandslose Verinnerlichung systemischer Imperative und die reibungslose Organisation von Zustimmung für interessenwidrige, selbstzerstörerische Ziele ermöglicht.«

Ebenso erhellender wie grimmiger Lesegenuss
Sprachregime - Die Macht der politischen Wahrheitssysteme
Esders inspiziert das Schlachtfeld der Begriffe und Metaphern, das sich auf alle Lebensbereiche ausgeweitet hat. Der Literaturwissenschaftler dechiffriert die „Wahrheitssysteme“ (Michael Kretschmer) der deutschen Politik, die sich über alle diskursiven Gepflogenheiten hinwegsetzen. Er entziffert die Narrative der Willkommenskultur und des menschengemachten Klimawandels, in denen Haltungen über den Common Sense, Mythen über Theorien triumphieren.

Josef Kraus schreibt in seiner Besprechung des hier sehr eindringlich zur Lektüre empfohlenen Bandes: »Michael Esders ist ein Autor, dessen sprachliche Kreativität nicht nur begeistert, sondern dessen Formulierungsgabe Kritik erfreulich schmerzhaft auf den Punkt bringt. So etwa, wenn er dem ›monolithisch auftretenden politisch-medialen Komplex bunttümelnde Eintönigkeit‹ attestiert. Oder wenn er die ohnehin schon verengten Meinungskorridore vor allem durch NS-Vergleiche als ›schärfste Waffe‹ und als ›Goldstandard‹ weiter verengt sieht. Habermas kommt zu Recht nicht gut weg – ein Habermas, der sein Leben lang vom ›herrschaftsfreien Diskurs‹ schwadronierte, aber als Mittel gegen ›Rechte‹ deren ›Dethematisierung‹ fordert.«

Nein, es geht nicht darum, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen, wenn ZDF-Sprecherinnen glucksen statt klar zu sprechen und Studenten schlechte Noten erhalten, weil sie auf Gendersternchen verzichten, die ihre Texte schwerer verständlich machen würden.  Es geht um die Demonstration und Durchsetzung eines allgemeinen Machtanspruchs: Wer die Wörter und Begriffe beherrscht, will das Denken beherrschen. Dieses Buch führt die gefährlichen Manipulationsversuche vor, denen wir derzeit täglich ausgesetzt sind.

Michael Esders, Sprachregime. Die Macht der politischen Wahrheitssysteme. Die Werkreihe von Tumult bei Manuscriptum, Klappenbroschur, 148 Seiten, 18,00 €


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