Während überall in Deutschland von allumfassender Toleranz und Diversität geschwärmt wird, die Sendung mit der Maus bei Kindern Werbung für Transsexualität macht und die Bundesregierung das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg bringt, hat Alice Schwarzer, Deutschlands wohl bekannteste Feministin, ein neues Buch herausgegeben – und sich damit schon jetzt reichlich Ärger eingehandelt. Ihr Buch „Transsexualität – Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?“ widerspricht der gendergerechten WDR-Maus nämlich ganz massiv. Und das aus Sicht von Betroffenen, Eltern, Psychiatern und sogar Gendertheoretikern.
Pünktlich zum Erscheinen der kontroversen Streitschrift wurden die Mauern des Bayenturms in Köln, einem historischen Gebäude, in dem die EMMA-Redaktion von Frau Schwarzer untergebracht ist, mit Graffiti beschmiert. Trans-Aktivisten – oder besser gesagt: linke Ideologen, die keine Kritik verkraften – besprayten die Wand mit der Aufschrift „EMMA TERFS INS KLO 2.0“. TERF steht dabei für „Trans-Exclusionary Radical Feminist“ – doch das kann man Alice Schwarzer nun wirklich nicht vorwerfen.
Immerhin hat sie nach eigenen Aussagen bereits Anfang der 80er Jahre zu den wenigen Menschen gehört, die sich für das Transsexuellengesetz eingesetzt haben. Sie hat sich immer für die „extrem kleine Gruppe echter Transsexueller“ und ihre Rechte stark gemacht. Was wir heute erleben, ist aber etwas anderes. Es ist ein künstlich erzeugter Hype, laut Frau Schwarzer eine regelrechte „Trans-Mode“. Und das vor allem unter Jugendlichen.
Frau Schwarzer erklärt sich das durch die widersprüchlichen Botschaften, die man jungen Mädchen vermittelt. Einerseits sage man ihnen, dass sie alles werden können, was sie wollen – „alles was die Männer können“. Gleichzeitig werde ihnen im Netz aber suggeriert, dass sie dabei aber immer schön Frau bleiben sollen – „Der Körper, der Busen, das Gesicht – muss alles perfekt sein“. Und durch genau diesen Spagat entstehe ein Unbehagen mit der Frauenrolle.
Laut Alice Schwarzer ist es aber eben nicht die Lösung, „den eigenen Körper zu verstümmeln“
Abigail Shrier, eine Journalistin des Wall Street Journals, hat vor einiger Zeit ebenfalls ein „umstrittenes“ Buch zu dem Thema veröffentlicht, setzte aber einen etwas anderen Fokus bei der Erklärung des Phänomens. Laut ihr gehe es hauptsächlich darum, dass Mädchen in der Pubertät einen ganzen Haufen belastender körperlicher und psychischer Unsicherheiten aushalten müssen – und statt Hilfe und Empathie anzubieten, redet man ihnen ein, dass ihr weiblicher Körper etwas ist, was sie loswerden müssen.
Und an diesem Punkt kommen Frau Shrier und Frau Schwarzer wieder zusammen, denn der Knackpunkt sind das Internet und Social Media. Auf Youtube und Instagram können sich schon kleine Kinder makellose Models und Influencer ansehen, die perfekte Stupsnasen, flache Bäuche, große Busen und makellose Haut haben – der Horizont reicht aber nicht, um zu wissen, dass normale Menschen nicht so aussehen, jeder anders und unperfekt ist. Das erzeugt Druck, nicht selten schwere psychische Belastungen und Selbstwertprobleme. Social Media bietet dann auch gleich eine Lösung: Influencer, die lächelnd verkünden, dass alle Probleme ganz einfach mit dem Skalpell und Hormonen gelöst werden können.
Die Medizinerin Dr. Lisa Littmann machte sich schon im Jahr 2018 unbeliebt, weil sie die These aufstellte, dass die Geschlechtsdysphorie eine Coping-Strategie, also ein Bewältigungsversuch ist – ganz ähnlich wie Magersucht oder selbstverletzendes Verhalten. Die von ihr untersuchten Jugendlichen zeigten zu über 60 Prozent eine oder mehrere psychische Störungen: Sie hatten Depressionen, litten unter Autismus, hatten Schwierigkeiten in der Gefühlsregulation, Stress- und Traumaerfahrungen und zeigten selbstverletzendes Verhalten.
Alice Schwarzer sagt, dass Therapeuten lernen müssten, „zwischen den seltenen echten Fällen von Transsexualität und den vielen, vielen Fällen, in denen junge Frauen und manchmal auch junge Männer einfach Probleme mit ihrer Geschlechterrolle haben“ zu unterscheiden. Damit hat sie abgesehen vom feministischen Touch wohl recht, es tut sich aber ein weiteres Problem auf. Therapeuten bringen sich in Teufels Küche, wenn nicht sogar in den Knast, wenn sie den Trans-Wunsch ihrer kleinen Patienten infrage stellen. Denn schon das bloße Hinterfragen der Transidentität kann schnell als Transphobie ausgelegt werden – in der Öffentlichkeit, den kassenärztlichen Vereinigungen, der Psychotherapeutenkammer.
Häufig wird sogar unterstellt, es handle sich um eine Konversionstherapie: die „Behandlung“ von Homosexualität. Diese Therapien sind seit Mai 2020 verboten – doch kritische Gespräche über die angebliche Transidentität werden so gleich mit verhindert. Damit steht zu befürchten, dass sich kritische Ärzte und Therapeuten aus dem Behandlungsbereich zurückziehen und das Feld den begeisterten Geschlechts-Operateuren überlassen. Ein fataler Vorgang, denn mit der therapeutischen Empfehlung steht Geschlechtsoperationen selbst an Minderjährigen kaum noch etwas entgegen.
Hinterfragen unmöglich
Jugendliche, die sich mitten in der Pubertät befinden und körperlich völlig gesund sind, werden dann nicht nur mit Pubertätsblockern und Hormonen vollgepumpt, sie werden genital unwiderruflich operiert. Den Jungen werden Hoden und Schwellkörper entfernt, um aus der umgestülpten Penisschafthaut eine „Neovagina“ zu formen. Den Mädchen wird die Scheide entfernt, Klitoris und Harnröhre gestreckt. Mit einem Hautlappen aus dem Unterarm oder dem Oberschenkel wird ein künstlicher Penis geformt, aus den großen Schamlippen ein Hodensack. Man entfernt chirurgisch Brüste, Gebärmutter und Eierstöcke – mit wachsender Zahl bereits bei 14-, 15- und 16-Jährigen. Insgesamt ist die Zahl der geschlechtsumwandelnden Operationen an 15- bis 20-Jährigen in deutschen Krankenhäusern in nur etwa 15 Jahren um das Fünfzehnfache und bei 20- bis 25-Jährigen sogar um das Fünfzigfache gestiegen.
Dass schon so jungen Menschen ermöglicht wird, solche irreversiblen Entscheidungen zu treffen, empört auch Alice Schwarzer zutiefst. Das ist einer der Gründe, warum sie das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Regierung so scharf kritisiert. Das Gesetz sieht vor, dass es künftig ohne weiteres möglich ist, seinen Namen und Geschlechtseintrag vor dem Standesamt zu ändern – einfach per Selbsterklärung. Bis vor der Ampel-Neuerung war für die Änderung des Personenstandes und des Namens Voraussetzung, dass man sich aufgrund seiner transsexuellen Prägung „mehr als drei Jahre und voraussichtlich dauerhaft“ nicht mit dem eigentlichen Geschlecht identifiziert und zwei Begutachtungen vornehmen lässt. Mit diesem angeblich so demütigenden Verfahren vor dem Amtsgericht ist jetzt Schluss. Jetzt soll selbst 14-jährigen Kindern ermöglicht werden, ihren Geschlechtseintrag auch gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern ändern zu lassen. Laut Frau Schwarzer sei die Änderung des Geschlechtseintrags aber oft nur der erste Schritt, dem als zweiter Schritt häufig die Behandlung mit Pubertätsblockern, Hormonen und Operationen folgen würde.
Wenn viele junge Menschen die Entscheidung vorschnell träfen, müssten auch viele diesen Schritt im Nachhinein bereuen – dem sei aber laut Lehmann nicht so: „Wir wissen aus Studien, dass von den Menschen, die ihren Personenstand wechseln, weniger als ein Prozent diese Entscheidung bereut.“ Mich würde interessieren, was für Studien Herr Lehmann hier zu Rate zieht – das läuft wahrscheinlich ähnlich wie bei den Studien, die den Ansteckungsschutz durch die Corona-Impfung beweisen. Die Studien, die ich kenne, zeigen jedenfalls ein anderes Bild. Ebba Lindquist konnte 2016 zum Beispiel einen sogenannten „Honeymoon Effect“ nachweisen. Das heißt, dass es den Betroffenen kurz nach der OP erstmal physisch und psychisch besser ging als zuvor, die Zufriedenheit dann aber nach drei Jahren in allen Bereichen nachhaltig sank. Noah Adams zeigte 2017, dass die Zahl der Suizidphantasien und Suizidversuche nach der Operation mit 50,6 Prozent deutlich höher lag als vor der OP – da waren es „nur“ 36,1 Prozent.
Trotz all dieser Fakten, versucht man Kritiker des Selbstbestimmungsgesetzes und des gefährlichen Trans-Hypes, wie Alice Schwarzer, mundtot zu machen und zu diffamieren. Im Namen von Gleichberechtigung, Toleranz und Diversität wird Transsexualität überall in Politik und den öffentlichen Medien – wie bei der WDR-Maus -, aber auch in Schulen und selbst in Kindergärten propagiert. Man erzählt den Kleinen nicht nur, dass die klassische Familie Schnee von vorgestern und sowieso nur das Ergebnis patriarchaler Strukturen ist, sondern hinterfragt aktiv das Geschlecht des Kindes – ob die kleine Tina nicht vielleicht doch ein Tom ist, dann ginge es ihr bestimmt viel besser. So schafft man aber weder persönliche Freiheit, noch erfüllt man den Kinderschutzauftrag. Vielmehr treibt man Kinder und Jugendliche zu gefährlichen und irreversiblen Entscheidungen, die ihr ganzes Leben verändern.
Mehr zum Thema: Alice Schwarzer/Chantal Louis (Hg.), Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift. Kiepenheuer & Witsch, Taschenbuch, 224 Seiten, 15,00 €.