Vor 76 Jahren kapitulierte Nazi-Deutschland vor den Alliierten Streitkräften – damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der 8. Mai wird seither in vielen europäischen Ländern als Tag der Befreiung gefeiert. Ein guter Anlass, sich mit einem fundierten und augenöffnenden Werk zur Geschichte der NSDAP auseinanderzusetzen. Wie konnte es zur Machtübernahme kommen? Welche Kräfte wirkten und gibt es sie noch immer?
Auf der Grundlage von Jürgen W. Falters Forschungsergebnissen, die er in „Hitlers Parteigenossen“ verarbeitet hat, werden manche einseitigen und auf unzureichender Datenbasis basierenden Thesen in Gesamtdarstellungen der NS-Zeit korrigiert werden müssen. Obwohl es ein Fachbuch ist, verzichtet der Autor erfreulicherweise auf Politologen- und Soziologen-Fachjargon, was das Buch auch für den Laien gut lesbar macht.
Zwischen 1919 und 1945 schlossen sich über zehn Millionen der NSDAP an, am Ende des Zweiten Weltkriegs war jeder zehnte Deutsche Parteigenosse. Doch wer konnte Mitglied werden und wer nicht? Wann wuchs die NSDAP, die Deutschland während der NS-Diktatur ab 1933 als einzige zugelassene Partei beherrschte, und wann stagnierte ihre Mitgliederzahl? Welche Motive bewogen die Neumitglieder zum Eintritt? Konnte man aus der NSDAP auch wieder austreten? Wie sah die soziale Zusammensetzung der Partei aus?
Geschichtsschreibung ist nicht „Wahrheit“. Dass gerade viele Arbeiter zur NSDAP strömten, konnte und kann bis in die Gegenwart der linkssozialistischen Bewegung nicht recht sein und soll verdrängt werden; so wie die sozialistischen Elemente im „Dritten Reich“ beharrlich geleugnet werden. Die Propaganda versuchte, Hitler als Vasallen des Kapitalismus darzustellen und zu leugnen, dass es um ähnliche Wurzeln ging. Das macht die Verbrechen nicht ungeschehen und entschuldigt sie nicht – aber lenkt den Blick auf das Hufeisen – das Zusammentreffen von Linken und Rechten zum Schaden aller. Das macht Falters Analyse so wertvoll: Er kommt mit zeitlichem Abstand der Wahrheit näher. Und daraus ergibt sich ein Blick auf die Gegenwart: Die Gefahr für Freiheit, Demokratie, Frieden und Wohlstand geht nicht von Links- oder Rechtsradikalen aus – sondern durch das Zusammenspiel im Geist eines verschwiemelten Sozialismus, der sich in allerlei Farben kleidet.
Jürgen W. Falter, Hitlers Parteigenossen. Die Mitglieder der NSDAP 1919 – 1945. Campus Verlag, 584 Seiten, 45,00 €