Tichys Einblick

Die bürgerliche Revolution: es geht um Freiheit oder Sozialismus

Mit seinem neuen Bestseller will Markus Krall die Leistungsträger für ein Programm der Freiheit gewinnen

Revolution ist ein mächtiger und in seinem eigentlichen Sinne auch gefährlicher Begriff. Revolution bedeutet, selbst wenn sie friedlich bleibt, den totalen Umsturz, die Zerstörung eines gegebenen Zustands, aller gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen mit dem Ziel, etwas ganz Neues zu errichten. Nicht zufällig gehört die Revolution zu den Lieblingsbegriffen aller romantischer – vornehmlich linker – Weltverbesserer, während bürgerliche Denker Revolutionen aus mehreren Gründen, insbesondere aufgrund historischer Erfahrungen, ablehnen. Wenn überhaupt, so kann Revolution für sie nur das allerletzte Mittel sein.

Wenn also ein analytischer, freiheitlich denkender Kopf wie Markus Krall, der sich selbst als Libertär bezeichnet, seinem neuen Buch den Titel „Die bürgerliche Revolution“ gibt, so sagt das schon vieles über seine Einschätzung des Zustands unserer Republik aus. Es ist offensichtlich ein Zustand, den er weder ökonomisch, noch politisch, rechtlich und kulturell für haltbar und reformierbar hält. Er sieht uns auf eine nicht mehr vermeidbare umfassende Krise hinsteuern, die den Status quo zerstören werde. Die Frage, die Krall deshalb stellt, ist die: Wie weiter, was kommt nach dem von den Eliten verschuldeten – seiner Ansicht nach unausweichlichen – Zusammenbruch? Gelingt es, die bürgerliche Gesellschaft wiederherzustellen, oder marschieren wir weiter auf dem bereits begonnenen und sich abzeichnenden Weg in den Sozialismus, hin zur Allmacht des Staates?

Was man sich nach 1989 nicht mehr vorstellen konnte, sei eingetreten, schreibt der Autor, denn die Alternative laute wieder einmal: Freiheit oder Sozialismus. Und nicht nur, was das staatliche Handeln betrifft. „Schon ruft die Antifa dazu auf“, schreibt er im Vorwort zur dritten Auflage, „die Gelegenheit zu nutzen, um die öffentliche Ordnung zu zerstören (…) Die gewalttätige Machtergreifung der nach stalinistischem Vorbild agierenden Verfechter der Tyrannei ist eine reale Bedrohung.“

Das Ringen zwischen Freiheit und der Ideologie des Sozialismus
Markus Krall wird vielen Zuschauern seiner Reden und Interviews als kenntnisreicher Ökonom und Risikoanalyst bekannt sein. Wer nun erwartet hat, in seinem neuen Buch eben jene Analysen endlich in schriftlicher Form vorzufinden, wird sicherlich nicht enttäuscht werden. Doch der Leser bekommt viel mehr als die fundierten Vorhersagen des Währungszusammenbruchs und der ökonomischen Katastrophe, die zwangsläufig darauf folgen wird. Krall liefert nichts weniger als das, was er im Titel verspricht: Im ersten Teil des Buches eine nicht nur ökonomische, sondern gesamtgesellschaftliche Analyse unserer Gegenwart, und im zweiten Teil eine Vorstellung dessen, was sich alles ändern müsse, um das höchste Gut, die Freiheit der Bürger, wieder zu erlangen. Und ja, in der Summe sind diese Veränderungen nichts weniger als die im Titel angekündigte bürgerliche Revolution.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Analyse der Gegenwart die Erkenntnis, dass alle wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der letzten Dekade zum Abbau und schließlich zum Verlust der schwer errungenen Zivilisation führen. Der Null- und Negativzins bewegt die Menschen dazu, nur für die Gegenwart zu leben, nicht Disziplin zu halten und für die Zukunft vorzusorgen. Das verhindert auch die Akkumulation von Kapital und verhindert Produktivitätsfortschritte, belohnt dagegen schlecht wirtschaftende, ineffektive Unternehmen. Kontraselektion und Habsucht innerhalb der Eliten befördert ungebildete, manische Egoisten an die Spitze der Gesellschaft, denen das Schicksal des Landes und seiner Bürger egal ist, so lange sie ihre Macht behalten können. Die von ihnen beherrschten Parteien haben den Staat erobert und als Beute unter sich aufgeteilt. An der fröhlichen Ausplünderung der Steuerzahler beteiligen sich ebenso ungehemmt die Kirchen, die sich längst von den Zehn Geboten verabschiedet haben, und nun, statt Gottes Wort zu verbreiten und Nächstenliebe zu üben, zu willfährigen Propagandisten der herrschenden Politik geworden sind. Besonders fatal wirkt sich auf die Gebote der Zivilisation die mutwillige Zerstörung der Familie und die umfassende Sexualisierung des gesellschaftlichen Lebens aus. Geradezu apokalyptisch liest sich das Kapitel über den nahenden Zusammenbruch des Währungssystems, am Ende dessen die Verarmung und das Elend der Mehrheit der Deutschen stehen wird.

„Wurden die wirkliche Ethik und Moral der Gesellschaft erst einmal erfolgreich (…) unterminiert“ kollabiert die Freiheit „und der Sozialismus (kommt) an die Macht“, schreibt Krall in seinem Schlusswort. Das ist die sehr realistische Schreckensvision, die nach seiner Ansicht nur noch durch eine neue bürgerliche Revolution abzuwenden ist. Welche Veränderungen diese bedeuten würde, wie ein Programm der Freiheit aussehen könnte, erfährt der Leser im zweiten Teil des Buches. Die Vorschläge umfassen sämtliche gesellschaftlichen Bereiche, angefangen von den Wahlen über das Verfassungsgericht und das Gerichtswesen bis hin zu der Wiedererringung der individuellen Freiheit und der Etablierung der freien Marktwirtschaft.

Interview mit Markus Krall
Die bürgerliche Revolution: notwendige Reform unserer Gesellschaft
Um Missverständnisse zu vermeiden: Krall träumt nicht von einer Volksrevolution, sein Ziel ist es, die Leistungsträger dieses Landes für ein Programm der Freiheit zu gewinnen. An sie richtet sich dieses Buch. Er spricht jene Bürger an, die immer noch ihre Pflicht tun, für sich und ihre Familien sorgen und mit ihren Steuern für die Exzesse der Elite und ebenso für den leistungsfreien Wohlstand eines großen Teils der Gesellschaft aufkommen. Ihm schwebt ein Netzwerk vor, mit einem Think tank im Kern, das den bürgerlichen Kräften im Lande ermöglicht, sich über Ideen und deren Verwirklichung auszutauschen. Jene, die den Sozialismus wollen, haben sehr klare Vorstellungen davon, wie sie ihre Ziele verwirklichen wollen, und sie haben in den Mainstream-Medien auch die Propagandisten für diese Ideen gefunden. Wenn die bürgerlichen Kräfte sie nicht sprachlos gewähren lassen wollen, müssen sie sich mit eigenen Ideen für die Zeit nach dem Zusammenbruch rüsten. Denn dann kommen die beiden Alternativen, Freiheit oder Sozialismus, klar auf den Tisch.

Man kann diese Vorstellungen sicherlich als Utopie abtun. Jeder, auch Markus Krall, weiß über die Verlockungen der staatlichen Alimentierung und über die vorherrschenden Präferenzen der großen Mehrheit unserer Gesellschaft. Aber es ist gerade die Aufgabe der freiheitlich denkenden Elite, den Kampf um die Ideenführerschaft in einer tiefen Krise aufzunehmen, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern. Denn es sind die Ideen, die über die Zukunft entscheiden.

Es ist das große Verdienst dieses Buches, die vielfältigen Formen des fortschreitenden Zivilisationsbruchs dargestellt und eine Reihe von Vorschlägen für eine neue Ordnung unterbreitet zu haben. Die starke Nachfrage nach dem Buch beweist, dass es einen großen Hunger nach Ideen unter den lesenden Bürgern gibt. Es werden sicherlich nicht genau diese Vorschläge eine Mehrheit finden. Aber sie sind dazu geeignet, eine Diskussion anzustoßen und den Blick nach vorne zu richten.

Die kleinen Mängel des Buches schmälern seine Bedeutung nicht. Einige Inkonsistenzen regen zum Widerspruch an. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Während der Autor die Stärkung der Individualrechte fordert, die er im Gegensatz zu Kollektivrechten für die einzig legitimen hält, spricht er sich zugleich für die Menschenrechte aus, den schlimmsten Kampfbegriff für Kollektivrechte überhaupt. Fragwürdig ist auch die Forderung nach einer wertebasierten Verfassung, weil Werte immer willkürlich, durch die jeweiligen Mehrheiten gesetzt, interpretiert und mit einer ihnen passenden Rangordnung versehen werden. Gerade die Wertebasiertheit des Grundgesetzes hat ermöglicht, dass es von der linken Elite für ihre Ziele gekapert werden konnte. Aber sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen gehört schon zum zweiten Schritt: Die angestoßene Debatte aufzunehmen. Wenn das geschieht, hat das Buch sein Ziel erreicht.


Markus Krall, Die Bürgerliche Revolution. Wie wir unsere Freiheit und unsere Werte erhalten. LangenMüller, 300 Seiten, 22,00 €


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