Tichys Einblick
Aufrüttelnde Analyse eines Insiders

Deutschland war auf eine Pandemie nicht vorbereitet

Dass Corona zu einer Krise solchen Ausmaßes wurde, liegt nicht in erster Linie an der Gefährlichkeit des Virus, sondern an den Fehlern in unserem Gesundheitssystem. Die Verschränkung von Politik und Medizin hat teilweise fatale Folgen, die lange unbemerkt blieben.

Bereits Ende Dezember 2019 wurden Pressestimmen laut, die über eine unbekannte Lungenentzündung in China berichteten. Nach Recherchen von tagesschau.de unterrichtete das internationale Frühwarnsystem ProMED bereits Ende Dezember das Robert Koch-Institut in Berlin über die Häufung von Erkrankungsfällen in China. Im Januar 2020 traten in Deutschland die ersten Fälle auf. Vermutlich war zum Zeitpunkt der ersten Diagnosen das Virus schon längst in Deutschland unterwegs. Es wurde nur nicht gezielt nachgewiesen. Da die Symptome von einer Grippe kaum zu unterscheiden sind, gab es auch keinen Verdacht auf eine unbekannte Erkrankung. Deshalb muss angenommen werden, dass das Virus SARS-CoV-2 schon länger unter uns war.

Der Bundesgesundheitsminister (zu diesem Zeitpunkt Jens Spahn – Anm. d. Red.) und andere Fachexperten kamen in den ersten Wochen zu der Einschätzung, dass der Verlauf des Infektionsgeschehens deutlich milder als bei der Grippe sei. So feierte noch im Februar 2020 ganz Deutschland, obwohl die Zahl der Fälle weltweit angestiegen war, Karneval und Fasching. Zudem fand der politische Aschermittwoch statt – mit Bier und unter reger Anteilnahme. Das Tragen von Mund- und Nasenschutz im Alltag wurde von den Experten und Politikern nicht empfohlen.

Noch am 15. März 2020 fanden die Kommunalwahlen in Bayern wie geplant statt. Natürlich mit entsprechenden Auflagen und Sicherheitsvorkehrungen. Am 16. März 2020 rief Bayern dann den landesweiten Katastrophenfall aus, und am 22. März 2020 trat der erste Corona-Lockdown in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte ganz Deutschland bereits mit einem Problem: Es fehlte an ausreichend Schutzmasken und Schutzanzügen sowie an Desinfektionsmitteln

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Wie kann es sein, dass Deutschland noch feierte, ein Bundesland Wahlen abhielt, während fast zeitgleich das medizinische Personal ohne persönliche Schutzausrüstung (PSA) und ohne Desinfektionsmittel war? Und das, obwohl bereits ein Rahmenkonzept des RKI mit Hinweisen für medizinisches Fachpersonal und den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Deutschland mit dem schönen Titel »Epidemisch bedeutsame Lagen erkennen, bewerten und gemeinsam erfolgreich bewältigen« vorlag?

Die Antwort ist so einfach wie erschreckend: Deutschland war auf eine Pandemie nicht vorbereitet. Es existierten Pläne und Konzepte, aber eine kritische Auseinandersetzung in der Praxis fand nicht statt. Doch wie kann das sein? Deutschland lag 2019 noch auf Platz 18 der reichsten Länder der Welt. Da sollte doch zu erwarten sein, dass ein Mindestmaß an Vorbereitung getroffen wird. Warum wurden plötzlich die Intensivbetten in Deutschland knapp? Das erste und oberste Ziel der Pandemiebekämpfung in Deutschland war ja, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Warum bestand die Sorge einer Überlastung überhaupt?

Werfen wir mal einen Blick auf die Gesundheitsstrukturen: in Deutschland steht das Gesundheitssystem im Wesentlichen auf drei Säulen. Im kurativen Bereich findet sich die ambulante Versorgung durch die Hausärzte und Fachärzte in den Praxen, daneben die stationäre Versorgung in den Krankenhäusern. Ambulante und stationäre Versorgung stellen also die ersten beiden Säulen dar. Die dritte Säule wird durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst repräsentiert.

In Deutschland ist die hausärztliche Versorgung wirklich gut. Hausärzte sind Fachärzte, überwiegend für Allgemeinmedizin. Das wissen viele Patienten nicht. Dadurch erscheinen diese Kollegen oft in einem falschen Licht. Es gibt natürlich auch internistisch ausgebildete Hausärzte, also Fachärzte der Inneren Medizin, die sich dann hausärztlich niederlassen. Den Überblick bei all diesen Bezeichnungen zu behalten, ist nicht einfach, vor allem für Nichtmediziner. Mich stört, wenn ausgewiesene Fachärzte als Hausärzte beschrieben werden und es dann immer in den Medien heißt, dass man sich an den Hausarzt oder Facharzt wenden solle. Wie gesagt, Hausärzte sind Fachärzte und hervorragend qualifiziert.

Leider unterliegen sie als zugelassene Kassenärzte ziemlichen Restriktionen und können ihre anvertrauten Patienten nicht immer mit der ausreichenden Zeit beschenken, die diese aber unbedingt nötig hätten. Das Abrechnungssystem der Hausärzte, genauer gesagt das Abrechnungssystem der Kassenärztlichen Vereinigung, ist hier unerbittlich. Chronisch Kranke, die mehrmals im Quartal ihren Hausarzt sehen und sprechen möchten, bedeuten finanziell einen Verlust. Denn der Hausarzt kann eben bei Kassenpatienten nicht all seine erbrachten Leistungen beliebig oft abrechnen. Deshalb ist es auch kein Geheimnis, dass die Praxen der Niedergelassenen in der Hauptsache durch Privatpatienten getragen und finanziert werden.

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Hier dürfen die Hausärzte, ähnlich wie Handwerker, gemäß der Gebührenordnung für Ärzte Rechnungen an ihre Patienten stellen. Der Patient bezahlt den Arzt und lässt sich diesen Betrag dann von seiner privaten Krankenkasse rückerstatten. Ein einfaches und faires Geschäft. Denn zur Wahrheit gehört eben, dass Hausärzte auch Unternehmer sind. Sie haben Ausgaben, Fixkosten und können nicht nur von Lob und Anerkennung und gelegentlich mitgebrachtem Kuchen leben. Auch wenn das ein wenig an dem hellen Schein kratzt, entspricht es der Realität. Schafft sich ein niedergelassener Kollege beispielsweise ein neues Ultraschallgerät an, muss er diese Kosten so schnell wie möglich wieder ausgleichen. Mit Krankenkassenpatienten alleine wird ihm das nicht gelingen. Hierfür braucht er die Privatpatienten.

Insgesamt ist die hausärztliche Versorgung in Deutschland gut. Natürlich gibt es ein regionales Gefälle. Während in Großstädten genügend Praxen zu finden sind, herrscht auf dem Land oft gähnende Leere, und gerade alte und kranke Menschen müssen erhebliche Wege auf sich nehmen. Dabei spielt natürlich auch das vorher erwähnte Unternehmertum des Arztes eine große Rolle. Den Dorfarzt oder »Bergdoktor« gibt es eben nur noch im Fernsehen. Kein Arzt kann sich mehr eine Praxis mit wenigen Patienten leisten, von denen dann die meisten auch noch gesetzlich krankenversichert sind. Und so gut wie kein Arzt hat auch mehr Lust darauf, seine Nächte und die Wochenenden im Einsatz zu sein. Die Arbeitswelt eines Arztes hat sich geändert, und mit ihr die Praxislandschaft.

Als die Pandemie über uns hereinbrach, traf es natürlich auch die Hausärzte. Diese standen wie wir Amtsärzte an vorderster Front und sollten testen, testen, testen und natürlich weiter behandeln. Allerdings unter den bereits auferlegten Schutzmaßnahmen. Doch viele Hausärzte waren erschreckend wenig darauf vorbereitet. Es fehlte an Schutzanzügen, Desinfektionsmitteln und Testmaterialien. Vor allem zeigte sich plötzlich ganz deutlich, wie wenig Ahnung und Erfahrung manch niedergelassener Kollege im Umgang mit Schutzkleidung hatte.

Aber auch insgesamt geriet das Gefüge der hausärztlichen Versorgung mit Beginn der Pandemie erheblich ins Wanken. Sie war zwar weiterhin gewährleistet, es zeigte sich aber, wie anfällig unser System sein kann, wenn plötzlich Angst und Unsicherheit herrschen. Denn diese Angst und Unsicherheit gingen auch bei den Hausärzten um. Ich denke, dass es weniger die Sorge um die eigene Gesundheit war. Vielmehr befürchteten Hausärzte, ihre Praxen könnten vom Gesundheitsamt geschlossen werden. Diese Gerüchte hielten sich lange, und das, obwohl wir in meinem Landkreis nicht eine Praxis schließen mussten. Zudem herrschte eine Angst, irgendetwas falsch zu machen und dann verantwortlich zu sein. Noch nie in meiner langjährigen Tätigkeit habe ich Kollegen so verunsichert erlebt.

Was war also passiert? Einige Hausärzte wiesen kranke Patienten ab. Und es waren immerhin so viele Praxen, dass ich mich an die Presse wandte, um in aller Deutlichkeit zu sagen, dass so etwas nicht geht. Denn mich ereilten plötzlich viele Anrufe von Bürgern, die mir schilderten, dass sie nicht mehr in die Praxen gehen durften. Diese Bürger waren krank und brauchten ärztliche Hilfe. Doch sie wurden von ihren Ärzten tatsächlich abgewiesen, aus Sorge, die kranken Menschen könnten an COVID-19 erkrankt sein und die Praxis müsste dann aufgrund der Infektionsschutzregelung schließen. So verbrachte ich viel Zeit mit wütenden Anrufen von Bürgern, die sich über die Ärzte beschwerten und ihrem Ärger Luft machten.

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Einige Hausärzte gingen sogar so weit, dass sie ihre Praxis schlossen und erst einmal Urlaub machten, um den ersten Corona-Sturm zu überstehen. Natürlich konnte ich weder den abgewiesenen Patienten helfen noch den Ärzten, die ohne Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel dastanden. Ein Gesundheitsamt ist weder für die kurative Versorgung von Patienten zuständig, noch ist es ein Zentrallager für Schutzbekleidungen und Desinfektionsmittel. Meine Aufgabe war die Prävention, und so sah ich mich gezwungen, öffentlich auf diesen Missstand hinzuweisen. Natürlich bekam ich dafür keine Blumen, sondern ordentlich Kritik von den Hausärzten eingeschenkt.

Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten gestaltete sich die weitere Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen sehr erfreulich. So wurden auf meine Veranlassung hin, zum Schutz der Altenheime, sogenannte Heimärzte installiert. Diese sollten für ein Heim oder mehrere Einrichtungen zuständig sein und die dort wohnenden Senioren betreuen und auch auf Corona testen, vor allem im Krankheitsfall. Schutzausrüstung und Testmaterialien wurden vom Landkreis gestellt. Sinn und Zweck dieser Heimärzte war, dass möglichst wenige Personen von außen in die Heime gingen, um einen Eintrag des Virus weitestgehend zu unterbinden.

Meinem und dem Aufruf des damaligen Versorgungsarztes und des Geschäftsstellenleiters der Gesundheitsregion folgten einige Hausärzte, und so konnten während der ersten Welle der Pandemie genügend Ärzte die Heime ausreichend versorgen und die Bewohner testen. Auch von weiteren Ausbrüchen blieben die meisten Heime während meiner Zeit als Gesundheitsamtsleiter verschont – für mich ein Zeichen für die grundsätzliche Stärke der Hausärzte.

Der geplante Mangel

Krankenhäuser in Deutschland sind nur noch wirtschaftlichen Zielen unterworfen. Nicht mehr Ärzte leiten sie, sondern Betriebswirtschaftler; im besten Fall sind es noch studierte Mediziner mit einer betriebswirtschaftlichen Zusatzausbildung. Diese Mediziner sind aber dann bereits weit vom Tagesgeschäft der kurativen Behandlung entfernt. Dieser Zustand wirkt sich negativ auf die Patientenversorgung und auf den Arbeitsalltag der Ärzte und Ärztinnen sowie auch auf den der Pflegekräfte aus.

Seit 2004 rechnen die Krankenhäuser nicht mehr nach Tagessätzen ab. Basis der Abrechnung sind nun die sogenannten Diagnosis Related Groups (DRG), also diagnosebezogene Fallpauschalen. Das hört sich kompliziert an, ist aber in Wahrheit sehr einfach. Gestaltet sich die Behandlung eines Patienten aufwendiger, als durch die pauschale Vergütung gedeckt, dann macht das Krankenhaus einen Verlust. Gelingt es aber dem Krankenhaus, also eigentlich den Ärzten und Ärztinnen, wirtschaftlicher zu arbeiten, als durch die DRG-Pauschale berechnet, dann macht das Krankenhaus Gewinn.

Die DRGs sind demnach das Regelwerk, aus denen die Krankenhäuser sich finanzieren. Werden Sie nun irgendwann, aufgrund einer bestimmten Erkrankung, in ein Krankenhaus gebracht, dann errechnet ein Programm (nicht ein Arzt!) aus Ihren gesamten Diagnosen eine Hauptdiagnose, nach der Sie anschließend behandelt werden. Natürlich spielt dabei die akute Erkrankung, derentwegen Sie in ein Krankenhaus kommen, eine entscheidende Rolle. Nach Ihrer Behandlung stellt das Krankenhaus wiederum der Krankenkasse eine Rechnung aus. Und diese richtet sich eben nach der Fallpauschale.

Auf subversiven Wegen zur Wahrheit
Die leisen Widerworte des Hendrik Streeck
Das Prinzip ist also folgendes: Für einen Klinikaufenthalt zahlt die Krankenkasse nur eine festgelegte Pauschale. Die Höhe dieser Pauschale richtet sich nach der sogenannten Hauptdiagnose, im besten Falle also nach dem Einweisungsgrund in die Klinik. Grundsätzlich ist diese Pauschale in jeder Klinik gleich. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Das Wort »Pauschale« erklärt nun bereits den weiteren Ablauf im Klinikbetrieb. Egal, wie viele Untersuchungen nun an Ihnen gemacht werden, egal, wie oft und wie lange der Arzt mit Ihnen sprechen wird, es wird nur die Pauschale bezahlt, die für diese Diagnose festgelegt worden ist. Zudem wird in dieser Fallpauschale auch bereits die Dauer des Krankenhausaufenthaltes festgelegt. Alles natürlich nur für den Durchschnittspatienten berechnet.

Was aber, wenn der Patient einfach auf den Durchschnitt pfeift und sich am Rand der Wahrscheinlichkeitskurve aufhält? Dann gibt es für die Klinik ein finanzielles Problem. Der Patient wird deswegen nicht sofort entlassen, ein paar Tage Spielraum sieht so eine Fallpauschale schon noch vor. Aber dann ist Schluss. Jeder weitere Tag, an dem der Patient trotz sorgfältigster theoretischer Berechnungen im Krankenbett verbleibt, bedeutet Verlust für die Klinik, denn ab jetzt muss sie für die Kosten des Patienten alleine aufkommen. Und Verluste mögen Klinikgeschäftsführer überhaupt nicht. Denn ein Geschäftsführer, anders als die Ärzte in seinem Haus, blickt lediglich auf die Zahlen seines Unternehmens. So wird ein Mensch schnell zu einer bloßen Kennziffer. (…)

Überlastung und leere Betten

Vor Corona war bereits eine heftige Diskussion über die Schließung einiger Krankenhäuser entbrannt. Gerade Politiker, die aktuell eine Überlastung der Kliniken in grauenvollen Bildern zeigen, forderten noch 2019 die Schließung mehrerer Krankenhäuser in Deutschland. Aber selbst inmitten des Coronajahres 2020 flammte immer wieder diese Diskussion auf. Zudem kam es zu einem ständigen Alarmismus über drohende Engpässe auf den Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern. Täglich wurden bedrohliche Zahlen in Modellrechnungen vermeldet.

Zu einer nachweisbaren Überlastung in Zahlen kam es indes nicht. So wies Statista am 9. Dezember 2020 noch 30,4 Prozent an freien Betten auf den sogenannten High-Care-Plätzen (mit Beatmung) in ganz Deutschland aus. Nun erscheinen womöglich dreißig Prozent nicht viel. Jedoch muss man wissen, dass eine Auslastung der Intensivbetten von mindestens achtzig Prozent gewünscht ist. Alles andere würde einen enormen Verlust für die Kliniken bedeuten, da leere Intensivstationen teuer zu unterhalten sind. Das gehört eben mit zur Wahrheit.

Auch vor Corona waren die Intensivstationen ausgelastet, besonders im Winter. Regelmäßig wurde in den Wintermonaten der vergangenen Jahre von einer Überlastung der Krankenhäuser durch Grippepatienten berichtet. Insofern verwunderte nun 2020/21 die mediale Dramatik. Zudem gab es schon vor Corona Studien und Anregungen, eine Vielzahl von Krankenhäusern zu schließen. Interessanterweise warnten gerade diejenigen Politiker vor einem Zusammenbrechen des Gesundheitssystems, die noch vor Corona einen massiven Abbau der Krankenhäuser in Deutschland forderten.

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Ebenso wurde berichtet, dass Krankenhausbetten für Coronapatienten freigehalten werden müssten. Das hatte zur Folge, dass zu viele Krankenhausbetten leer blieben, was aber für die Krankenhäuser durchaus finanziell lukrativ war. Denn der erste Rettungsschirm der Bundesregierung sah vor, dass Krankenhäuser für jedes im Vergleich zu 2019 zusätzliche leere Bett pro Tag 560 Euro bekommen. Im Schnitt hatten damit so manche Krankenhäuser höhere Erlöse als 2019. Nach Berechnungen des Instituts für Management im Gesundheitswesen der Technischen Universität Berlin kostete alleine diese Intervention der Bundesregierung den Steuerzahler im Zeitraum zwischen März und September 2020 rund neun Milliarden Euro.

Im November 2020 wurde der zweite Rettungsschirm der Bundesregierung gespannt. Nun war die Ausschüttung an Bedingungen geknüpft, nämlich an die Zahl der Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in der Region innerhalb von sieben Tagen und an die Anzahl der verfügbaren Intensivbetten. Es ging also noch immer nicht darum, dass die Krankenhäuser, die viele Intensivpatienten behandeln, unterstützt werden, sondern um die Anzahl der freien Betten.

Mitte Dezember 2020 wurde außerdem beschlossen, dass der Staat auch Geld an Kliniken zahlen kann, die überhaupt keine Intensivbetten haben. Um das überspitzt zu verdeutlichen: Ein leeres Krankenhaus, ohne einen einzigen Patienten, ohne Intensivstation, bekommt für jedes freie Bett Geld. Geld aus Steuereinnahmen. Dabei stellt sich die Frage, warum trotz freier Betten viele planbare und nicht notwendige Eingriffe verschoben wurden. Denn bei Weitem bekommt ein Krankenhaus nicht das Geld für einen Patienten erstattet, das es als einfache »Entschädigung« in Zeiten der Pandemie bekam. Außerdem benötigt man für ein leeres Bett kein Personal. Insgesamt waren also die leeren Betten gut für die Kassen der Krankenhäuser – aber schlecht für die Patienten.

Dr. med. Friedrich Pürner, war in leitenden Positionen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit tätigt, bevor er 2018 die Leitung des Gesundheitsamts Aichach-Friedberg übernahm. Im November 2020 wurde er plötzlich versetzt, nachdem er auf Twitter und in vielen Medien den Corona-Kurs der Bayerischen Staatsregierung kritisiert hatte.

Dieser Beitrag ist ein leicht gekürzter Auszug aus:
Friedrich Pürner, Diagnose Pan(ik)demie. Das kranke Gesundheitssystem. LMV, Klappenbroschur 208 Seiten, 18,00 €.


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