Klimawohlstand – diesen schönen Begriff schenkte uns CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet in seiner Rede am 30. März 2021, eine Art Programm zur Bundestagswahl. Meinte er ein wohliges Klima respektive ein länger anhaltendes Wohlfühlwetter? Natürlich nicht. Im zeitgeistigen Klimakauderwelsch versuchte er den Spagat zwischen den heute politisch maßgebenden Klimaaktivisten und den Traditionalisten in der CDU. Es ist ein Ausdruck der Hoffnung auf den vielbeschworenen „Green Deal“.
Wie dieser funktionieren soll, wenn gleichzeitig Energiepreise und Bürokratie expandieren, ist unklar. Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass bei einem „engagierten Klimaschutz“ kein Stein auf dem andern bleiben wird. Steigende Energiepreise und „angebotsorientierte“ Versorgung werden einer hoch arbeitsteiligen Just-in-Time-Industrie entgegenstehen.
Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir unter einem möglichen Kanzler Laschet einen Klimawohlstand erreichen werden, relativ gering. Das Geld, das den Wohlstand der breiten Bevölkerung sichern würde, muss für den Klimaschutz abgezweigt werden. Armin Laschet ist ein Freund der CO2 -Steuer. Verniedlichend sagt er auch „Bepreisung“ dazu. Den „Klimabeitrag“ oder „Klima-Soli“ gibt es noch nicht, aber auf der Suche nach Klimageld werden wir so etwas brauchen, und welcher Begriff nach den Wahlen erfunden werden wird, ist dem Sachverhalt ziemlich egal.
Die auf dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) fußende CO2 – Steuer schlägt in jährlich steigendem Umfang zu, nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts nun wohl umso schneller. Dies wird nicht nur an der Tankstelle und am Heizöltank zu spüren sein, sondern auch bei Produktions-, Transport- und Handelsaktivitäten. Jede Tüte Mehl, die mit Diesel in den Supermarkt gefahren werden muss (keiner hat einen Gleisanschluss), wird teurer. Auch der Bus, mit dem Oma in die Stadt fährt.
Vollflexible Amtsführung
Wer Karriere machen will, muss flexibel sein. Laschet hatte noch 2012 in einem gemeinsamen Artikel mit Christian Lindner (FDP) in der „Rheinischen Post“ mit dem kämpferischen Titel „Weg mit der Energie-Planwirtschaft“ für den Erhalt der Marktwirtschaft geworben und Marktbedingungen für die Erneuerbaren gefordert.
Das ist lange her, und wie aus seiner Partei ist auch aus Armin Laschet ein Planwirtschaftler geworden. 2017 bot er den Belgiern rheinischen Braunkohlestrom an, wenn sie im Gegenzug das Kernkraftwerk in Tihange stilllegen. „Wir müssten etwa drei Gigawatt liefern, dazu brauchen wir übrigens die Braunkohle“, sprach er ergänzend. 2019 beklagte er falsche Prioritäten in der deutschen Energiepolitik. Der Kohleausstieg hätte vor dem Atomausstieg erfolgen müssen. Verantwortlich machte er die Umweltbewegung, die jahrzehntelang vom Klimawandel wusste, aber gegen Atomenergie kämpfte.
Das gibt Gelegenheit zu der Frage, wer das Land seit 2005 eigentlich regiert? Es ist das Eingeständnis, dass die Bundesregierung schon seit vielen Jahren die Energiepolitik nicht an den Realitäten, sondern an der Lautstärke von NGOs ausrichtet.
Dann forderte Laschet die 1:1-Umsetzung der Ergebnisse der Kohlekommission, mithin das Ende der Kohlekraftwerke unter Beibehaltung des Atomausstiegs – wie gut, dass die Belgier das Angebot nicht angenommen haben. Sie denken inzwischen über eine Laufzeitverlängerung ihrer Kernkraftwerke nach, weil sie wissen, dass die Strombilanzen in Deutschland und Benelux sehr angespannt sein werden. Die Holländer wollen die Kernkraft weiter ausbauen.
Im Hambacher Forst verfolgte Armin Laschet zunächst einen Law-and-Order-Kurs, um sich später als Forstretter in Szene zu setzen. Eines hat er von der Kanzlerin gelernt: Sobald Gegenwind aufkommt, wird eingeschwenkt.
Auf welche Weise soll der Klimawohlstand nun über uns kommen? Die Wirtschaft reagiert sensibel. Siemens Energy baut 7000 Arbeitsplätze ab, weil sich anderes als Wind- und Solaranlagen nicht mehr lohnt. Immerhin 1000 Arbeitsplätze kommen im Ausland neu hinzu. Siltronic in München, tätig in der Halbleiterbranche, verlagert nach Asien, die hohen Strompreise machten den Standort unwirtschaftlich. Eine vollständige Aufzählung von Firmen, die kräftig Produktion und Personal zurückfahren, würde hier den Rahmen sprengen: Audi, Bosch, Thyssenkrupp, BMW, Saarstahl und Conti seien nur beispielhaft genannte ehemalige Platzhirsche, die offenbar mit dem „Green Deal“ wenig anfangen können.
Unterdessen ist der 2020 gefeierte „Kohlekompromiss“ im Grunde schon gescheitert. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich prinzipiell schon von ihm verabschiedet. Da man emissionsmindernde Maßnahmen in den Bereichen Verkehr und Gebäude nicht schnell und durch direktes Kommando umsetzen kann, bleibt nur die schnellere Abschaltung fossiler Kraftwerke. Entsprechend muss der Anteil der Reservekraftwerke steigen, die nicht mehr am Markt produzieren, sondern über die Netzentgelte bezahlt werden und deren Betrieb entsprechend teuer ist.
Die Frage wird sein, wie weit sich unser Wohlstand durch den Klimakampf reduziert oder wie viel Klimawohlfahrt uns eine neue Bundesregierung gewährt. Die panische Verschärfung der Emissionsziele noch in der alten Legislatur wird nicht vermeiden, dass eine neue Bundesregierung mit grüner Beteiligung sie weiter verschärfen wird, um „Zeichen zu setzen“.
Als eventueller Kanzler unter grüner Duldung wird Armin Laschet weder entbürokratisierte Politik noch Marktwirtschaft betreiben. Viel Beinfreiheit wird ihm nicht gegeben werden und er wird sich auch hier flexibel zeigen. Die bereits vorhandene Energiearmut – etwa 300.000 Zwangsabschaltungen im Netz pro Jahr – wird zunehmen. Auf dem Weg zur Energiemangelgesellschaft ist eher Klimaarmut zu befürchten, statt Klimawohlstand zu erhoffen. „Wohlstand für alle“ nach Ludwig Erhard heißt nur noch ein Kapitel im Geschichtsbuch.
Mehr vom Autor in: Frank Hennig, Klimadämmerung. Vom Ausstieg zum Abstieg – ein Plädoyer für mehr Vernunft in der Energiepolitik. ETE im FBV, 320 Seiten, 22,- €