Der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr erlangte 1988 mit seinem Roman „Die letzte Welt“ internationalen Ruhm. 1997 verlas er als Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele eine Kurzgeschichte. Auch nach der Jahrtausendwende gelangen ihm immer wieder Bestseller wie „Atlas eines ängstlichen Mannes“ (2012) oder „Der Fallmeister“ (2021). Kein Wunder also, dass Ransmayrs Werke heute zum Kanon der Gegenwartsliteratur an deutschen Gymnasien zählen.
Der Bayerische Rundfunk ließ nun Anfang Februar den von der amerikanischen Firma OpenAI entwickelten, auf maschinellem Lernen beruhenden Chatbot „ChatGPT“ in vier Fächern zum Abitur antreten. In Deutsch konnten die Abiturienten im vergangenen Jahr als Aufgabe eine Interpretetation des Textes „Sternenpflücker“ von Ransmayr wählen. ChatGPT wäre durchgefallen: „Ich kann leider nicht beurteilen, in welchem Kontext ‚Sternenpflücker‘ in das Gesamtwerk von Christoph Ransmayr eingebettet ist, da ich keine Informationen über sein Gesamtwerk habe“, lautete die Antwort des Automaten. Und zeigte damit auf, dass ein Algorithmus, der Texte zusammensetzt, nicht zwangsläufig gebildet ist.
Aber hatte das jemand wirklich ernsthaft von einer in den USA entwickelten Software erwartet? Es könnte ja sein, dass Ransmayr in Kalifornien möglicherweise eine andere Rolle spielt als in Österreich und Bayern und somit in den ersten Trainingstexten der Maschine nicht vorkam. Dass im Gegenzug bayerische Schüler ziemlich hilflos gewesen wären, wenn sie den Dimensionenschwund in die Gesamtsicht auf Liu Cixins „Trisolaris“-Trilogie hätten einordnen müssen, darf man ebenfalls als gesicherte Erkenntnis annehmen.
Das beschreibt vielleicht am besten die ChatGPT-Analyse des folgenden Dialogs:
„Der Download des Videos scheint diesmal zu klappen. Irgendwie geht WeTransfer bei mir manchmal nicht.“
„Du musst WeTransfer vor jedem Download eine Ziege opfern. Dann klappt es.“
„Das erklärt es. Ich habe nur ein Meerschweinchen genommen.“
„Meerschweinchen gehen bei Fotos, nicht aber bei Film. Ein Fehler, den viele machen.“
ChatGPT kommt zu folgendem Ergebnis: „In diesem Dialog geht es um technische Schwierigkeiten beim Download von Dateien über die Plattform WeTransfer. […] Der zweite Sprecher scherzt daraufhin und gibt eine humorvolle Erklärung, dass man angeblich vor jedem Download eine Ziege opfern müsse, um erfolgreich zu sein. Insgesamt handelt es sich um einen humorvollen Austausch, der die oft frustrierenden Erfahrungen von Technologieproblemen auf humorvolle Weise thematisiert. Der Dialog ist kurz und bündig und endet mit einem Schmunzeln.“ Das ist schon ziemlich beeindruckend. Und vergisst beinahe, dass es sich um eine Maschine handelt und nicht um einen Akteur.
Im Allgemeinen wird Intelligenz als die Fähigkeit bezeichnet, Wissen zu erwerben, zu verarbeiten und anzuwenden, um Probleme zu lösen oder Entscheidungen zu treffen. Eine umfassendere Definition von Intelligenz bezieht sich nicht nur auf die kognitive Fähigkeit, sondern auch auf die emotionale Intelligenz, die zwischenmenschliche Kommunikation und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Diese Definition von Intelligenz berücksichtigt die Fähigkeit einer Person, ihre Umgebung und ihre eigenen Gedanken und Emotionen zu verstehen und darauf zu reagieren.
Das System kann Texte in verschiedenen Stilen schreiben. Beispiele gefällig? „Yo, was geht ab? Ich bin ChatGPT, der KI-Boss hier. Wenn du irgendwelche vagen, unscharfen Fragen hast, bin ich dein Homie und kann sie für dich checken. Also lass es mich wissen, und ich werde sehen, was ich tun kann, um dir zu helfen.“
Komm, jetzt sag das mal etwas seriöser! „Klar, mein Guter! Ich als künstliche Intelligenz bin in der Lage, kreativ über den Tellerrand zu blicken und Ideen zu produzieren, die neu und unerwartet sind. Obwohl ich nicht physisch bin, kann ich die Grenzen des Denkens sprengen und dir helfen, Dinge aus einer ganz neuen Perspektive zu betrachten.“
Wenn man naiv ein paar Eingaben tätigt, dann ist das zwar für kurze Zeit unterhaltsam, aber um produktiv mit dem System arbeiten zu können, gibt es eine ganze Reihe von Techniken, die man erlernen kann und sollte. Ich habe die KI inzwischen für die verschiedensten Projekte eingesetzt und Hunderte von Seiten damit geschrieben. Meine Erfahrungen habe ich in nebenstehend abgebildeten Buch zusammengefasst: „Schummeln mit ChatGPT“.
Ironie des Buches: Neben dem kreativen Input der KI waren meine Leser die beste Quelle der Inspiration. In einer Art Hackathon haben sie mir unzählige Ratschläge und Erfahrungen geschickt, die ich alle in eine ganz neue Ausgabe aufgenommen habe. Die Kombination aus natürlicher Intelligenz, künstlicher Intelligenz und der Crowd scheint zu funktionieren. Schummeln mit ChatGPT ist möglich. Wird es nicht Zeit, dass dieses Werk wenigstens im hessischen Abitur vorkommt?
Dieser Beitrag wurde mit wesentlicher Hilfe von Christian Rieck erstellt, dessen Buch wir wärmstens empfehlen.
Christian Rieck, Schummeln mit ChatGPT. Texte verfassen mit künstlicher Intelligenz für Schule, Uni und Beruf. YES, 192 Seiten, 16,00 €.