Aufmerksame Leser spüren es nicht nur, sondern sie wissen es seit langem: Viele Journalisten der Mainstreampresse betreiben ein suggestives und selektives »wording«. »Framing« heißt das nun nicht minder neuhochdeutsch. Es bedeutet: Einen bestimmten Sachverhalt so »rahmen«, das heißt, in einen bestimmten Kontext stellen, dass der Sachverhalt zu den oft genug politisch einseitigen Intentionen des Verfassers passt. Nachricht und Kommentar vermischen sich in den Medien ohnehin immer mehr. Kritische Leser merken, wem die politischen Sympathien der Verfasser gehören. Da ein schräger Begriff, dort eine negative Etikettierung, hier eine bewusst anrüchige Assoziation, dort ein Euphemismus für vermeintliche politische Sympathieträger. Merkel als: »Mutti«, nüchterne Naturwissenschaftlerin, stets vom Ende her Denkende, Uneitle, Führerin der freien Welt … Auf der anderen Seite die »Umstrittenen«, die »Leugner«, die »Rechten«, die »Populisten«, die »Stockkonservativen« …
Man kennt die Beispiele zur Genüge, aber man konnte davon bislang nur mehr oder weniger kasuistisch berichten. Eine empiriegestützte Statistik gab es nicht, so dass man sich stets den Vorwurf gefallen lassen musste, hier handle es sich um nicht-repräsentative Einzelfälle. Das ist nun anders. Soeben hat der Sprachwissenschaftler Holger Schmitt eine Sprachanalyse über – so der Titel eines neuen Buches – »Das Framing der Linken. Von ‚Umverteilung‘, ‚Diversität‘ und ‚Nazis‘« herausgebracht. Das Buch ist ein schier kriminologisch-akribischer Beweis für die politische Schieflage großer Teile unserer Presse und ihrer – bewusst oder unbewusst – betriebenen sprachlichen Manipulationen.
Die empirische Methode, die Schmitts Studie zugrunde liegt, heißt »Korpuslinguistik«. Es handelt sich dabei um eine computergestützte Auswertung eines Wortkorpus von etwa acht Millionen Texten mit rund 2,5 Milliarden Wörtern, die unter anderem aus Süddeutscher Zeitung, Berliner Zeitung, Mannheimer Morgen, Rhein-Zeitung, Focus, Spiegel, tageszeitung usw. stammen. Ausgewertet wurden das Vorkommen von bestimmten Wörtern pro eine Million (WpM), ferner die Kollokationen. Mit Kollokation meint man das überzufällig häufig benachbarte Auftreten von Wörtern. Dazu wurden Wörter-»Fenster« unterschiedlicher Größe definiert, zum Beispiel, welche Wörter in einem Fenster von 9 Wörtern vor und 9 Wörtern hinter einem bestimmten Begriff bzw. Lexem auftauchen.
Schmitt unternahm diese Analyse für rund fünfzig Lexeme, zum Beispiel für: Aktivist, Anstand, Aufmarsch, Europa, Gerechtigkeit, Gender, Islamismus, Klimaleugner, Mann/Täter, Solidarität und die Adjektive demokratisch oder umstritten. Daraus ist ein kleines Lexikon geworden, dem man statistisch fundiert entnehmen kann, wie häufig bestimmte Begriffe in welchen politisch relevanten Konnotationen vorkommen. Wir beschränken uns hier auf wenige ausgewählte Beispiele.
Aktivist und Aufmarsch: Aktivisten sind fast immer nur Linke. Selbst wenn sie Straf- oder Gewalttaten begehen, heißen sie »Aktivisten«. Von rechten Aktivisten ist nie die Rede. Wenn Rechte oder Lebensschützer demonstrieren, dann wird das als »Aufmarsch« verunglimpft. Mit »Aufmarsch« sollen die Aufmärsche der Nationalsozialisten im Dritten Reich assoziiert werden. Deshalb ist es schier undenkbar, dass die Presse einmal von einem »Aufmarsch« von »Fridays for Future« oder einer Linksgewerkschaft berichtet. Sollte in Berlin wirklich einmal eine »linke« Demo verboten werden, dann wird eben eine Demo verboten. Wenn eine »rechte« Demo verboten wird, dann wird sie als Aufmarsch verboten.
Demokratisch: Wie selbstverständlich übernehmen die meisten Medien die Aussagen von Politikern der Altparteien, man wolle etwa bei anstehenden Koalitionsverhandlungen nur mit »demokratischen Parteien« verhandeln. Dass es eine völlig legal gewählte und nicht verbotene Partei gibt, die im Bundestag die größte Oppositionsfraktion ist und in manchen Landtagen die zweitgrößte Fraktion stellt, wird weggewischt, als sei diese Partei illegal. Das heißt: Linke und Parteien der angeblichen »Mitte« vereinnahmen nach eigenem Gusto den Demokratiebegriff.
Populismus: Als Populisten gelten immer nur die Rechten. Von Linkspopulisten ist de facto nie die Rede. Zudem finden sich beim Begriff Populismus fast nur negative Kollokate: Nationalismus, Extremismus, Rassismus, Demagogie, Hetze, Fremdenfeindlichkeit, billig, blank …
Zurück zum Titel des Buches und zum Zentralbegriff »Framing«. Er bedeutet: Man »rahmt« einen bestimmten Sachverhalt, das heißt, man stellt ihn in einen anderen Kontext, so daß er zu den oft genug einseitigen Intentionen des Akteurs passt. Eigentlich ist Framing damit Vulgärbehaviorismus. Man koppelt einen positiven oder neutralen Sachverhalt immer wieder mit negativen Assoziationen, und schon ist der Empfänger der Assoziation, der Bürger Normalo, propagandistisch, demagogisch, manipulativ, volkspädagogisch auf Linie. Der Zweck des Framings ist klar. Autor Schmitt schreibt hier Klartext: Der politische Gegner soll diskreditiert werden, eigene Anliegen sollen mit einem Heiligenschein umgeben werden, auch wenn sie alles andere als lauter sind. Bestimmte Begriffe sollen tabuisiert werden (etwa »Rasse«), es soll ein linkes Agenda-Setting stattfinden, und es sollen die moralischen Doppelstandards der Linken vertuscht werden. Und schließlich: Dem Medienkonsumenten soll eine bestimmte Gesinnung eingeträufelt werden.
Dieser Beitrag von Josef Kraus erschien zuerst in der Preußischen Allgemeinen Zeitung unter dem Titel „Die manipulierte Sprache der Linken“.
Holger Schmitt, Das Framing der Linken. Von „Umverteilung“, „Diversität“ und „Nazis“. Gerhard Hess Verlag, 230 Seiten, 16,80 €.