Tichys Einblick
Fishing for litter

Darf man Tüten aus Plastik benutzen?

Die EU hat eine Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie erstellt. Ambitioniertes Ziel: bis zum Jahr 2020 sollen unter anderem Millionen Tonnen von Plastik-Müll aus den 1386 Trillionen Liter Meerwasser gefischt werden.

imago/ZUMA Press

Nach dem Klima retten jetzt wir auch die Meere. OK, die retten wir eigentlich schon länger, denn für Eisbären, Wale und Seehunde sammeln unzählige NGOs schon seit langem Geld und verdienen prächtig daran. Den Eisbären, Walen und Seehunden ist das egal. Sie vermehren sich auch ohne Spenden prächtig. Doch jetzt soll ihnen eine neue Gefahr drohen: Sie sind akut von Plastik bedroht. Das schwimmt zu Millionen von Tonnen in den Ozeanen und vermüllt die Meere. Zahlen schwanken je nach Spendenbedürftigkeit der entsprechenden NGO. Belastbare Zahlen gibt es nicht.

Wo kommt das Zeug her? Natürlich von uns. Wir werfen unsere Supermarkt-Tüte nach dem Einkauf einfach in Natur, Bäche und Flüsse, dann schwimmt sie – richtig – in die Nordsee, dann in die Weltmeere. Dort killt sie Fische. Denn die fressen alles, was ihnen vor die Kiemen kommt. Auch Plastik. Daran gehen sie dann jämmerlich zugrunde, wie dramatische Bilder von verendeten Meeresbewohnern, die mit Plastik dekoriert an den Stränden liegen, zeigen.

Tolles Aufregerthema, fand auch Frans Timmermans, EU-Vizepräsident, und stellte der EU einen umwerfenden Plan vor: »Weg mit allem Plastik«. Erst einmal zehn Produkte aus Kunststoffen stehen auf der Vernichtungsagenda: unter anderem Teller, Trinkhalme, Besteck, Wattestäbchen, Rührstäbchen. Die EU-Staaten sollen auch dafür sorgen, dass weniger Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff in den Handel kommen. In den Augen der EU blinken wieder die Euro-Zeichen. Sie will eine Abgabe für nicht wiederverwertbare Plastikabfälle. Wohin? Nach Brüssel natürlich! Das käme der EU, nein, Schreibfehler, der Umwelt zugute.

Eine neue Vorlage für die DUH
Morgen soll das EU-Parlament beschließen: Saubere Luft für Alle!
Das EU-Parlament hat im Oktober 2018 mit 571 Abgeordneten, 53 Gegenstimmen und 34 Enthaltungen für ein Verbot von Einweggeschirr, Trinkhalmen und Wattestäbchen gestimmt. Immerhin hat es Ausnahmen für Luftballons vorgesehen. Die soll es weiterhin geben. Auch ohne Warnhinweise, wie das einige Abgeordnete wahrhaftig wollten. Dadurch soll das Vermüllen der Meere gestoppt werden.

Weg also mit den Plastik-Gabeln und -löffeln, Plastik-Geschirr! Kunststück, Timmermans hat gut reden. Als EU-Funktionärs-Millionär kann er jeden Tag mit »goldenen« Löffeln von prächtigen Porzellantellern futtern. Die schwimmen in der Regel nicht in die Nordsee, sondern werden – nicht von seiner – Hand gespült, poliert und stehen für das nächste feudale Mahl wieder zur Verfügung. An der Currywurstbude oder Smoothies-Bar sieht das anders aus.

Timmermans kennt sicher auch nicht genauer die Feinheiten deutscher Mülltrennungsgepflogenheiten mit einer Müllpolizei, die penibel kontrolliert, ob die Kunststofffolie der Pizza in der richtigen von zehn, zwölf Abfalltonnen vor der Haustür landen. An diesem System soll auch nur eine einzige Plastik-Tüte unerkannt vorbeigekommen und in die Nordsee gespült worden sein?

Der Spruch »Weg mit dem Plastik« ist so tief in den grünen Köpfen verankert wie das Märchen vom menschengemachten Klimawandel. »Fishing for litter« heißt der neue Industriezweig, den NGOs wie der NABU kreiert haben. Auch das stand zu befürchten: Die EU hat eine neue EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie erstellt. Ambitioniertes Ziel: saubere, gesunde und produktive Meere bis zum Jahr 2020. Bis dahin mal eben schnell die 1386 Trillionen Liter Wasser, die sich in den Meeren befinden sollen, säubern.

Moderne Verpackungsmaterialien sind allerdings ein Segen, helfen sie doch, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden. Die müssen verpackt werden, so sicher, dass sich Ungeziefer nicht verbreiten kann, Mehlmotten der Spaß an Mehl und Müsli nach Möglichkeit verwehrt wird, Schimmel an Wurst und Käse möglichst spät Gefallen findet und sich die neueste Keimgeneration nicht in Windeseile im Brot verbreitet. In den Supermärkten sorgen hauchdünne Folien, die die Produkte umschließen für mehr Hygiene. Denn offene Lebensmittel laden Motten, Würmer und Bakterien zum munteren Mahl ein. Fleisch, Tomaten, Weintrauben und Äpfel umhüllen und schützen Folien, die mit 0,05 Millimeter dünner als ein Haar und dennoch reißfest sind, am besten.

„Umweltschutz als Narretei“
Der neueste Umweltschutz-Schrei heißt »Achtung! Mikroplastik!« Winzige Teilchen werden von Kunststoffprodukten abgerieben und versauen die Umwelt – sogar bis hin zum Trinkwasser. Das hat eine Untersuchung im Auftrag eines Journalistennetzwerkes ergeben. In Hamburger und Dortmunder Trinkwasser fanden Fachleute 2,5 Mikroteilchen pro Liter, im Wasser, das aus den Hähnen des Deutschen Bundestages kam, fanden sie: nichts.

Doch deutsche Experten sehen die Untersuchung sehr kritisch. »Die Befunde sind nicht besorgniserregend und mit diesen geringen Konzentrationen auch nicht glaubwürdig«, sagt Ingrid Chorus, Trinkwasserexpertin beim Umweltbundesamt. Zwei bis zehn Plastik-Teilchen pro Liter seien sehr wenig: »Das sagt nichts aus, das ist Grundrauschen.«

Ob Mikroplastik für den Menschen gefährlich sein kann, weiß niemand. Winzige Kügelchen aus Kunststoff kommen überall vor und der Mensch wird damit fertig: In der Zahnpasta dienen sie gewissermaßen als Scheuerpulver, sie sind im Shampoo und in Kosmetika vorhanden. Auf den Kügelchen sitzen oft Bakterien und können Krankheiten übertragen. Doch die reisen auch auf winzigen Staubkörnchen um die Welt, wenn etwa heftige Winde in der Sahara Sandstürme anfachen. Ungeheure Mengen an Feinstaub entstehen dabei und verbreiten sich rund um den Erdball.

Vor gut fünfzehn Jahren begannen die ersten Wissenschaftler von neuen Gefahren durch Mikroplastik zu munkeln. Ein aufsehenerregender Bericht einer schwedischen Ökologin, der wie alle Öko-Horrorgeschichten rasch um die Welt eilte, verlieh dem Thema scheinbare Brisanz. Von Oona Lönnstedt wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Science eine Arbeit darüber veröffentlicht, wie Mikroplastik im Wasser das Verhalten von Fischlarven verändert.

These: Die Tiere würden Kunststoff fressen und daran eingehen. Ihre Arbeiten hatte sie an der Forschungsstation Ar auf Gotland ausgeführt. Doch ihre Kollegen waren über die merkwürdigen Ergebnisse so verwundert, dass sie sich an die Universität Uppsala wandten und eine Untersuchung forderten, in der der Schwindel aufflog. Science zog den Artikel zurück. Ein handfester Wissenschaftsskandal.

Dennoch liefert er die wesentlichen Grundlagen für die Schlagzeilen: »Tödliche Gefahren im Trinkwasser« und die übliche Litanei, der meist eines gemein ist: Es gibt keine Belege.

Greta für den Weltfrieden
Die Steuerzahler in Deutschland finanzieren den Unsinn, während sich bereits neue Spezies am Plastik-Müll laben. Schneller als ein NABU- oder EU-Funktionär denken kann, haben Mikroben das Potential dieses Stoffes in ihrer Umwelt erkannt. Es bietet neuen Lebensraum, ein neues Ökosystem entsteht.

Unter dem Mikroskop erkennt man blühende Landschaften, in Form reichhaltigen Lebens von Mikroorganismen. Das haben amerikanische Meeresbiologen vom bedeutenden Marine Biological Laboratory in Woods Hole, Massachusetts, genauer untersucht. Sie entdeckten unter dem Rasterelektronenmikroskop auf Plastik-Teilen aus dem Nordatlantik eine überraschende Vielfalt an Bakterien: Auf wenigen Millimetern Plastik teilweise einige hundert verschiedener Arten.

Dichtgedrängt besiedeln sie die Kunststoffpartikel und ernähren sich von den Kohlenwasserstoffen, aus denen sie produziert wurden, also im Prinzip von Erdöl. Natürlich bilden sich auch vielfältige Symbionten aus. »Plastisphere« haben Wissenschaftler dieses neue Ökosystem genannt. Sie untersuchen unter anderem, ob sich dieser Lebensraum im Atlantik von dem im Pazifik unterscheidet.

»Immer mehr Meerestiere werden aufgrund von zu viel Plastik verenden« gehört vermutlich auch zu den grünen Sagen, mit denen sich herrliche Schauder einjagen lassen. Doch die Datenlage ist zu dünn, um eine solche Aussage belegen zu können. Zumindest bei den Fischen in der Ostsee lässt sich belegen, dass sie nicht mehr Plastik fressen als früher.

Dänische Meeresbiologen untersuchten, ob Fische in den letzten 30 Jahren mehr Plastik gefressen haben. Sie vermuteten, dass sich der verstärkte Gebrauch von Plastik auch vermehrt in den Fischen wiederfinden müsse. Sie analysierten 800 Fische, die seit 1987 gefangen und tiefgefroren wurden. Verblüffendes Ergebnis: Nur in etwa jedem fünften Fisch fanden die Forscher kleine Mikroplastikteilchen. Die Anzahl nahm erstaunlicherweise nicht zu, sondern blieb über Jahre auf einem niedrigen Niveau konstant. Also stellt sich die Frage: Wo bleibt all das Plastik? Wie schnell baut es sich tatsächlich ab? Stimmen die Horrormeldungen von vermüllenden Meeren? Es scheint nicht so zu sein, dass es sich auf ewig und immerdar in den Tiefen der Meere hält. Dazu ist es schließlich zu energiereich, und die Natur lässt nichts verkommen.

Doch niemand weiß bis heute etwas Genaues. Die ehrlicheren Forscher betonen, dass viel Spekulation im Spiel ist und wenig genaue Daten. Die Funde von Mikro-Plastik in Fischen seien niedrig. Ob dieser Befund irgendwelche Auswirkungen hat, weiß niemand. Es gibt zweifellos Zusammenballungen von Kunststoffabfällen in bestimmten Regionen der Meere. Doch über das tatsächliche Ausmaß gibt es wenig verlässliche Daten.

Glauben darf man Angaben von Greenpeace & Co allerdings in keiner Weise. Da ist viel Propaganda im Spiel. Auch Medien hypen immer wieder einzelne »Helden« in den Schlagzeilen, die mit abenteuerlichen Konstruktionen die Meere vom Plastik-Müll befreien wollen. Pate ist die Idee des Staubsaugers, der durch die Meere pflügt und mit abenteuerlichen Armkonstruktionen treibende Plastik-Fetzen aufsammelt. Die sollen im Idealfall recycelt werden. Der Begriff macht sich aus Spendensammlungssicht immer gut, praktische Überlegungen sind eher hinderlich. Allein eine Abschätzung der Weite der Weltmeere, auf denen ein eher winzig kleines Sammelgerätchen Plastik-Fetzen suchen soll, lässt am Realitätssinn der Planer zweifeln. Da versprechen schon eher Konzepte wie »Bakterien zersetzen Plastik« Erfolge.

Ausgemacht haben dagegen Forscher 20 der hauptverantwortlichen Länder, die für 83 Prozent des Plastik-Mülls in den Meeren verantwortlich sein sollen. Darunter befinden sich China, Indonesien, die Philippinen und Vietnam. Dort fehle eine solide Abfallwirtschaft.

Greta, Lena und Co gewidmet
CO2 – das arme Molekül
Doch dort wird kein bisschen Unrat weniger im Fluss landen, wenn in Europa Trinkhalme und mit Kunststoffen ein hervorragendes Verpackungsmittel verboten werden sollen. Kann eine EU-Verordnung tatsächlich helfen, den Plastik-Müll in vorwiegend asiatischen Ländern zu vermindern? Eine ziemlich anmaßende Vorstellung des im Weltmaßstabe sehr kleinen Europas.

Natürlich können Meerestiere an zu viel verschlungenem Müll verenden. Doch niemand kann sagen, in welchem Umfang das geschieht. Schlimm sind Bilder mit vor Müll überquellenden Flüssen, wie sie aus asiatischen Ländern zu sehen sind. Zudem sind die meisten Meeresbewohner nicht so doof, wie es sich ein durchschnittlich begabter EU- oder NGO-Funktionär vorstellt. Sie sind in der Regel durchaus in der Lage, zu unterscheiden, was sie in ihr Maul lassen und was nicht. Lediglich wenn man sie hungern lässt und ihnen dann Plastik-Kügelchen hinwirft, schnappen sie nach allem, was vor ihrem Maul schwimmt. Schon kann man aufregende Bilder machen: Fischlarven mit Plastik im Bauch.

Feine Plastik-Teilchen sind der Feinstaub von morgen. NGO-technisch gesehen ansehnliche Okkasionen, um gutes Geld zu verdienen.


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Die mobile Version verlassen