Tichys Einblick
Glanz und Elend und Bitcoins

Crypto Coins: Noch eine neue Sorte Geld?

Warum um alles in der Welt brauchen wir im Zeitalter von Schecks und Bargeld, von IBAN, Micropayments, Paypal, Paydirect, Kreditkarte und Geldkarte auch noch Bitcoins?

Die Frage ist berechtigt. „Das Kernproblem konventionellen Geldes ist das Vertrauen, das man braucht, damit es funktioniert. Man muss der Zentralbank vertrauen, dass sie die Währung nicht abwertet – aber in der Geschichte des Zentralbankgeldes wurde dieses Vertrauen ständig gebrochen.

Man muss Banken vertrauen, die unser Geld verwahren und elektronisch verschicken – aber sie verleihen es mehrfach und erzeugen dadurch Kreditblasen, weil nur ein Bruchteil der Kredite durch Spareinlagen gedeckt ist. Man muss ihnen die eigenen Daten anvertrauen, so dass Diebe, die behaupten, wir zu sein, nicht unser Konto ausräumen können.

Dadurch entstehen große Overhead-Kosten, die Micropayments unmöglich machen.“

Diese Antwort gab Satoshi Nakamoto in einem Interview (in „Bitcoin – Geld ohne Staat“, 2015, FBV) auf die Frage, warum er Bitcoin erfunden und die der Blockchain zugrundeliegende Technik weiterentwickelt hat.

Satoshi Nakamoto ist bis heute nie persönlich in Erscheinung getreten und hat sich Ende 2010 komplett aus dem Projekt zurückgezogen, nachdem er Anfang 2009 die ersten Bitcoins in Umlauf brachte (oder „geschürft hat“, wie man sagt) und den Source-Code der Öffentlichkeit für eine Weiterentwicklung überließ.

Denn Transparenz und Dezentralisierung sind die zugrundeliegenden Prinzipien der Blockchain und somit der Kryptowährung. Gerade diese Prinzipien werden neuerdings in Frage gestellt. Ist der Boom schon zu Ende, ehe er richtig begonnen hat? Im Sommer 2017 jedenfalls überholte der Bitcoin-Preis den des Goldes – um kurze Zeit später abzustürzen.

Aaron Koenig beschreibt in seinem Buch verständlich und nachvollziehbar, wie und warum der Bitcoin entstanden ist und gibt einen Überblick über die weiteren Kryptowährungen, die seit 2009 hinzukamen. Er nimmt den Leser mit auf die Reise ins Jahr 1976 zurück, in dem der Wirtschaftsnobelpreisträger Hayek bereits den Grundgedanken der „Entstaatlichung des Geldes“ formulierte. Neben einem Einblick in die „Wiener Schule“ erfährt der Leser auf sehr eindrückliche Weise, warum wir ein neues, besseres Geldsystem brauchen, anstatt das alte, das bisherige von innen heraus zu reformieren.

Mit seinem Unternehmen „Bitfilm“ produziert Aaron Koenig Filme, die die Blockchain-Technologie und den Bitcoin auf anschauliche Weise mit dem Ziel erklären, ein besseres Geldsystem durchzusetzen.

Er ist nicht alleine. So kommen bereits in seinem ersten Buch „Bitcoin – Geld ohne Staat“, das 2015 erschienen ist, Menschen zu Wort, die sich der stetig wachsenden Community angeschlossen haben und in diese investieren. Diese voranschreitende Entwicklung wird in diesem Buch mit all ihren Ausprägungen, Vor- und Nachteilen und in einzelne Kategorien aufbereitet, durch den Autor dargelegt und entsprechend gewürdigt.

Um die Tragweite und die Basis dieser Revolution zu erkennen, ist es wichtig, sich mit den Kernelementen auseinanderzusetzen, die zusammengenommen, erhebliche Konsequenzen für die Banken, alle Arten von Intermediären, den Versicherungen und unserem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch und Umgang miteinander haben werden.

Den ersten Lackmustest bestand die Blockchain als weltweit verteilte, dezentrale, nicht öffentlich einsehbare oder manipulierbare Datenbank und der Bitcoin am 22. Mai 2010: Erstmals wurde ein reales Gut (2 Pizzen, der Belag ist unbekannt) mit dem internet-basierten Bezahlsystem Bitcoin erworben und ausgeliefert.

Unser gesamtgesellschaftliches Denken und Handeln beruht auf dem Grundvertrauen in das System und in die handelnden Personen. Dieses Vertrauen lenkt seinen Fokus künftig auf die Technik und diejenigen, die sie gemeinschaftlich innerhalb der gecodeten Sicherheitshürden „bedienen“ (Miner), denn alle Transaktionen in der Blockchain sind digital, anonymisiert und werden direkt zwischen den Vertragsparteien (peer-to-peer) rund um den Erdball in einer bisher nicht angebotenen Geschwindigkeit und ohne Transaktionskosten abgewickelt.

Das Buch gibt einen verständlichen Überblick über die weltweiten Zahlungssysteme, Zahlungssysteme für lokale Märkte und Cryptocoins, die man benötigt, um Dienste wie Smart Contracts, Datenspeicherung, Buchung von Rechenleistung, etc. nutzen zu können. Konkrete Beispiele und Anwendungen, die wir schon heute nutzen, wie private Schlüssel – PIN oder Wallet – Bankkonto, ermöglichen dem Leser einen Blick in das Blockchain-Universum.

Das Buch ist mehr als ein bloßes Nachschlagewerk, wie Aaron Koenig es selbst betitelt. Er hat ein Werk geschaffen, das ein fundiertes Wissen vermittelt und einen transparenten Überblick gibt, um sich, in welcher Rolle auch immer, damit auseinanderzusetzen.

Spätestens nach der Lektüre sollte jedem klar werden, dass Kryptowährungen sehr viel mehr als nur ein Spekulationsobjekt sind und das Lösungspotential haben, durch ihren Transformationsprozess all diejenigen in den (aktiven) Wirtschaftskreislauf mit einzubinden, die noch bis heute davon ausgeschlossen sind.

Aufgrund der rasanten und fortschreitenden Entwicklung ist es in Teilen sicher ein vergängliches Kompendium, was jedoch bleibt, ist der beeindruckende Rückblick auf Fakten, Theorien und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungsgeschichte, die den Paradigmenwechsel erst ermöglichten.

Die Lektüre des Buches versetzt uns in die komfortable Lage, uns eine eigene Meinung zu den aktuellen Entwicklungen wie dem Verbot von ICO’s (Initial Coin Offering) in China bilden zu können. In China geht man davon aus, dass Bit Coins das Potential eines Schneeballsystems in sich bergen könnte: Es funktioniert, solange viele einzahlen und kippt, sobald das Immer-Weiter unterbrochen wird.

Dazu liest man in Kapitel 2.10 folgendes: „Ein Initial Coin Offering ist eine neue Art der Finanzierung von Unternehmen oder Projekten. Dabei werden blockchain-basierte Tokens (»digitale Jetons«) an Investoren verkauft. Entweder können sie diese Tokens zu einem späteren Zeitpunkt nutzen, um die mit dem Investitionsgeld gebaute Software-Lösung zu nutzen, oder sie handeln mit ihnen an einer der zahlreichen Cryptobörsen (siehe Abschnitt 3.3).

Ein ICO wird auch als Token Sale bezeichnet. Da der Begriff Initial Coin Offering so schön an ein Initial Public Offering (IPO) erinnert, also an einen Börsengang, wird er meist bevorzugt. Während ein Börsengang sehr aufwändig ist und erst bei Unternehmen möglich ist, die bereits auf dem Markt etabliert sind, kommt ein ICO auch in der Frühphase eines Start-Ups in Frage. …“ so der Autor.

Ohne staatliche Grenzen
Bitcoin: Deutschland innovationsfeindlich
Was genau nun hinter der Reaktion der Chinesen steckt, werden wir weiterverfolgen können. Die Mutmaßung, dass sich Regierungen und Zentralbanken gezielt anfangen, gegen die Dezentralisierung und unregulierte Geldschöpfung zu wehren, liegt sicherlich nicht fern. Den Bit Coins stellen in letzter Konsequenz das Machtmonopol der staatlichen Notenbanken in Frage. Diese aber manipulieren über Zinsen den Geldwert; ihre jüngsten Bestrebungen gehen da hin, das Bargeld abzuschaffen. Dann könnten per Knopfdruck die Geldvermögen entwertet werden. Derzeit schützt davor die Existenz Bon Bargeld, Gold und zukünftig Bitcoins als Währung außerhalb der Zentralbanken.

Koenig hat sich mit Letzterem in seinem ersten Buch – ‘Bitcoin – Geld ohne Staat“, in Kapitel 6, bereits kritisch auseinandergesetzt und spielt den Vorwurf des Schneeballsystems, auch Ponzi-Schema genannt, zurück:„…… Ein bekanntes Beispiel für ein Ponzi Scheme war die Firma von Bernard Madoff, der im Dezember 2008 wegen Anlagebetrugs verhaftet wurde…. Mit so einem betrügerischen Modell hat Bitcoin nichts gemeinsam. Ein stetiges Wachstum“ durch neue „Teilnehmer ist für das Funktionieren von Bitcoin nicht notwendig.“

So „.. gibt es keine Firma, die Bitcoin steuert und die von Neukunden profitieren könnte. ….. Einige der Early Adopters, die früh in Bitcoin investiert haben, sind heute reich, doch sie sind es nicht auf Kosten anderer geworden, sondern weil sie früh auf eine vielversprechende Technologie gesetzt haben.

Ihr Engagement für Bitcoin ist eher mit dem frühen Einstieg in ein High-Tech-Unternehmen wie Apple oder Google vergleichbar. Auch in diesen Fällen haben Aktienbesitzer, die in der Frühzeit investiert haben, hohe Gewinne erzielt und sind für ihre Risikobereitschaft belohnt worden. Im Gegensatz zu einem Pyramidensystem kann man mit diesen Aktien – so wie mit Bitcoins – jedoch auch heute noch Gewinne erzielen, denn diese Unternehmen generieren echte Werte …“

Wir sind mittendrin. Wir sollten die Einladung annehmen, zu mündigen und verantwortungsbewussten Mitgestaltern unserer Zukunft zu werden. Die Zeit läuft.


Sabine Moldenhauer ist Bankbetriebswirtin und arbeitete zuletzt als Vorstandsvorsitzende für HBSC Trinkaus in Luxemburg. Heute arbeitet sie als STRATEGY PIRATE® und Coach in Frankfurt.

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