Tichys Einblick
Unterwanderung westlicher Demokratien

China auf dem Weg zur Weltherrschaft

Wenn es China um Frieden geht, geht es um einen chinesischen Frieden: Die Pax, der Frieden, der herrscht, wenn sich alle Völker der Welt dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas unterwerfen.

Die erste der beiden Hauptthesen des Buches der China-Experten Mareike Ohlberg und Clive Hamilton lautet: Wenn man von China und von chinesischen Interessen spricht, muss man klar von der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas und den Herrschaftsinteressen ihrer Funktionäre sprechen. Denn die Interessen der Partei und des chinesischen Volkes sind alles andere als kongruent, auch wenn sich die Kommunisten immer auf das Volk berufen.

Zur zweiten Hauptthese heißt es: „Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ist entschlossen, die internationale Ordnung zu verändern und die Welt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Anstatt andere Länder von außen anzugreifen, sucht die Partei Verbündete, bringt Kritiker zum Schweigen und unterwandert westliche Institutionen, um den Widerstand gegen ihr Machtstreben von innen zu schwächen… Für die KPCh hat der Kalte Krieg nie geendet.“

Zwei aktuelle Meldungen bestätigen die Thesen des mutigen Buches von Ohlberg und Hamilton. Die Welt berichtet, dass China als Antwort auf die Schließung des chinesischen Konsulats in Houston das US-amerikanische Konsulat in Chengdu sperrt. Die USA reagierten damit auf die Zunahme illegaler Operationen zur Spionage und zur Einflussnahme in den USA. Konkret warf das US-Außenministerium der Volksrepublik China vor, sich in die US-Innenpolitik einzumischen, geistiges Eigentum zu stehlen, amerikanische Manager unter Druck zu setzen und Familien von Amerikanern mit chinesischen Wurzeln in China zu bedrohen.

Der Maoismus ist letztlich
die konfuzianische Lesart des Marxismus,
die George Orwell in seinem Buch „1984“ beschrieb

Diese und andere Aktivitäten werden von den Autoren als Standardoperationen der KPCh im Kampf um die Unterwanderung der westlichen Welt beschrieben. In diesem Zusammenhang weisen sie auf den Aufsatz „Über Widersprüche“ von Mao Tse-tung aus dem Jahr 1937 hin, der zwischen Widersprüchen innerhalb des Volkes und solchen, die „zwischen dem Volk und den Feinden des Volkes“ bestehen, unterscheidet. Da nichts Verwerflicheres existiert, als dem Volk zu schaden, darf es für Volksfeinde keine Schonung geben.

WHO: Wie China die Strippen zieht
Ohlberg und Hamilton schreiben: „Wichtig ist, dass den Reaktionen der KPCh keine Grenzen gesetzt sind, wenn sie mit dem Widerspruch zwischen dem Volk und seinen Feinden konfrontiert ist. Dann muss sie alles tun, was in ihrer Macht steht, um den ,Volksfeinden‘, die keinerlei Rechte haben, Einhalt zu gebieten. Im ideologischen Kosmos der KPCh behindern diese Personen den Fortschritt der Menschheit und müssen mit allen Mitteln bekämpft werden.“ Unter Xi Jingping wurde die Vorstellung der Widersprüche innerhalb des Volkes und der „zwischen dem Volk und den Feinden des Volkes“ wieder in die Parteistatuten aufgenommen, betonen Ohlberg und Hamilton.

Übrigens lohnt die Lektüre Maos auch deshalb, weil seit dem Amtsantritt Xi Jingpings der Maoismus wieder zur Richtschnur wurde. Xi stützt sich auf drei ideologische Strömungen: den Konfuzianismus, der die Ein- und Unterordnung unter das große Ganze predigt, den chinesischen Nationalismus, den rot-grüne China-Apologeten geflissentlich übersehen oder sogar für legitim halten, und schließlich den Maoismus, der an Bedeutung gewinnt, denn der Maoismus ist letztlich die konfuzianische Lesart des Marxismus, die George Orwell in „1984“ beschrieb.

Mao behauptete, dass 95 Prozent der Menschen gut seien und damit „automatisch auf der Seite der Kommunistischen Partei, die nicht umsonst die ,Avantgarde des Volkes‘ war“, stehen. Dagegen existierten fünf Prozent schlechter Menschen, die das Ziel einer Säuberung werden müssten, damit sie nicht das Volk, das an sich gut ist, verderben. Nur die KPCh weiß, was gut für das Volk ist, so die Autoren: „Wenn es nach der chinesischen Propaganda geht, deckt sich die Haltung des Regimes in Beijing im Allgemeinen mit dem, was die Menschheit der Welt denkt.“

So verwundert es nicht, dass die KPCh behauptet, die Schließung des Konsulats in Chengdu sei „eine legitime und notwendige Reaktion auf die unvernünftigen Handlungen der USA“ und dass „die Verantwortung … vollständig bei den Vereinigten Staaten“ liege. China, zitiert die Welt das chinesische Außenministerium, fordere die USA erneut auf, ihre Entscheidung zu korrigieren und so die Bedingungen für eine Rückkehr der bilateralen Beziehungen zur Normalität zu schaffen.

Interessant ist, dass die chinesische Propaganda geschickt die Karte des Multilateralismus gegen die böse unilaterale Politik der USA spielt, um à la longue mit dem Projekt der Neuen Seidenstraßen den chinesischen Unilateralismus durchzusetzen, der – schlimmer noch – im Grunde ein robuster Neokolonialismus sein wird.

Der KPCh gelingt es virtuos, westliche Medien, Denkfabriken und Politiker zum „biaotai“ zu verleiten. Gemäß dem „biaotai“, der ein wichtiger „ritueller, rhetorischer und politischer Akt“ ist, wird durch die Wiederholung einer bestimmten politischen Phrase („tifa“) oder eines Slogans („kouhao“) der Partei Gefolgschaft geleistet.

Der Artikel der Welt über die Spannungen zwischen der KPCh und den USA schließt mit dem Satz: „Trumps Regierung steht für eine ,America first‘- Politik, die jahrzehntealte multilaterale Bündnisse infrage gestellt hat.“

Damit wiederholt die „Welt“ nur den Vorwurf der chinesischen Propaganda vom Unilateralismus der USA. Der stehe im Gegensatz zum chinesischen Multilateralismus, den China im Interesse aller Völker verteidigt. Die Zeitung betreibt damit allerdings nur „biaotai“, das heißt, sie leistet der KPCh Gefolgschaft.

Ziel ist Chinas globale Vorherrschaft

Wichtiges Mittel der Herstellung der chinesischen Hegemonie ist die sogenannte Einheitsfrontarbeit, denn schließlich müssen die 95 Prozent der Menschen in der Welt, die gut sind, gegen die bösen fünf Prozent Volksfeinde vereint werden. Die KPCh hat ein riesiges Netzwerk von Organisationen geschaffen, das dem Ziel folgt, die chinesische Vorherrschaft mittels „stiller Diplomatie“ überall auf der Welt durchzusetzen. Dem Politbüro und dem ZK der KPCh unterstehen direkt die Propagandaabteilung, zu der Nachrichtenagenturen und Medien wie „Xinhua“, „China Daily“ und „Voice of China“ gehören, sowie die Internationale Verbindungsabteilung.

Aufforderung zur Auswanderung aus Hongkong
London versus China – ein kalter Krieg der Worte und Nadelstiche
Von großer Bedeutung für die operative Arbeit ist die Abteilung für Einheitsfrontarbeit, die eine Vielzahl von Organisationen unterhält. Ohlberg und Hamilton zeigen minutiös auf, wie die einzelnen Organisationen im Ausland arbeiten und wie es ihnen gelingt, westliche Eliten vor den Karren der KPCh zu spannen.

Eine wichtige Rolle spielt die Wirtschaft, denn es gehört zur Taktik der KPCh, die Wirtschaft zu benutzen, um die Regierungen unter Druck zu setzen. Die Möglichkeit für Firmen, auf dem chinesischen Markt tätig zu werden, hat einen hohen Preis, denn außer dem Diebstahl geistigen Eigentums wird von den westlichen Managern erwartet, dass sie für die Interessen der KPCh in ihren Heimatländern wirken.

In der Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen wie etwa Huawei ist es wichtig zu wissen, dass es praktisch in „allen großen und mittelständischen Privatunternehmen einschließlich solcher, die im Ausland tätig sind, … Parteikomitees“ gibt. Jack Ma, der Gründer von Alibaba, der es richtig fand, dass die Panzer der Volksbefreiungsarmee den Studentenprotest auf dem Tian’anmen-Platz niederwalzten, ist „seit den 80er-Jahren Parteimitglied“.

Hamilton und Ohlberg warnen in diesem Zusammenhang eindringlich: „Die Behauptung des Huawei-Gründers Ren Zhenfei, er würde sich jeder Anweisung der Partei widersetzen, Daten an chinesische Geheimdienste weiterzugeben, erscheint lächerlich.“

EU-Entwicklungshilfe für China

Inzwischen sind Lobbyisten der KPCh in NGOs, großen Wirtschaftsunternehmen, vor allem an der Wall Street, und in Institutionen der Regierungen und der Volksvertretungen angekommen. Im europäischen Parlament kümmert sich der chinesische Bürger Gai Lin darum, die Politik der KPCh zu unterstützen. „Gai brüstete sich damit, Gesetzesvorlagen zu entwerfen und zu ändern, alles zu tun, um zu verhindern, dass das Parlament den Dalai Lama einlädt, und die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass China immer noch ein Entwicklungsland sei, was dazu geführt habe, dass die EU 128 Millionen Euro an Entwicklungshilfe bereitgestellt habe.“

In einem Kapitel zeichnen Ohlberg und Hamilton nach, wie es den chinesischen Kommunisten gelang, in die Elite der Wall Street einzudringen. Aufschlussreich ist das Beispiel des Gründers des Hedgefonds Bridgewater Associates, Ray Dalio. Er warnte 2015, dass die Schuldenkrise in China einen kritischen Punkt erreiche. Doch als die „Times“ Dalios interne Warnung veröffentlichte, ruderte Dalio, der gerade sein China-Geschäft aufbauen wollte, zurück und meinte, er sei falsch verstanden worden. Und 2018 äußerte sich Dalio pessimistisch zu den Aussichten der Weltwirtschaft – mit Ausnahme der chinesischen Wirtschaft, die er über den grünen Klee lobte: „China ist ungeheuer erfolgreich.“

Menschenrechte und Freiheit,
die Würde des Menschen und Demokratie
sind für die Kommunisten aus China Fremdworte

Man braucht über die Werte von Finanzmagnaten wie Dalio nicht zu spekulieren, wenn sie schwärmen, China sei „eine Art von Familienstaat, der ,elterliche‘ Verantwortung für seine Bürger“ trage. Freiheitsrechte der Bürger stellen für Finanzoligarchen seit jeher ein Gewinnhindernis dar.

Jenseits von Globalismus und Nationalismus
Europa und der Westen brauchen eine neue Politik
Man darf auch nicht vergessen, dass US- amerikanische Banken wie JP Morgan Chase chinesische „Prinzlinge“ ein- gestellt haben – die Töchter und Söhne früherer und gegenwärtiger Parteifunktionäre in Spitzenpositionen –, um Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten. Dass diese Prinzlinge dann interne und vertrauliche Informationen nach China melden, davon ist auszugehen.

Die zweite aktuelle Meldung der offensichtlich ahnungslosen „Welt“ lautet, dass die Wall Street sich von Donald Trump abwende und Wahlkampf für Joe Biden mache. Bedenkt man, dass Trump sogar gegen heftige Widerstände in der eigenen Regierung die chinesischen Aktivitäten stoppt und sich gegen Chinas „lautlose Eroberung“ stellt und dass nach Darstellung der Autoren die Wall Street inzwischen enge Kontakte zur KPCh unterhält, dann erscheint die Reaktion der Wall Street nur als logisch.

Die Personalie Joe Biden fügt dem Bild allerdings eine nicht unwesentliche Facette zu. Bereits in der Obama-Administration setzte sich Biden für China ein. Ohlberg und Hamilton berichten, dass er im Dezember 2013 eine offizielle Reise nach China unternahm. In der Air Force 2 begleitete ihn sein Sohn, Hunter Biden. „Und weniger als zwei Wochen nach der Reise schloss Hunters Firma … eine Vereinbarung über die Gründung eines Investmentfonds namens BHR Partners, dessen größter Anteilseigner die staatliche Bank of China ist – und das, obwohl Biden junior kaum Erfahrung mit Kapitalbeteiligungen hatte.“

Wirtschaftsmacht als Waffe

Das Buch von Clive Hamilton und Mareike Ohlberg zeichnet ein facettenreiches und informatives Bild der immer noch sträflich unterschätzen Einflussnahme der KPCh in der westlichen Welt, die ihr die Hegemonie einbringen soll. Menschenrechte und Freiheit, die Würde des Menschen und Demokratie sind für die KPCh Fremdworte.

Besonders lesenswert sind auch die Passagen, die skizzieren, wie und durch wen die KPCh offensichtlich Einfluss auf die deutsche Politik nimmt.

Für Deutschland wird es darum gehen, die Exportabhängigkeit gegenüber China klug und stetig zu reduzieren, autonomer in der Produktion – vor allem von Medikamenten – zu werden und die chinesischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen zu verringern. Das wird zwar nicht leicht, ist aber hochnotwendig.

Insofern ist Hamilton und Ohlberg zuzustimmen, wenn sie ihr Buch mit den Worten schließen: „Jedes Land wird einen Preis dafür bezahlen müssen, seine Anfälligkeit für den Druck des chinesischen Regimes zu verringern, aber langfristig wird es sich lohnen. China setzt seine wirtschaftliche Macht wie eine überwältigende Waffe ein.“

Clive Hamilton / Mareike Ohlberg, Die lautlose Eroberung. Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet. DVA, 496 Seiten, 26,00 €.


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Die mobile Version verlassen