Tichys Einblick
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Berlin, Du bist so unfassbar …

Es ist die eigentliche Wahlüberraschung: In Berlin wurde eine unfassbar unfähige Regierung von den Wählern bestätigt. Woran liegt es, dass die allergrößten Pfuscher als Wahlsieger hervorgehen?

Seit 2016 war Marcel Luthe Abgeordneter in Berlin und stellte die meisten Anfragen an den rot-rot-grünen Senat. Unermüdlich wies er auf Missstände hin – sei es Korruption im Gesundheitswesen, der Missbrauch von Kindern oder der „übergriffige Sonderweg“ Berlins, was den Corona-Impfpass angeht.

Nun hatten die Berliner am Sonntag die Wahl, diesen Abgeordneten und somit ihre Interessen als Bürger zu stärken – doch das Ergebnis ist mit 0,8 Prozent der Zweitstimmen für die Freien Wähler insgesamt und mit 1,4 Prozent der Erststimmen, die er in seinem Grunewalder Wahlkreis erhielt, nur als herbe Niederlage zu bewerten.

Möglicherweise war es auch Manipulation. Denn nicht nur, dass Wahlzettel fehlten oder falsche vorlagen, dass wegen des Berlin Marathons eine ordentliche Durchführung in weiten Bereichen der Stadt unmöglich war – es deutet sich auch an, dass nicht nur Unfähigkeit, sondern manipulative Absicht dahinterstecken könnte.

Nun will der Spitzenkandidat der Freien Wähler in Berlin die Bundestagswahl und die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin überprüfen lassen. Luthe zweifelt den korrekten Ablauf und die Auszählung an, will deshalb offiziell gegen das Wahlergebnis vorgehen und fordert eine Wiederholung der Bundestags- und der Abgeordnetenwahl in der Hauptstadt. „Eine Wahlwiederholung erscheint mir unumgänglich“, sagte Luthe gegenüber TE online. „Ich werde eine fristgerechte Wahlüberprüfung beantragen.“

Wahlwiederholung wegen Berlin-Chaos?
Durch Wahlüberprüfung könnten die LINKEN doch aus dem Bundestag fliegen
Der Politiker der Freien Wähler will auch prüfen lassen, ob die hohe Zahl der Briefwahlstimmen tatsächlich korrekt ausgezählt wurde. „Freiheit und Gleichheit der Wahl war für Tausende in Berlin durch massives Organisationsverschulden nicht garantiert. Ich wüsste nicht, dass es solche massiven Wahlbeeinträchtigungen in der Geschichte der Bundesrepublik je gegeben hätte.“ Bisher musste in Deutschland lediglich eine Landtagswahl wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden: 1991 in Hamburg. Eine Neuwahl der Berliner Bundestagswahl könnte vor allem die Partei „Die Linke“ treffen: Sie hat zwei ihrer drei Direktmandate für den Bundestag in Berlin errungen. Nur wegen der Direktmandate ist die Linke gemäß ihres bundesweiten Wahlergebnisses im Bundestag vertreten.

Luthe hat zahlreiche weitere Verstöße dokumentiert, die über die bislang bekannten noch hinausgehen. Wie lässt sich ein solches Ergebnis erklären? Empfinden die Hauptstädter die Verhältnisse in Berlin am Ende als doch nicht so schlimm? Haben sie das Vertrauen in tatsächliche Veränderungsmöglichkeiten verloren? Sind ihnen andere Themen wichtiger? Und wenn ja: warum?

Eine mögliche Antwort könnte sein: Statt sich um die konkrete Lebenswirklichkeit vor Ort zu bemühen, bemüht die Politik planetarische Themen. Der Blick hebt sich vom kaputten Straßenpflaster, lässt die zerstörte Straßenlaterne liegen, die schlechte Schulbildung gerät ebenso aus dem Blick wie eine komplett unfähige öffentliche Verwaltung oder eine Polizei, die den Schutz der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet.

Mit der Mistgabel im rot-rot-grünen Labor
„Aus sozialistischer Sicht ist Berlin eine Erfolgsgeschichte“
Stattdessen wird von der planetarischen Verantwortung gefaselt. Alle reden vom ganz Großen, niemand vom Konkreten. Klimafolgen sind vielfach nur vorgeschobene Ausreden für konkretes Regierungsversagen. Wer eine planetarische Verantwortung vor sich herträgt, entschuldigt damit sein eigenes Nicht-Handeln.

Politik ist aber immer konkret und vor Ort. Klima und EU sind Tricks, um davon abzulenken. Politik ist zu einer Großveranstaltung von Verantwortungsverweigerung geworden.

Berlin ist nicht irgendeine Stadt, sondern als Hauptstadt immer wieder Gast auf der Weltbühne. Skandale und Pannen wie rund um den Flughafen BER, der angebliche Kampf gegen die organisierte Clan-Kriminalität oder der Skandal um Anis Amri sind daher besonders peinlich, prägen sie doch das internationale Bild Deutschlands.

Als einer der bekanntesten Mitglieder des Berliner Landesparlaments hat Marcel Luthe praktisch wöchentlich Missstände in der Hauptstadt aufgedeckt, über die selbst international berichtet wurde. Sein Bericht über den desolaten Zustand unserer Hauptstadt bleibt – auch und erst recht über den Wahltag des letzten Sonntags hinaus – ein faszinierendes und erschütterndes Zeugnis täglich scheiternder Politik.

Und jetzt gibt Luthe keine Ruhe, sondern greift den skandalösen Zustand auf, dass diese Stadt, die von den Bürgern der südlichen Bundesländer finanziell unterhalten wird, nicht einmal eine Wahl organisieren kann.

Janz Berlin – eine Versagergemeinde?

Marcel Luthe, Sanierungsfall Berlin. Unsere Hauptstadt zwischen Missmanagement und organisierter Kriminalität. Hardcover 304 Seiten, 19,99 €.


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