Wie kann es nur sein, fragt Ben Shapiro, dass in der öffentlichen, im besonderen in der veröffentlichten Meinung „rechts“ als autoritär und „links“ als antiautoritär und progressiv gilt? Wie kann es in der Folge sein, dass linker Autoritarismus und Totalitarismus gar nicht wahrgenommen, ja allenfalls bagatellisiert werden? Dass „links“ immer mit dem Guten assoziiert wird: mit Freiheit, Gleichheit, Glück, Frieden, Klimaschutz usw.? Dass linke Regelbrecher als „Aktivisten“ und nicht als Kriminelle bzw. Extremisten gelten? Während „rechts“ gleichgesetzt wird mit faschistisch, nationalsozialistisch, rassistisch, menschenverachtend usw.? Und „Rechte“, ja allein schon Konservative und Bürgerliche, schier Aussätzige sind?
Amerikas linke Wurzeln
Wer diesen Fragen nachgehen will, muss in die US-Universitätsgeschichte ab 1940 einsteigen. Dazu in aller Kürze: Eine große Rolle spielten bei der Definition von „rechts“ Studien in den USA ab den 1940er Jahren. Es begann 1943 mit einer Studie über Antisemitismus des Sozialpsychologen R. Nevitt Sanford, des Psychiaters Daniel J. Levinson und der Psychoanalytikerin Else Frenkel-Brunswik in Berkeley (USA). Diese Studien wurden 1944 als „Berkeley Public Opinion Study“ gemeinsam mit dem emigrierten „Frankfurter Institut für Sozialforschung“ (IfS) fortgeführt. Das IfS war 1923 als marxistisches Institut an der Universität Frankfurt am Main gegründet worden. Seine namhaftesten Vertreter waren neben dem Gründer Max Horkheimer vor allem Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Erich Fromm, und Herbert Marcuse. Als es im März 1933 vom NS-Regime verboten wurde, übersiedelte es bis zu seiner Rückkehr im Jahr 1951 nach New York bzw. Kalifornien.
Die Hammer-Diagnose eines Ben Shapiro
Nun hat ein junger, jüdischer US-Journalist das radikale, ja schier terroristische Meinungsregime der US-Linken zerpflückt. Ben Shapiro, 38, ist seit geraumer Zeit der meistattackierte Journalist der USA. Seine Nachrichtenseite „The Daily Wire“ ist berühmt. In Deutschland sollte er jetzt bekannt werden mit einem Buch, das der Langen Müller Verlag soeben in deutscher Übersetzung herausgegeben hat. Der Titel des Buches ist im Englischen schon markant genug: „The Authoritarian Moment“. Der LMV hat diesen Titel in der Übersetzung noch getoppt und titelt: „Der autoritäre Terror. Wie Cancel Culture und Gutmenschentum den Westen verändert.“
Dieser deutsche Titel geht in Ordnung. Denn mit dem Untertitel wird signalisiert, dass das um sich greifende kulturmarxistische Hegemoniebestreben kein Phänomen des „woken“ USA ist, sondern diese Entwicklung den gesamten Westen, Deutschland voran, erfasst hat. So liest sich Shapiros Buch denn auch wie eine Darstellung der seit 1968 inszenierten und von den 68er „Ampel“-Epigonen mit Volldampf fortgeführten sozialistischen Transformation Deutschlands.
Aber der Reihe nach: Shapiro ist kein Mann der leisen Töne. Das ist gut so, und das sei ihm erlaubt, zumal er all seine Befunde und Attacken gegen den linken Mainstream mit 465 Quellen belegt. Allein die Kapitelüberschriften sind schon Diagnosen genug. Beispiele: „Wie man eine Mehrheit zum Schweigen bringt“; „Wie die autoritäre Linke Amerika renormiert hat“; „Wie die ‚Wissenschaft‘ die Wissenschaft besiegte“; „Die Radikalisierung der Unterhaltungsbranche“.
Vor allem folgende Gruppen und Institutionen hat sich Shapiro dabei als die Transmissionsriemen des linken, ach so woken Autoritarismus vorgenommen: die Universitäten („philosophische Einparteiensysteme des linken Autoritarismus“, “Wokeismus-Fabriken“), die Demokratische Partei der USA, die monolithische Hollywood-Schickeria (eine „ideologische Ein-Parteien-Diktatur“), die sogenannten Establishment-Medien mit ihrem Informationsoligopol (darunter im besonderen die New York Times und die Washington Post, die Social-Media-Freaks und die Technik-Geeks).
Wie weiter?
Wir werden nach den Midterm-Wahlen vom 8. November und nach den nächsten Präsidentschaftswahlen von 2024 sehen, welchen Weg die USA weiter gehen werden: nach links in Richtung eines links-messianischen Obama oder nach rechts in Richtung eines auf seine Weise autoritären Trump oder – was am wahrscheinlichsten ist – in eine gesellschaftliche und politische Spaltung ohnegleichen. Oder gar Vorreiter des Westens sind im Rausch der Dekadenz.
Shapiros Buch ist ein leidenschaftlicher Appell gegen die Schweigespirale. Er appelliert an die Mehrheit, die vielleicht nur deshalb schweigt, weil sie gar nicht weiß, dass sie die Mehrheit ist. So lautet denn auch einer der letzten Sätze des Buches: „Wir dürfen nicht länger schweigen.“ Wie wahr, das gilt auch für den deutschen Untertan. Er muss endlich – notfalls am Beispiel der USA – erkennen, wohin die Reise geht, wenn die „Ampel“ hinter der Kulisse von Corona, Energiekrise und Ukraine in ihren hochideologischen Giftküchen weiter ihr Werk der Transformation Deutschlands betreibt.
Ben Shapiro, Der autoritäre Terror. Wie Cancel Culture und Gutmenschentum den Westen verändern. LMV, 324 Seiten, 28,00 €.