Tichys Einblick
WerteUnion: Ist die CDU taub für die Signale?

Alexander Mitsch: Schluss mit dem Ausverkauf der CDU!

Für Alexander Mitsch und die WerteUnion ist klar: Statt bloßen Machterhalts muss es der CDU wieder um Inhalte und das Interesse des Landes gehen. In einem neuen Buch spricht er erstmals offen über den konservativen Widerstand in der Union, die Zukunft der Partei und darüber, wie eine Wende gelingen kann.

Alexander Mitsch (53), CDU-Mitglied seit 35 Jahren, Diplom- und Bank-Kaufmann, ist ein politischer Kopf. Weil er ein besonnener, vorausschauender und zugleich mutiger Mann ist, hat er im Sommer 2017 aus Sorge um die CDU die „WerteUnion (WU)“ ins Leben gerufen. Mit den mittlerweile 4.000 WU-Mitgliedern wollen Mitsch und seine Mitstreiter die CDU aus ihrer programmatischen Beliebigkeit befreien, den Mitgliederschwund (im Jahr 2000 waren es über 600.000, jetzt sind es knapp 400.000 Mitglieder) stoppen und auf diese Weise nach den zum Teil miserabelsten Ergebnissen seit 1949 wieder zu Wahlsiegen führen. Immerhin hat die CDU seit Merkels Kanzlerschaft im Jahr 2005 bis dato bei 57 Wahlen auf Landes-, Bundes-, und EU-Ebene 44 Wahlniederlagen zu verzeichnen und nur bei 13 Wahlen Stimmenzuwächse erzielt. (Die Schwesterpartei CSU, deren Vorsitzender Markus Söder aktuell auch mehr und mehr ergrünt, hat ja bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag im Herbst 2018 auch ein Minus von 10,5 Prozent eingefahren, um dann auf 37,2 Prozent zu landen.)

Von den Werten rechtsstaatlicher Demokratie
Die heutige CDU ist keine Partei der politischen Mitte
Über seine parteiinternen Erfahrungen und über die Programmatik der WerteUnion hat Alexander Mitsch nun ein 247 Seiten und fast 300 Querverweise umfassendes Buch geschrieben. Der Titel ist für viele in und außerhalb der Merkel-CDU bereits Provokation: „Im Dienste der Überzeugung. Wie wir Deutschland und die CDU/CSU nach Merkel retten.“ Getoppt wird diese durchaus geplante Provokation noch durch ein Vorwort des neben Professor Werner Patzelt prominentesten WU-Mitglieds Hans-Georg-Maaßen, der es im Zusammenhang mit „Chemnitz“ (August 2018) gewagt hatte, einer Kanzlerin („Es waren Hetzjagden“) zu widersprechen und der deswegen von Innenminister Seehofer seines Amtes als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthoben wurde. In seinem Vorwort macht CDU- und WU-Mitglied Maaßen aus seinem Herzen keine Mördergrube: Er moniert, dass die CDU seit zehn Jahren programmatisch nicht mehr wiederzuerkennen sei, weil sie sich Positionen der Grünen und der Linken einverleibt habe.

Der Autor Mitsch ist Realist und Idealist zugleich. Realist ist er, indem er den Herbst 2015 und die eigenmächtige Entscheidung Merkels zur Öffnung der Grenzen für sich als einen Weckruf betrachtet – einen Weckruf, den, wie man aktuell im Zusammenhang mit Moria sieht, die CDU und große Teile der Nation nicht verstanden haben. Dies und die nachfolgende Bockigkeit der Kanzlerin betrachtet Mitsch als den Grund für das Aufkommen der AfD zur stärksten Oppositionspartei im Bundestag und deren Einzug in alle 16 Landesparlamente.

Besonders aufschlussreich wird Mitsch, wenn er quasi endoskopisch in das Innere der CDU hineinleuchtet. Wenn er etwa beschreibt, dass CDU-Parteitage – so die Interpretation des Rezensenten – ablaufen wie die Parteitage der Putin-Partei und des chinesischen Volkskongresses. Die 1001 CDU-Delegierten sind nahezu alle in irgendeiner Weise von der CDU und den von ihr vermittelten Posten abhängig. Deshalb herrschen Opportunismus, Untertanengeist und Linientreue. Wörtlich: „Wer sich nicht anpasst, wird schnell geächtet, ja ausgegrenzt.“

Leerstelle Opposition
Marginalisierung first, Versenken second
Dass sich die Parteivorsitzende Merkel als „alternativlos“ sieht und Beschlüsse des CDU-Parteitages (z.B. gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, gegen Huawei oder für die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz) hinwegsetzt: Man lässt es einfach geschehen. Da wird man als Mitglied der WerteUnion und zumal als WU-Vorsitzender Mitsch schnell zur „persona non grata.“ Der Vorwurf der Majestätsbeleidigung liegt in der Luft. Ein CDU-Präside namens Elmar Brock, als EU-Parlamentarier lange Jahre für 60.000 Euro jährlich „Mister Bertelsmann“ in Brüssel, versteigt sich in die Raserei, die WerteUnion sei ein „Krebsgeschwür“. Die Parteispitze lässt vorübergehend eine „Union der Mitte“ gegen Mitsch und seine WerteUnion aufmarschieren; ein Kartenhaus, wie sich alsbald herausstellt. Die dem Kanzleramt und dem Mainstream freiwillig unterworfenen Medien verbreiten alle Widerstände und Beleidigungen gegen die WerteUnion mit Genuss.

Mitsch belässt es nicht bei der Beschreibung all dieser Erfahrungen. Er will die CDU auf ihren Markenkern zurückbesinnen, als da sind:

Im Interesse nicht nur der CDU, sondern dieser Nation kann man Mitsch und seinen Mitstreitern nur Erfolg wünschen. Sollte sich dieser Erfolg nicht in absehbarer Zeit einstellen und die CDU auch über die Merkel-Phase hinaus merkel-epigonal vor sich hindümpeln, dann ist ernsthaft zu überlegen, ob nicht die Gründung einer neuen Partei angezeigt wäre. Ihr Wählerpotential bewegt sich bestimmt im Bereich der 20 Prozent: zusammengesetzt aus früheren Wählern der CDU/CSU, der marginalisierten FDP, der AfD, kirchengebundener Wähler, auch der SPD.

Irgendwie fühlt man sich derzeit jedenfalls an das Gallien von Asterix und Obelix erinnert: „…Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf … Widerstand zu leisten.“ So ähnlich ist es mit der CDU: Die ganze CDU ist von Merkelianern besetzt … Die ganze CDU? Nein! Einige tausend Unbeugsame leisten seit 2017 Widerstand. Sie werden nicht mehr von der Bildfläche verschwinden.

Alexander Mitsch, Im Dienste der Überzeugung. Wie wir Deutschland und die CDU/CSU nach Merkel retten. FBV, 240 Seiten, 22,99 €


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