Sandra Maischberger bleibt beim neuen Format. Weil sie muss? Kann man sich tatsächlich nach der alten Maischberger sehnen, also jedenfalls nach der theoretischen Möglichkeit, dass alle geladene Gäste über eine Stunde Zeit hatten zu Wort zu kommen? Die Betonung liegt hier wohl auf „theoretisch“.
An diesem Mittwoch sollen Stefan Aust und Carola Rackete vorkommen. Vorkommen, weil von einem Aufeinandertreffen ja kaum noch die Rede sein kann, wenn Aust auf dieser Journalisten-Quasselbank des neuen Formats Platz genommen hat und Rackete irgendwann später dort ins Gespräch an den Katzentisch gebeten wird, wo zuletzt Bernd Lucke zur peinlichen Befragung durch Maischberger und Verstärkung Georg Restle sitzen musste.
Ach ja, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus Hildesheim von der ehemaligen Volkspartei SPD will auch noch irgendwas zur Grundrente sagen. Was für ein Spannungsbogen.
Aber worüber reden die drei? Es bleibt nichts hängen. Fußball? Fernsehen? Weiber? Sie springen von der GroKo zum FC Bayern, aber wozu? Damit Sportmoderator Kerner was Kompetentes sagen kann? Aust merkt nach wenigen Minuten schon, auf was er sich eingelassen hat: Wie verirrt in einer öffentlich-rechtlichen zähen Spielshow. Hier hat niemand ein neues Buch mitgebracht, hat in der Gegenwart irgendeine Marke gesetzt, hier besprechen drei Herren gesetzteren Alters die Welt jeder aus seinem Blickwinkel, jeder mit seiner persönlichen individuellen Befindlichkeit. Aber was soll so ein Kaffeekränzchen ausgerechnet um kurz vor 23 Uhr, wenn es um einen Wettlauf gegen das Einschlafen geht? Nicht auszudenken, es käme noch einer von der AfD – das wäre ja, als wurde einer im Konzertsaal auf Plastiksesseln laut furzen, wenn der Dirigent gerade das Stöckchen anhebt. Mensch, lieber Herr Aust, warum?
Stefan Aust befürwortet die Brandmauer der GroKo gegen die AfD und liefert Kerner so ein lupenreines Stichwort für die nächste politisch korrekt angelesene Haltungskaskade. Herr Rossmann bringt den Fliegenschiss der Geschichte ins Spiel, um auch noch was zu sagen zu haben. Tri, Tra und Trullala. Aber wie kamen die Herren jetzt zur AfD? Hatte Maischberger sie da hin geschubst?
Ah ja, Kerner kommt dann noch mit dem Mahnmal der Schande. Ohne Spickzettel! Rackete? Ne, Hubertus Heil, darf zuerst. Ist das schlau? Wie viele Zuschauer schalten hier bereits ab, weil die zweite Einschlafrunde in Folge droht. Heil aus Hildesheim spricht wie ein Schüler von Siegmar Gabriel. Beide Niedersachsen. Beide also quasi mit Okerwasser getauft. Kurz kommt Kerner ins Bild: er muss sich den Mund zuhalten, soviel hätte er noch zu sagen gehabt, aber jetzt ist HH aus H dran, es geht um die Grundrente von 800 Euro oder so und darum, so Heil, „dass wir eine Lösung hinbekommen, die den Namen Grundrente auch verdient.“ Zwischen Maischberger und Heil sitzt schon Carola Rackete im Publikum. Wie viele Millionen werden die Grundrente am Ende bekommen und vor allem: Wird der Weltuntergang all diese Pläne sowieso zur Nichte, nein: zunichte machen? „Es geht doch um die Frage, ob wir mit der Gießkanne Geld ausgeben oder zielgenau.“, so der Minister weiter. Hilfe!
Fast entsteht so eine Sehnsucht nach dem Auftritt von Rackete – danach, dass wenigstens irgendwas weniger aalglattes passiert. Aber vorher wird ja noch hinübergewechselt zu Kerner und Co. – aber bitte schnell, bevor Kerner seine Hand noch ganz aufgegessen hat. Heil will im Prinzip keine Bedürftigkeitsprüfung. Die Frage sei: „Müssen wir Menschen mit Bürokratie belästigen?“ Ja, so geht Applaus heischender Mist, als gäbe es nicht 1001 weitere Gründe, von Belästigung der Bevölkerung zu sprechen – oder gar von Raub, wenn man schaut, für was alles Steuergelder bezahlt werden und Volksvermögen verschleudert wird. Zuletzt ist der immer gleiche Bernstein an Maischbergers Kette noch spannender, als diese niedersächsische Sprechblase. „Für mich ist wichtig …“ jedenfalls so lange die Kameras an sind.
Heil hatte in Karlsruhe die Bundesregierung vertreten, als über die Hartz4-Sanktionsaufhebungen verhandelt wurde. Dafür, dass der Minister dort stellvertretend eine ordentliche Klatsche bekommen hat, tritt er immer noch erstaunlich selbstbewusst auf – eine Klausur etwa nach der krachenden Niederlage und also dem wenig versteckten Vorwurf, die auch von Heil mit beschlossenen Gesetze seien asozial? Unbekannt. Sich zu Fehlern bekennen? Warum, das wäre doch bloß „Vergangenheitsbewältigung“, sagt der Minister, der dann noch erzählen soll, wie er als Sechsjähriger als Schlüsselkind im Sozialbau leben musste – wer will das wissen und wer soll da weshalb Mitgefühl entwickeln? Ein Kinderfoto des Sechsjährigen wird gezeigt.
Wann bitte kommt endlich die Seenotretterin und Klimaretterin Rakete? Wenn schon nichts Mitreißendes, dann wenigstens etwas wirklich Empörendes?
Zwischenstopp am Tresen und hin zu Morddrohungen gegen Özdemir und Roth von den Grünen. Aust ist gefragt als Terrorismusexperte. Aufgrund seiner Expertise als Beteiligter im Umfeld der RAF? Als der erste Biograf des linken Terrors, der es bis zur Verfilmung unter der Regie von Ulli Edel geschafft hat? Um Himmelswillen, ein Narrenhaus. Wer jenseits des Mainstreams entlang ein paar solala-provokanter Texte von Aust in der letzten Zeit auf den Journalisten aufmerksam wurde, der darf sich wieder wegdrehen.
Zu allem Überfluss wird noch eingeblendet, Aust sei „Rechtsextremismus-Experte“. Seit wann? War er nicht gerade erst RAF-Experte, also Linksextremismus-Experte? Ein Fähnchen im Wind im Galopp herumgereicht. „Ich kenne Chefs von größeren deutsche Sicherheitsbehörden, die sagen, das lange nicht klar ist, wer das gewesen ist.“, gibt Aust an zum Thema NSU, der dann noch vermutet, die Amerikaner stecken dahinter. Präziser ein „arischer Widerstand“ mit Verbindungen nach Deutschland orakelt Aust und Kerner siehst seine Sprechfelle davon schwimmen und knabbert noch nervöser an seiner Hand.
„Ich kann den Politikern, die da im Schussfeld sind nur höllisch raten, auf sich aufzupassen“, endet Aust. Endet Aust endlich, denn was für eine Enttäuschung der Mann, von dem man sich etwas erwartet hat und nun gar nicht mehr weiß, was und warum eigentlich?
Der PR-Experte, der ihn auf diesen Stuhl bei Maischberger schieben konnte mit dieser Geschichte, der hat sein Geld jedenfalls wahrlich verdient.
Tatsächlich hat Rossmann seine private Bibel entdeckt von einem US-amerikanischen Umweltautor, der den Umweltapokalyptiker Al-Gore berät. Rossmann kommt also mit so etwas, was der taz-Autor Peter Unfried vor vielen Jahren schon über Al-Gore zu seinem Buch „Öko“ animiert hatte. Unternehmer Rossmann möchte fleischfreie Tage und spontan dankt man gerade irgendwem für jeden Rossmannfreien Sonntag, der den Mann nicht noch reicher macht, wenn man sieht, wozu so etwas führen kann.
Fleischfrei? Kerner knabbert weiter an seiner Hand. „Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, war mir klar, dass ich was tun muss.“ Was tat er? Er verschickte an 2000 politische und wirtschaftliche Entscheider in Deutschland besagtes Buch mit einem Begleitbrief. Ob der geschickte Unternehmer dafür einen Mengenrabatt aushandeln konnte? Schlimmer noch: Der Unternehmer nutzt jetzt die Sendezeit um sein Buch 25.000 mal an Zuschauer zu verschenken, an jene, die sich bei Rossmann.de melden und er ist ganz aufgeregt dabei, soviel Geld aus dem Fenster zu werfen, soviel Bäume fällen zu lassen, auf deren Zellulose dann gedruckt werden kann. Unternehmer Rossmann, ein 73-Jährige Teilzeit-Franz-von-Assisi, der sein letztes Hemd für die Weltenrettung ausgibt, ja hätte es die umweltschonende virtuelle Kindle-Version nicht auch getan? Wäre doch auch billiger gekommen. „Ich wollte, dass viele Menschen meine Betroffenheit mit mir teilen.“ Maischberger erinnert noch daran: „Das Buch ist aber keine Bibel!“.
Nach diesem irren Appell eines verdrehten Unternehmers – Maischberger nennt es „leidenschaftlich“ – , der auf seiner individuellen Zielgeraden noch was Verrücktes tun wollte kommt endlich Rackete. Ihr gegenüber soll die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg irgendwas richten. Aber warum sie und was? Was soll die Liberale nach Rossmann nun noch gegen Rackete ins Rennen schicken? Bei Maischberger wird über nicht weniger geredet, als über eine drohende Auslöschung der Menschheit.
Die FDP-Generalsekretärin möchte nicht, dass es in Sachen Klimaschutz nur bei kosmetischen Korrekturen bleibt, aber es soll schon noch der Wohlstand und die freiheitliche Lebensweise erhalten bleiben. Was für ein Zirkus, was für ein Theater vom durchgedrehten Drogisten bis hin zu dieser Dame in der fliederfarbenen Rüschenblüse neben der Kapitänin mit der Holzsonne um den Hals, der schon ein Zacken aus der Krone gebrochen ist und die hier aggressiv fordert, endlich den „Ökozid“ unter Strafe zu stellen, also Unternehmen international anklagen zu können, wenn diese sich am Weltuntergang schuldig gemacht haben. Der Ölexporteur Exxon wäre für Rackete so ein Kandidat, vor Gericht gestellt zu werden, „die müssen dafür bestraft werden. Denn wen ich etwas zerstörte, etwas kaputt mache muss ich dafür bestraft werden.“
Steht das auch in der neuen Rossmannbibel aus den USA? Oder schwant dem Unternehmer gerade ganz leise, wem er da das Wasser angereicht hat? Eine irre gewordene Sendung zwischen Rossmann und Seenortrettung. „Mit der Physik kann man ja nicht diskutieren“, sagt Carola Rackete noch ohne freilich zu verraten, welcher der hunderttausenden von Physikern auf der Welt denn nun der anbetungswürdigste Heiland der Bewegung sein soll, oder gleich alle zusammen?
Aber wo nun so viele Götter miteinander konkurrieren, da sollt man schleunigst das Weite suchen, auch auf die Gefahr hin, noch einen weiteren Heiland zu verpassen. Und nein, der Autor drückt sich jetzt nicht um den weiteren Verlauf der Sendung, weil er dringend noch ein Buch bei Onkel Rossmann bestellen will, er kann diesen Irrsinn nur beim besten Willen nicht mehr ertragen oder er will jetzt Energiesparen und schaltet den Fernseher einfach aus, suchen sie sich bitte eine Variante aus, aber schnell, bevor die Welt untergeht.