Anime-Figur “Luce” Überraschungshit unter Katholiken
David Boos
Immer auf der Suche nach Anschluss an die Jugend präsentierte die katholische Kirche eine Anime-Figur als Maskottchen für das Heilige Jahr 2025. Überraschenderweise fand dies ausgerechnet unter Teilen der traditionellen Katholiken großen Anklang. Die Memes im Internet florierten.
“Ich würde fast sagen, der Kirche ist hier der erste große Coup seit 120 Jahren gelungen.” Mit diesen Worten beschrieb ein Facebook-Nutzer die Vorstellung von “Luce” (Licht), einer Anime-Figur eines Pilgermädchens mit blauen Haaren, gelbem Regenmantel und grünen Gummistiefeln. Vorgestellt wurde Luce von Erzbischof Rino Fisichella am Montag in Rom als Maskottchen für das Heilige Jahr 2025. Luce sei ein Tribut an die bei jungen Leuten so beliebte Popkultur, so der Erzbischof. Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto “Pilger der Hoffnung”. Ihren ersten Auftritt wird Luce bei der internationalen Comic- und Spielemesse vom 30. Oktober bis 3. November im toskanischen Lucca haben.
Die erstmalige Vorstellung eines Maskottchens der Kirche rief wenig überraschend unterschiedliche Reaktionen hervor. Während viele die Figur als objektiv süß klassifizierten, hagelte es aus gemäßigt konservativen Kreisen der Kirche Kritik, dass Luce eine unnötige Anbiederung an den Zeitgeist darstelle und die Botschaft der Kirche entwerte. Allerdings zeigten sich gerade die konservativsten Traditionalisten der katholischen Kirche wiederum sehr angetan von Luce.
Archbishop Fisichella says the mascot was inspired by the Church's desire "to live even within the pop culture so beloved by our youth." pic.twitter.com/hVU2CmYA3O
Prompt wurde das Internet mit Memes und Fanart von Luce geflutet, die das unschuldige Mädchen nicht nur in die Arme von Christus, Maria und Erzbischof Lefebvre malten, sondern auch in Reih und Glied mit Kreuzrittern auftreten, Dämonen mit einem Hammer zerschmettern und Exorzismen durchführen ließen. Selbst Pepe der Clown, seit Jahren ein Symbol zivilen Ungehorsams von rechts, warf sich eine Soutane über und betete gemeinsam mit Luce auf den Knien.
Die Kirche schien mit Luce tatsächlich einen Nerv getroffen zu haben, denn offensichtlich ist die Schnittmenge zwischen Anime-Fans und Katholiken doch weitaus größer, als Mitglieder einer bestimmten Generation es sich vorstellen konnten. Damit aber noch nicht genug der Verwirrung, denn bald schon entstand weitere Fanart, die Luce im Warhammer-Universum verankerte und damit auch den krypto-katholischen Charakter dieser Nische offenbarte.
Allerdings entstanden unweigerlich auch Memes, die Luce sexualisierten. Doch selbst damit schien der Teufel wieder einmal zu scheitern, denn wie mehrere Nutzer auf X bekannten, führten die lästerlichen Darstellungen von Luce dazu, dass sie sich mit der Figur und ihrer Bedeutung auseinandersetzten und sich in Folge „an einem Tag mehr mit Theologie befasst haben, als im gesamten Jahr zuvor.”
Das Licht von Luce scheint sich seinen Weg zu bahnen. Neueste Darstellungen von Luce zeigen das Pilgermädchen nun als Teil einer Reihe bedeutender Ereignisse der christlichen Geschichte.
Könnte es also sein, dass der katholischen Kirche 60 Jahre nach dem Beginn der Modernisierung endlich der große Wurf zur der Ansprache der Jugend gelungen ist? Die Tatsache, dass jene Generation, die mit diesem Unterfangen so lange gescheitert ist, sich grün und blau über die blauhaarige Luce ärgert, gibt zumindest Hoffnung, auch wenn man wohl davon ausgehen darf, dass auch Luce, wie jeder andere Internettrend, innerhalb weniger Wochen wieder in Vergessenheit gerät. Bis dahin bietet Luce aber noch Stoff für reichlich Unterhaltung und dem einen oder anderen womöglich sogar Erleuchtung. Und das ist aller Ehren wert.
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