Der FC Homburg hat Darmstadt 98 mit einem 3:0 aus dem Pokal geworfen. Zuvor hatte der Regionalligist lange nicht mehr für bundesweite Schlagzeilen gesorgt. Dabei war Homburg mit seinen gut 40.000 Einwohnern die kleinste Stadt, die je einen Bundesligisten gestellt hatte – bis die TSG Hoffenheim kam. Ende der 80er Jahre war das – für drei legendäre Spielzeiten – mit „Stars“ wie Uwe Freiler, Andrzej Buncol oder Roman Wojcicki. Doch so klein Homburg war – es sorgte für einen der größten Skandale der Bundesliga-Geschichte. Und einen der lustigsten.
Der Club aus dem östlichen Saarland tat sich schwer, in einer Stadt mit wenig mehr als 40.000 Einwohnern die nötigen, finanzstarken Sponsoren zu finden. Es gibt zwar eine richtig gute Brauerei auf dem Homburger Karlsberg, doch die stand in der zweiten Saison 1987/88 als Trikotsponsor nicht zur Verfügung. Aber Präsident Manfred Ommer wurde anderswo fündig: bei der Marke „London“. Das Problem war nur – die stellte Kondome her. Für den DFB war das anrüchig und es begann eine der größten Possen der Ligageschichte.
Der DFB untersagte dem FC Homburg, mit dem Schriftzug London auf der Brust aufzulaufen. Der streitbare Präsident gab aber nicht klein bei. Ommer ließ seine Spieler mit einem schwarzen Querbalken auf besagter Brust antreten. Angesichts der Schlagzeilen, die sich der DFB mit seiner Prüderie eingehandelt hatte, wusste nun jeder, wirklich jeder, was unter dem Balken stand. 200.000 Mark hatte London dem FC Homburg gezahlt – eine bessere Werbung hätte sich das Unternehmen dafür nicht wünschen können.
Doch die Posse ging weiter. Das Frankfurter Landgericht entschied: Die Argumentation des DFB, der Schriftzug verstoße gegen Sitte und Moral, sei falsch. Die Homburger dürften mit dem Namenszug „London“ auflaufen. Spätestens das Urteil zeigte, wie weit der DFB dem Zeitgeist hinterherlief. Seinerzeit grassierte Aids wie eine Seuche. Deshalb warb sogar die Bundesregierung selbst in TV-Spots für den Einsatz von Kondomen.
Die London-Affäre war nicht das erste Beispiel in Sachen Trikotwerbung, das zeigte, wie weit der DFB hinter der Zeit herläuft. Gut 15 Jahre vorher hatte der niedersächsische Unternehmer Günter Mast den Fußballbund vorgeführt. Die Funktionäre hatten Trikotwerbung verboten. Doch der Hersteller des Likörs Jägermeister hatte eine Lücke in den Regeln entdeckt: Der DFB hatte nur Schriftzüge verboten, nicht aber Logos.
Der Bundesligist Eintracht Braunschweig brauchte Geld. Mast bot die damals für den Fußball hohe Summe von 100.000 Mark und die Mitgliederversammlung der Eintracht beschloss im Januar 1973, das Vereinslogo zu ändern. Es war nun ein Hirsch. Einer, der sehr dem Markenlogo von Jägermeister ähnelte. Wie später bei London profitierte Mast nun mehr von dem Widerstand, den ihm der DFB entgegensetzte als von der eigentlichen Werbewirkung.
Eigentlich hatte der DFB keine Handhabe. Trotzdem verbot der Verband den Braunschweigern, gegen Kickers Offenbach mit den entsprechenden Trikots aufzulaufen. Das Logo sei zu groß. Vor dem nächsten Heimspiel gegen Schalke 04 soll Kult-Schiedsrichter Walter Eschweiler der Legende nach mit einem Maßband in der Hand in der Kabine das Trikot abgenommen haben. Mast und die Eintracht aus Braunschweig hatten sich durchgesetzt. Noch im selben Jahr gab der DFB-Bundestag nach und erlaubte allen Bundesligisten die Trikotwerbung.
Heute fließen laut Statista rund 350 Millionen Euro von den Unternehmen an die Vereine. Mit 70 Millionen Euro profitiert demnach am stärksten der VfL Wolfsburg. Doch das ist eher verdecktes Mäzenatentum für einen Club, der in einer Autostadt beheimatet ist und dessen Name sich mit VW abkürzen lässt. Mit 45 Millionen Euro allein aus der Trikotwerbung ist Bayern München auch in diesem Bereich der eigentliche Marktführer.
In seiner Glanzzeit lockte der FC Homburg ein sehr eigenwilliges Publikum an. Die Gegengerade etwa war voll mit in die Jahre gekommenen Motzköpfen, die permanent am kritteln waren. Schossen die Homburger eines ihrer wenigen Tore, beklagten sie, dass beim Anpfiff schon wieder der Gegner den Ball hatte. Zurzeit des London-Skandals lief die Gegengerade zur Höchstform auf – reihum brachten sie den Gag: Die Spieler sollten mit einem Gummi über dem Daumen auflaufen, dann wüsste jeder, was unter dem schwarzen Balken steht. Den Witz brachten sie Spielminute für Spielminute – Spieltag für Spieltag. Wodurch er nicht wirklich besser wurde.
Heute wirbt der FC Homburg im Übrigen für „Dr. Theiss“. Laut Selbstauskunft ein „mittelständiges Familienunternehmen“, das sich auf „Produkte im Kosmetik- und Medizinbereich, sowie auf dem Arznei- und Naturheilmittelsektor“ spezialisiert hat. Neben „Allgäuer Latschenkiefer“ vertreibt Dr. Theiss „Mönchspfeffer“. Der soll unter anderem bei Menstruationsbeschwerden helfen – woran heute keiner mehr Anstoß nimmt. Was zeigt, dass nicht immer alles schlechter wird.