Tichys Einblick
„Augsburg“

Zu Augsburg befremdet „Experte“ Pfeiffer mit Old Shatterhand-Vergleich

„Einen Mann mit einem Schlag zu töten – das hat nicht einmal Old Shatterhand geschafft.“ Deutschland – das Land der professionellen und professoralen Verharmloser.

imago images / Joachim Sielski

Der gewaltsame Tod des Augsburger Feuerwehrmanns und Familienvaters Roland S. (49), der nach Auffassung der polizeilichen Ermittler am 6. Dezember 2019 durch einen einzigen Faustschlag eines Siebzehnjährigen mit libanesischer, türkischer und deutscher Staatsangehörigkeit zu Tode kam, lag erst wenige Stunden zurück, da „wusste“ etwa der Bayerische Rundfunk bereits, dass die Todesursache ein „Sturz“ war. Auch Tage danach ringen die Bagatellisierer um die Wette.

Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) schreibt in einem Nachruf, bei dem Tod des Feuerwehrmanns handle es sich um einen „tragischen Vorfall“.

Regionalzeitungen wie Landshuter Zeitung / Straubinger Tagblatt lassen am 11. Dezember 2019 unter der Überschrift „Wird die Jugend krimineller?“ und der Unterüberschrift „Experten sehen das Szenario einer immer gewaltbereiteren Jugend nur als Stimmungsmache – Kriminalität geht zurück“ zwei „Experten“ zu Wort kommen.

„Experte“ Nr. 1: Professor Dr. Christian Pfeiffer (*1944), ehemaliger niedersächsischer Justizminister (2000 bis 2003) und Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen (KIN, 1988 bis 2000, 2003 bis 2015) wird mit den Worten zitiert: „Einen Mann mit einem Schlag zu töten – das hat nicht einmal Old Shatterhand geschafft.“ Selbst die sonst bei solchen Gewaltakten zugeknöpfte „Süddeutsche“ sieht dies anders.

Experte Nr. 2: Johannes Luff vom Bayerischen Landeskriminalamt „mahnt zur Mäßigung“ in der Frage, ob die Jugend heute gewaltbereiter sei: Es sei eher eine Tendenz erkennbar, dass „häufiger als früher Bagatelldelikte (sic!) angezeigt würden“. Er beruft sich dabei auf eine Studie, die zwischen 2002 und 2010 (!) durchgeführt wurde. Zum Fall „Augsburg“ meint er: Der Migrationshintergrund scheine für die Tat keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Die Tatverdächtigen seien in Deutschland sozialisiert worden.

Auch Konstantina Vassliliou-Enz stößt in dieses Horn. Sie ist Geschäftsführerin des „Vereins Neue deutsche Medienmacher*innen“ und meint, es gebe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Herkunft und Taten, andere Interpretationen seien „rassistisch“.

Von den oft irreversiblen Prägungen Heranwachsender durch Macho- und Clan-Strukturen scheinen Johannes Luff und die Medienmacher*in noch nichts gehört zu haben. Es ist immer das gleiche Schema – wie beim Pisa-Test: Wenn Schüler mit Migrationshintergrund schlecht abschneiden, ist nie die Familie, sondern immer die Gesellschaft schuld. Hier sind alle weiteren Interpretationen überflüssig.

Angesichts solcher Ablenkungsmanöver sollte man ein warnendes Wort von CDU-Mann Friedrich Merz freilich gerade bei Gewalttaten nicht aus dem Auge verlieren. Merz hatte sich im Juni 2019 besorgt gezeigt, dass immer mehr Polizisten und Soldaten als Wähler zur AfD tendierten. Man darf gespannt sein, ob das nicht bald auch unter den Angehörigen von Rettungsdiensten wie der Feuerwehr festzustellen ist.

Noch einmal: „Experte“ Pfeiffer

Dass vor allem Christian Pfeiffer stets als Experte herumgereicht wird, ist abenteuerlich. Spätestens nach seinen skandalösen Verirrungen im Zusammenhang mit dem Ertrinkungstod des damals sechsjährige Joseph Kantelberg-Abdullah im Jahr 1997 im Freibad der sächsischen Kleinstadt Sebnitz hätte er sich ein Schweigegelübde auferlegen sollen. Drei Jahre später, im Jahr 2000 nämlich, sagte Josephs Mutter (Apothekerin, SPD-Stadträtin) aus, ihr Sohn sei von rechtsradikalen Jugendlichen betäubt und ertränkt worden. Über 200 Zeugen hätten dieser „Hinrichtung“ zugesehen. Ebenfalls im Jahr 2000 „bestätigte“ ein Gutachten, das im Auftrag Pfeiffers angefertigt wurde, den Ertrinkungstod als Tat von Neonazis – entgegen den Erkenntnissen einer zweifachen Obduktion, bei der man von einem Herzfehler als Todesursache ausging.

Das von Pfeiffer initiierte Gutachten attestierte der Mutter dennoch „Glaubhaftigkeit“. Die BILD-Zeitung und zahlreiche – auch internationale – Medien übernahmen diese Darstellung. Bundeskanzler Gerhard Schröder empfing die Mutter. Pfeiffer wies später alle Anschuldigungen zurück und erklärte, das fragliche Gutachten habe ein Mitarbeiter seines Instituts erstellt.

Die sächsische Stadt Sebnitz hat sich bis heute noch kaum vom Image, sie sei eine Nazi-Hochburg, erholt.

Wie oft Pfeiffer auch sonst danebenliegt, hat TE mehrmals dargestellt, zum Beispiel Alexander Wallasch: „Dieser Kriminologe gehört zu jenen Pseudowissenschaftlern, die Studien nicht für ihre Erkenntnisse machen, sondern nur als Kulisse für ihre ewig gleichen Vorurteile.”

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