Tichys Einblick
Die DDR lebt

Zersetzungsmaßnahmen im Stasi-Stil: Linke gegen Knabe, die CDU macht mit

Offenbar weil er Stasi-Tätigkeiten von Annette Kahane (Amadeu-Antonio-Stiftung) aufdeckte und die Berufung von Stasi-Täter Andrej Holm in das Amt des Staatssekretärs für Stadtentwicklung und Wohnen verhinderte, wurde Hubertus Knabe gefeuert - mit Stasi-Methoden und Hilfe des Kanzleramts. Jetzt werden die Zersetzungmethoden bekannt.

imago images / Christian Ditsch

Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gerät unter Druck, weil er die Parlamentarier in einem Untersuchungsausschuss offensichtlich massiv getäuscht und ihnen wesentliche Unterlagen vorenthalten hat. Welt am Sonntag belegt in ihrer neuesten Ausgabe, welche Dokumente Lederer im Untersuchungsausschuss den Parlamentariern vorenthalten wollte.

Ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses soll, wie berichtet, die merkwürdigen Vorgänge um die Entlassung von Dr. Hubertus Knabe als Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen unter die Lupe nehmen. Der renommierte Historiker und einer der profiliertesten Aufklärer von Stasi- und SED-Machenschaften, Dr. Hubertus Knabe, war von 2000-2018 Direktor der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen und arbeitet das Unrechtsregime der DDR auf. Vor zwei Jahren kündigte ihm Lederer, als Mitarbeiterinnen erklärten, Knabes Stellvertreter habe sie angeblich sexuell belästigt. Knabe hatte wegen der Flurfunk-Berichte bereits im April 2018 Anzeige gegen unbekannt erstattet, als sich die Mitarbeiterinnen gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) beklagt hatten. Die Ermittlungen waren damals jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.

Die Entlassung sei länger vorbereitet worden, berichtete bereits ein Historiker der Stasi-Gedenkstätte gegenüber TE. Der »Hubertus« sei vom rot-rot-grünen Berliner Senat per »Stasi-Zersetzungsmaßnahme« endgültig zum Abschuss freigegeben worden, nachdem er sich auch mit dem damaligen SPD-Justizminister Heiko Maas wegen der Stasi-belasteten neuen »Internet-Stasi« angelegt hatte, jener ominösen Amadeu-Antonio-Stiftung.

Jüngste Eskalationen: Die Zwickmühle, die der Berliner Kultursenator mit seiner verklausulierten Aussagegenehmigung mit juristischen Fallstricken und der Aufforderung der Grünen-Ausschussvorsitzenden zur Aussage bereitete.

Die schwer erträglichen Dokumente der Welt am Sonntag zeigen, wie der linke Berliner Kultursenator Klaus Lederer mit viel Aufwand seit Jahren seine Eskalationskaskade plante, um den ehemaligen Direktor der Gedenkstätte im ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen loszuwerden. Ein Plan sah laut Welt am Sonntag vor: »Herrn Knabe hereinbitten, Beschluss mitteilen, Schreiben überreichen, bitten, bis Mittwoch 11:00 Uhr das Büro zu räumen. Anschließend bis zur Tür begleiten.«

Mit den Mitarbeitern seiner Behörde beriet Lederer immer wieder in Sitzungen teilweise in seinem Büro oder in dem seines Staatssekretärs, wie sie Knabe schaden könnten. Welt am Sonntag zeigt einen am 6. April 2017 verfassten handschriftlichen Vermerk, in dem vier Optionen einer Eskalation aufgeführt werden.

Sie wollten disziplinarisch rechtlich gegen Knabe vorgehen, die Juristen testeten auf neun Seiten alle Möglichkeiten auf, angefangen von Vertragsrüge, Ermahnung, Abmahnung, ordentlicher Kündigung bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatz. Doch Hubertus Knabe verhielt sich rechtlich einwandfrei, sodass in der Behörde keine dieser Maßnahmen als erfolgversprechend angesehen wurde. WamS: »Auch dieses Papier hat Lederers Behörde dem Untersuchungsausschuss nicht zukommen lassen.«

Lederer unterschlug gegenüber dem Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses umfangreiche Unterlagen. Doch die seien für die »unvoreingenommene Bewertung der Vorgänge unerlässlich«, schreibt die WamS weiter. Lederers Behörde legte dem Untersuchungsausschuss am 7. Mai 2020 zwei Aktenordner (»VS – nur für den Dienstgebrauch«) mit einem Umfang von exakt 900 Seiten vor. Erst als ein Anwalt der Zeitung vor dem Berliner Verwaltungsgericht klagte, musste Lederer weitere Unterlagen herausgeben. Er hätte sie nach dem Gesetz über die Informationsfreiheit freiwillig herausgeben müssen.

Im einzelnen dokumentieren die Unterlagen nach Ausführungen der Zeitung, wie Lederer seit langem nach Möglichkeiten suchte, um gegen Knabe vorzugehen. Besonders zwei Vorgänge machten Lederer wütend: Als er seinen langjährigen Bekannten Andrej Holm in das Amt des Staatssekretärs für Stadtentwicklung und Wohnen drücken wollte, veröffentlichte Knabe einen Link zur Kaderakte Holms.

Die zeigte die dubiose Vergangenheit Holms, der laut Kaderakte aus der Klasse »Intelligenz« stammte und am 1.9.1989 noch als Offiziersschüler im Ministerium für Staatssicherheit eingestellt wurde. 1987 wurde er als Jungaktivist ausgezeichnet und wegen »Standhaftigkeit, Mut und Klassenstandpunkt« gelobt. (»Der Kandidat verfügt über einen gefestigten Klassenstandpunkt, der sich mit seiner Aufnahme in die SED bestätigt.«) Holm habe laut Hubertus Knabe nicht nur tatenlos in einer Schreibstube gesessen, sondern sei Mitarbeiter der Auswertung und Kontrollgruppe in der Berliner Senatsverwaltung der Stasi gewesen. In der liefen im Herbst alle Informationen über den Widerstand gegen die SED zusammen.

Mit dieser Veröffentlich wurde verhindert, dass der frühere Stasi-Mann Holm Staatssekretär werden konnte.

Das zweite grobe Vergehen Knabes aus Sicht Klaus Lederers war die Veröffentlichung des Vorlebens von Annetta Kahane, Vorsitzende der dubiosen Amadeu Antonio Stiftung. Die spitzelte von 1974-1982 als inoffizielle Mitarbeiterin »IM Victoria« für die Stasi. »Hiermit erkläre ich mich bereit, auf freiwilliger Basis mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenzuarbeiten. Ich verpflichte mich, mit niemandem über diese Verbindung zu sprechen. Aus Sicherheitsgründen wähle ich mir den Decknamen Victoria.« Sie lieferte der Geheimpolizei der SED Diktatur zahlreiche Berichte über Freunde und Bekannte.

Knabe: »Als hauptamtliche Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung ist sie die bekannteste Aktivistin im Kampf gegen Rechts oder das, was sie dazu erklärt. Zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung hat sie sich in den vergangenen Jahren ein regelrechtes Imperium aufgebaut mit einem Jahresumsatz von über drei Millionen Euro.«

Die Welt am Sonntag-Rechercheure legten Stefan Förster (FDP), Mitglied des Untersuchungsausschusses, die fehlenden Dokumente vor und zitieren ihn empört: »Dieses Material hätte die Senatskulturverwaltung dem Ausschuss zwingend vorlegen müssen.«

Förster: »In diesem Fall versucht ein Senator, den Ausschuss zu täuschen, indem seine Verwaltung Akten nur auszugsweise vorlegt und damit ein falsches Bild von den tatsächlichen Vorgängen zeichnet.« Doch ein Untersuchungsausschuss diene dazu, die Regierung zu kontrollieren. Förster: »Notfalls muss jetzt das Verfassungsgericht ein Machtwort sprechen.«

An der Entlassung von Hubertus Knabe hatte übrigens auch die CDU-Frau Monika Grütters kräftig mitgewirkt. Monika Grütters ist als Staatsministerin direkt der Bundeskanzlerin zugeordnet. Sie nimmt an den Sitzungen des Bundeskabinetts teil.  Als Kulturstaatssekretärin im Bundeskabinett sitzt sie an der Seite Merkels und sprach sich strikt gegen einen Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses aus. Dieser sei »nicht nützlich« für die CDU, zitierte sie der Spiegel.

Bei der Bildung der Berliner RRG-Koalition hatten Linke, SPD und Grüne vereinbart, dass Klaus Lederer die Aufsicht über die Stasi Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen übernehmen sollte. Die SED-Nachfolger beaufsichtigen also, wie die Verbrechen der Mauermörder-Partei dargestellt werden. Den Koalitionären waren die Konflikte zumindest gleichgültig. Es dürfte wohl auf Zustimmung innerhalb der Koalition gestoßen sein, dass die wichtigste Erinnerungsstätte für die Verbrechen des SED-Regimes auf Linie gebracht wurde.

Genau 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wird immer deutlicher, wie SED-Nachfolgetrupps in Regierungsämtern versuchen, ihre Vergangenheit reinzuwaschen und und die Geschichtsschreibung in ihrem Sinne zu verbiegen. Immer noch offen ist die Frage, wo die Milliarden des SED-Vermögens geblieben sind. Gregor Gysi verweigerte bisher jeder Auskunft. SPD und Grüne machen mit, der Bundespräsident hat sich nicht dazu geäußert.

Wie zitierte gerade TE-Autor Georg Gafron den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der übrigens anlässlich der 30-jährigen Wiederkehr der Deutschen Einheit kaum erwähnt wurde? »Noch fünfzig Jahre weiter, dann wird man die Geschichte so verfälscht und umgedeutet haben, dass im Bewusstsein der Menschen ich der Staatschef der DDR gewesen bin und Erich Honecker der Vater der deutschen Einheit, dem es aufgrund des Widerstandes der Bonner Knechte des rheinischen Großkapitals nicht gelungen sei, das humane und wirtschaftlich erfolgreiche Modell des Sozialismus in ganz Deutschland durchzusetzen.«

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