Aus groß wird immer kleiner: BILD am Sonntag büßte 10,8% bei den Abos und im Einzelverkauf ein, BILD sogar 12,3%. Noch 1,4 Millionen verkauft BILD gemeinsam mit dem Ableger Fußball-BILD, etwa ein Drittel seiner früheren Erfolgszahlen; fast 200.000 Leser haben im Vergleich zum 4. Quartal im 1. Quartal dieses Jahres auf den Kauf verzichtet. BamS hat längst die Millionen-Grenze unterschritten. Nach einem neuerlichen Rückgang um 92.909 Abos und Einzelverkäufe ist die Sonntagszeitung nun bei 766.143 Exemplaren angekommen. Das ergibt sich aus dem Vergleich der Auflagenzahlen vom 1. Quartal 2018 zum 4. Quartal 2017, wie sie die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) ermittelt.
Schlechte Zeiten für den Boulevard
Was die Macher tröstet: Bitter sieht es für fast alle Boulevardblätter aus. So büßten die B.Z. und der Berliner Kurier, die Hamburger Morgenpost und der Kölner Express jeweils dramatische 11,6% bis 14,2% der Gesamtauflage ein. Gewonnen hat nur die Münchner TZ des Verlegers Dirk Ippen (der jüngst die Frankfurter Neue Presse und Frankfurter Rundschau aus dem FAZ-Konglomerat herauskaufte). Die TZ fällt inhaltlich auf, weil sie als eine der wenigen Zeitungen sich kritisch mit der Regierung auseinandersetzte und etwa die Positionierung der Messstellen für Luftschadstoffe hinterfragte.
Auch „Qualitätszeitungen“ verlieren
Aber rote Zahlen gibt es nicht nur bei Boulevard-Zeitungen. 2,2 % verloren in den beiden wichtigsten Auflagenkategorien, den per Abo oder am Kiosk verkauften Exemplaren laut IVW die Süddeutsche und 2 % die Frankfurter Allgemeine; hier verlangsamt sich der Abwärtstrend. Die Welt traf es mit roten 8,5%. Unter Qualitätszeitung wird auch das Neue Deutschland gezählt, das Klassenkampfblatt der LINKEN – Minus 7,1%. Verkaufte Auflage also gerade noch 23.372 Blättchen: Links ist Ebbe. Ebenso in dieser Kategorie die taz; früher mal frisch und munter, heute nur noch graugrün. Für sie wird aus dem Pflegeheim der Auflagenstatistik ein Minus von 0,8 Prozent gemeldet; notorisch zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. DER SPIEGEL meldet 3 Prozent Minus. Der Abstieg der ZEIT, lange ein beneidetes Blatt mit steigender Auflage, ist jetzt mit einem Verlust von 2,9 Prozent deutlich sichtbar in der Verliererzone und verdient genauere Betrachtung. Bei der WamS sind es minus 5,6%, deren Wettbewerber Junge Freiheit ist nach früheren Gewinnen diesmal stabil. Der Springer-Verlag offeriert methodisch solide Zahlen. Er ist der einzige Verlag, der mit Erfolg ins Digitale Zeitalter fährt und mit wirklich neuen digitalen Produkten Erfolg hat. Deshalb fummelt er nicht mit e-Papers herum, einer Zeitungsform aus dem digitalen Zeitalter.
Ein kurzer Blick in Details, noch mehr Zahlen, ohne geht es nicht: DIE ZEIT hat innerhalb von nur 3 Monaten rund 20 Prozent seiner Kiosk-Auflage verloren; von 73.902 rauschte es hinab auf 59.076. Dieser Verlust übertrifft sogar die notorisch schwächelnden Boulevard-Zeitungen. Ursache und Wirkung lassen sich schwer trennen: Ist es der immer schrillere rotgrüne Belehrungs-Ton des Blattes, seine immer grellere Aufmachung, die den Auflagenverlust verursacht – oder ist diese Verschärfung der redaktionellen Linie der hilflose Versuch, den Verfall zu stoppen? Jedenfalls hat die fragwürdige Kampagne gegen den Erfolgsregisseur Dieter Wedel kein Auflagenplus gebracht, im Gegenteil: Mit #Metoo reiht sich DIE ZEIT, die lange Jahre ihre Auflage steigern konnte, ganz vorne bei den Verlierern ein.
Der „Erfolg“ des Handelsblattes
Eine steigende Auflagen meldet erneut das Handelsblatt. Was ist da wohl das Erfolgsrezept? Der Erfolg des Handelsblatt beruht im Wesentlichen auf dem sogenannten E-Paper, der Zeitung auf dem PC. Das klingt modern. Aber: „Der gemeldete Erfolg hat nichts mit der guten alten gedruckten Auflage zu tun. Er ist fast ausnahmslos auf zusätzlich verkaufte E-Paper-Exemplare zurückzuführen“, schreibt ein Fachmagazin zu dieser Angebotsform. „Wollen sie, dass ihre E-Paper-Exemplare in den Auflagenzahlen der IVW eine Rolle spielen, müssen diese zu 100 % der gedruckten Ausgabe entsprechen. Viel Spielraum für geräteoptimierte, lesefreundliche Ausgaben bleibt da nicht. Insofern ist ein Großteil der E-Paper-Publikationen oft eine Zumutung für die Nutzer bzw. Leser. Dennoch steigt die E-Paper-Auflage weiter. Den größten Zuwachs verzeichnen dabei die Auflagenkategorien „Abonnement und Sonstiger Verkauf“. „
Das duftet nach Erfolg made bei Handelsblatt. Wenn da nicht die Sache mit den E-Papers wäre, offenbar ein heikles Thema, in dessen Zusammenhang sich das Handelsblatt zuletzt sogar veranlasst sah, ein gerichtliches Verfahren gegen TE anzustrengen. Aber Zahlen sind so unerbittlich, auch für eine Wirtschaftszeitung mit schwindender Substanz auf dem Lesermarkt verkaufter, gedruckter Zeitungen: Denn von den rund 85.981 HB-Abos sind bereits rund 42.198 E-Papers. Nur noch 43.783 Papier-Abos zählt die Statistik. Zusammen mit den um zwei Stück gestiegenen Kiosk-Verkäufen also weniger als 50.000 klassische Zeitungen auf Papier, die noch verkauft werden können. Das klingt modern, digital gewissermaßen – aber ist problematisch, insbesondere in den Dimensionen, um die es hier geht:
Auf die Gesamtauflage (einschließlich der „sonstigen Auflage“, die ganz oder teilweise zu niedrigen oder gar keinem Preis verteilt wird) des Handelsblatts entfallen bei 130.864 Exemplaren sogar rund 52.022 auf die fragwürdigen E-Papers. In die Gesamtauflage gehen, wie das Landgericht Hamburg in einem der Verfahren zwischen Handelsblatt und TE feststellt, auch „Doppelabos“ ein. Denn viele Leser entscheiden sich für ein kombiniertes Abonnement und erhalten die Zeitung in der Folge doppelt: Einmal im Briefkasten und einmal auf dem PC. Und diese Leser tauchen in der Statistik zwei mal auf: Einmal in der Kategorie „Abonnement“ und einmal in der Kategorie „Sonstiger Verkauf“; alle unterschiedlichen Verkaufskategorien zusammen ergeben dann den „Gesamtverkauf“. Genau genommen wird damit jedoch kein zusätzlicher Leser gewonnen, wie ein oberflächlicher Blick suggerieren könnte: Sondern der bisherige Leser hat die Zeitung zwei mal – einmal auf Papier und dann noch einmal elektronisch. Es ist aber ein und derselbe Leser, nicht zwei; und er liest das Handelsblatt auch nur einmal, nicht zweimal. Die Auflage ist damit zumindest teilweise eine fiktive.
So wird das Minus am Kiosk zum Plus in der Statistik. Der Umgang mit e-papers wird aber von der Werbeindustrie kritisch gesehen. Denn sie ist an der tatsächlich erreichten Kundschaft interessiert, nicht an statistischen Lesern.
Werbeagenturen sind längst mißtrauisch
Das E-Paper hat einen großen Nachteil, den die Werbeindustrie längst erkannt hat: Wenn es nur die Zweit-Zeitung zum Papier ist, dann ist ja der Leserkreis keineswegs so groß, wie die Auflagenstatistik suggeriert. „Nachhaltig ist diese Praxis und die dadurch initiierte Entwicklung jedoch nicht. Und deshalb auch mit Vorsicht zu genießen. Weder weiß man bisher ob und wenn ja, in welchem Ausmaß E-Paper-Exemplare tatsächlich gelesen werden, noch werden sich Erfolgsstorys dieser Art auf Dauer halten können“, so das oben zitierte Fachblatt, und weiter: „Bei E-Papern werden die Zugriffsrechte als Verbreitungswert gezählt. Das Zugriffsrecht entspricht jedoch nicht dem Download bzw. der Nutzung. Letzteres wird bisher eben nicht geprüft. Eine Aussage zur Werbeträgerleistung von E-Papern kann deshalb unserer Einschätzung nach nur bedingt getroffen werden.“
Also wird die Werbung im E-Paper von den Agenturen nicht mehr voll bezahlt. Es sind ja nicht zwei Leser, sondern nur einer. Für die Werbeagenturen aber zählt die Zahl der Leser, nicht eine Auflagenform, die ungenutzt bleibt.
Das ist der Grund, warum die Anzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften mit großer E-Paper-Auflage trotzdem nicht in diesem Umfang steigen – hinter großen Zahlen steckt aus Sicht der Agenturen oft nur heiße Luft. Es kommt auf wirklich zusätzliche Leser an, die durch den Kaufakt gezeigte Wertschätzung mit dem Medium, die auf die Anzeigen abstrahlen soll, auf die zusätzliche faktische Nutzung.