Die Ergebnisse der Landtagswahlen sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn sie von den ergrünten Medienschaffenden und den Allerweltserklärern in den Parteizentralen überhört wird. Soviel ist sicher: die Bundesrepublik segelt in unruhige Gewässer. Am Horizont droht eine Euro-Krise mit der Kraft eines Währungstsunamis und die Rezession ist kein Schreckgespenst, das von bösen Angstmachern an die Wand gemalt wird, sondern Ökonomen vermögen ihre Vorboten bereits zu messen. In der Finanzindustrie, in den Banken, in den Fonds, in den Versicherungen wissen die Klügeren längst, dass die drohende Euro-Krise keine Erfindung von Verschwörungstheoretikern oder politisch interessierten Panikmachern ist, sondern das Zeug hat, eine Weltfinanzkrise auszulösen. Mag es hierzulande an der Oberfläche noch ruhig aussehen, so toben bereits seismische Stürme.
Ein genauer Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg und in Sachsen spiegelt diese Situation wieder. Die etablierten Parteien delirieren über die Wirklichkeit hinweg und wirken seltsam alt, abgelebt, wirklichkeitsfern, während die einzigen, im wirklichen Sinne Oppositionsparteien, die FDP und die AfD, sich entweder an der Symptombehandlung abarbeiten oder politischen Gewinn aus ihr ziehen. Die wirkliche Dimension der Umbrüche verdrängt die Politik aus unterschiedlichen Gründen. Genau das aber zeigen die Wahlergebnisse, eine Unentschlossenheit zwischen Verdrängung, Beharrung, Trotz, Protest und dem Gespür, dass diejenigen, die das Landesschiff steuern wollen, womöglich über keine nautische Ausbildung verfügen.
In Brandenburg schleppt sich eine verbrauchte SPD noch einmal als erste über die Ziellinie. Diesen Sieg verdanken die Sozialdemokraten den Christdemokraten. Vielleicht lässt Dietmar Woidke seinen besten Wahlhelfer dafür zum Dank mitregieren.
Öffentlich liebäugelte Senftleben mit einer Koalition mit den Linken, sein Wahlprogramm, das zu recht Bildung in den Mittelpunkt stellen wollte, missverstand Bildung allerdings als schulpolitische Beglückung. Den Grünen diente sich Senftleben an, als er Fridays for future hinterherhechelte – und das in einem Land, in dem die Braunkohleförderung- und verstromung wirtschaftlich relevant ist. Gerade im Süden und im Osten Brandenburgs holte die AfD einen Wahlkreis nach dem anderen. Dass der Mann, der Ministerpräsident von Brandenburg werden wollte, nicht nach Jänschwalde gegangen ist und sich an die Seite der Arbeitnehmer gestellt hat, die dank der Aktivitäten der von den Grünen unterstützten DUH von Arbeitslosigkeit bedroht werden, bleibt sein Rätsel. Der Spitzenkandidat der CDU hat im Wahlkampf nicht den Eindruck vermittelt, dass es ihm um Brandenburg geht, sondern allein um sich. Der große Verlierer der Landtagswahl in Brandenburg ist folglich die CDU.
Aus dieser Niederlage könnte jedoch für die CDU noch ein Sieg erwachsen, wenn sie eine schonungslose innerparteiliche Debatte führt, einen konsequenten Kurs der Erneuerung startet, eine neue Parteiführung wählt und als echte Opposition im Landtag die Arbeit aufnimmt. Danach sieht es jedoch nicht aus. Sicher werden die Ergebnisse diskutiert werden, ohne dass man sich in der Partei zu Änderungen durchringt. So bleiben für die CDU nur eine schlimme und eine schlimmere Perspektive. Schlimm wird es für die Landespartei, wenn sie weiter in der Opposition vor sich hin treibt, ohne Akzente zu setzen, ohne die Regierung in Bedrängnis zu bringen und sich als einzige Opposition die AfD im Landtag profiliert, schlimmer jedoch, wenn sie in die Regierung eintritt, sich für zwei, drei Ministerposten zum Erfüllungsgehilfen der Sozialdemokraten und der Grünen macht.
Wie in Brandenburg wollen die Grünen auch in Sachsen den sofortigen Kohleausstieg durchsetzen. Obwohl Michael Kretzschmer trotz erheblicher Verluste ein Wahlsieg gelang, sieht es momentan danach aus, dass dieser Wahlsieg zu einer Regierungsniederlage werden könnte. Eine Koalition mit der AfD, die wie in Brandenburg auch in Sachsen zweitstärkster Kraft geworden ist, in beiden Ländern weit über 20 %, hat Kretzschmer ausgeschlossen, eine Minderheitsregierung lehnt er ab. So hat er sich ohne Not im Vorfeld auf einen Koalition mit der SPD und den Grünen festgelegt. Die Grünen haben umgehend reagiert. Ihr Parteivorsitzender Robert Habeck erklärte im Fernsehen unmittelbar nach den ersten Hochrechnungen, dass sich die sächsische CDU ändern müsse, sollen die Grünen sich bereit finden, in die Regierung einzutreten. Heißt im Klartext, dass die Grünen einen aberwitzig hohen politischen Preis verlangen. Die 8%-Partei wird der mit 30 % die Bedingungen der Zusammenarbeit diktieren. Kretzschmer hat sich jeder Möglichkeit beraubt, das Ultimatum der Grünen abzulehnen.
Ob die sächsische CDU ihm hierin folgen wird, ob die Christdemokraten im Freistaat sich nach den Habeckschen Vorgaben „ändern“ wollen, wird man sehen. Geht die CDU in eine Kenia-Koalition, werden sich nicht wenige CDU-Wähler betrogen sehen. Dabei ist nicht einmal gesagt, dass diese Koalition hält. Sollte sich die AfD auf juristischem Weg durchsetzen, dass wegen der Verzerrung des Wählerwillens Neuwahlen angesetzt werden müssen, bekommt die CDU die Rechnung für diese Koalition eher präsentiert – und der Wahlsieg vom Sonntag würde zu einem flüchtigen Traum, der schnell vergeht. Zumindest kann ein Verfassungsgericht in dem Fakt, dass durch die willkürliche Begrenzung der Wahlliste der AfD durch den Landeswahlausschuss die Partei einen Abgeordneten weniger in den Landtag schicken darf, eine Verzerrung des Wählerwillens sehen.
Es gilt, wer mit den Grünen auf Regierungsebene zusammenarbeitet, wer ihnen ideologisch hinterher läuft, kräftigt die Grünen und die AfD und wird selbst schwach. Ein Blick auf die Entwicklung der SPD belegt das.
Für Sachsen wäre es am besten, wenn die CDU eine Minderheitsregierung bilden würde. Kretzschmers politisches Temperament befähigt ihn sogar, diesen Kurs zu steuern. Es ist der einzige, der zum Erfolg führt.
Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD wird man unter demokratischen Bedingungen nicht durchhalten können, denn die Partei ist in Ostdeutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie ist eben nicht nur Protestpartei, sondern ihre Aufgabe besteht darin, die bürgerlichen Positionen, die von der CDU aufgegeben worden sind, zu vertreten. Ob ihr das freilich gelingt, ob sie das will, wird man sehen.
An ihrem Wahlerfolg kann man auch ablesen, wie sehr der Einfluss der sogenannten Leitmedien und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen sinkt. Die Runde der Generalsekretäre in der ARD wirkte gespenstisch. Eine sichtlich überforderte Moderatorin agierte als Stichwortgeber für Generalsekretäre, die weit weg von der Wirklichkeit ein wenig lustlos, als würden sie sich selbst zitieren, routiniert ihre Sprechzettel abarbeiteten. Um eine Berührung mit der Wirklichkeit bemühten sich lediglich die Vertreter der AfD und der FDP.
Vielleicht unterscheidet sich der Osten vom Westen darin, dass man hier ein feineres, ein genaueres Gespür dafür besitzt, wenn die Politik die Wirklichkeit aus dem Blick verliert.