Tichys Einblick
Beschwerdebrief an Chefredakteurin Schausten

Wenn das ZDF Ungarns Botschafter „framen“ will – und der sich wehrt

Das Narrativ ist bekannt: Ungarn, das undemokratische Land, das zur Hypothek der EU- und Ukraine-Politik geworden ist. Die Erklärungen des ungarischen Botschafters zum Standpunkt Budapests werden ausgeblendet. Der beschwert sich bei der Chefredakteurin.

Screenprint: ZDF / Berlin direkt

Bekanntlich ist „Framing“ bei der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie alles. Spätestens, als ein internes Dokument an die Öffentlichkeit geriet, das als berüchtigtes „Framing manual“ dazu riet, wie man bestimmte Sachverhalte „einordnen“ sollte, hatten ARD und ZDF ihren Ruf weg. „Framing“ funktioniert vor allem dann, wenn eine mediale Oberhoheit so groß ist, dass man die Informationen einhegen kann. Die übermächtige ÖRR-Information ist dann die bestimmende, weil sie weit verbreitet ist und keine andere in dieser Massenfrequenz dagegengehalten werden kann.

Ein solches System funktioniert insbesondere dann, wenn es etwa keinen Abgleich mit dem Ausland gibt, weil der Zugang zu Auslandsnachrichten meistens über den Umweg des Apparates selbst kommt. Das ist ein System, das vielleicht in den 1970ern funktionierte, aber angesichts von Abgleichmöglichkeiten des Internets mit ein paar wenigen Klicks erodiert. Und es ist ein System, das anfällig ist, wenn Betroffene, die früher durch Ignoranz totgeschwiegen werden konnten, plötzlich anderweitige Verbreitung finden. Das betrifft nicht nur einfache Leute – sondern auch mal den Botschafter eines fremden Landes.

Ungarn ist bekanntlich eines der Länder, das in Deutschland seit Jahren mit negativem Unterton konnotiert wird. Wie vorbildliche Demokratie aussieht, sieht man derzeit in Polen: Deutsche Medien sind voll brennender Liebe für den Medienputsch im Nachbarland, bringt doch die autoritäre Umbesetzung endlich die Demokratie. Man könnte auf den häretischen Gedanken verfallen, dass in Polen vorher nicht alles schlecht gewesen sein kann, wenn die von den deutschen Medien so befeuerten politischen Kräfte überhaupt die Chance hatten, bei einer demokratischen Wahl einen friedlichen Regierungswechsel herbeizuführen, aber Narrative sollen nichts abbilden, sondern sie sollen propagieren.

Dass die hiesigen Medien nicht nur den fragwürdigen Vorgang in Warschau begrüßen, sondern genau jene politische Befangenheit besitzen, die sie anderen vorwerfen, zeigt ein Brief des ungarischen Botschafters Péter Györkös von dieser Woche. Er hatte dem ZDF-Magazin „Berlin direkt“ ein Interview für die Sendung vom 17. Dezember gegeben. Es liegt TE in vollständiger Fassung vor und umfasst anderthalb Seiten. Insgesamt stellt das ZDF fünf Fragen an den Botschafter, die er sehr detailliert beantwortet. Zitat aus dem Brief:

Aus diesem Interview wurden de facto nur zwei Sätze herausgenommen. Sie unterstützen das „Framing“ des ZDF, dass Ungarn ein Sicherheitsrisiko für Europa darstelle – so der Vorwurf des Botschafters, der nicht nur falsch zitiert, sondern dessen Aussage zusammenhanglos abgebildet wird und damit radikaler erscheint, als er war. So jedenfalls beklagt sich Györkös in einem Brief an die Chefredakteurin Bettina Schausten. Es ist übrigens nicht das erste Mal, denn schon Peter Frey und Thomas Bellut bekamen aus ähnlichen Gründen von Györkös Post.

In seinem neuen Brief stellt Györkös nicht nur detailreich die Gegenposition Ungarns dar, die in dem fertigen Einspieler ausgeblendet worden sei. Er verweist auch darauf, dass Deutschland mit seiner Einwanderungspolitik selbst ein Sicherheitsrisiko für Europa sei. Ebenso würde Ungarn „ohne haushaltspolitische Tricksereien“ das 2-Prozent-Ziel der Nato anvisieren.

Der Fall wirft nicht nur ein besonderes Licht auf die deutsche Berichterstattung, gerade in dieser brisanten Zeit der „Medienveränderung“ im Nachbarland Polen und der Position der deutschen Medien dazu. Es gehört schon eine ordentliche Portion Arroganz dazu, einen offiziellen Vertreter eines anderen Landes dezidiert in die Position zu rücken, die man braucht, um das eigene „Framing“ aufrechtzuerhalten. Im Zweifel reicht die deutsche Übergriffigkeit bis in ungarische Botschaften herein. Alles dafür, damit das Bild von Ungarn auch das bleibt, wie es deutsche Zuschauer zu rezipieren haben. Müßig hinzuzufügen: Dieser Vorgang gilt nicht nur für Ungarn.

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