Tichys Einblick
HANDBALL-BUNDESLIGA

Zahlreiche Handball-Clubs stehen durch Corona finanziell am Abgrund

Die Handball-Bundesliga beginnt wieder mit dem Spielbetrieb. Aber wenn nicht bald alle Plätze in den Arenen für Zuschauer freigegeben werden können, droht der Mehrzahl der 20 Clubs am Ende des Jahres das Aus.

imago images / Hartmut Bösener

Nach 211 Tagen ging am 1. Oktober Zeit ohne Handball-Bundesliga zu Ende. Die – nach eigenen Angaben – stärkste Liga der Welt (vollständiger Name nach dem Hauptsponsor Liqui Moly Handball-Bundesliga) öffnet wieder ihre Tore. Am vergangenen Samstag sahen ein wenig mehr als 2.600 Fans im Düsseldorfer ISS Dome das Supercup-Endspiel zwischen Meister THW Kiel und Vizemeister SG Flensburg-Handewitt und bekamen eine Vorgeschmack auf das, was ab Donnerstag auf alle Vereine der Liga zukommt. Nur 20 Prozent der Plätze dürfen besetzt werden, alle Tickets sind personalisiert, es herrscht absolutes Alkoholverbot. Letztere zwei Punkte sind im Handball-Business kein Problem, doch die geringe Auslastung der Arenen sorgt für großes Kopfzerbrechen. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Zuschauereinnahmen mehr als 70 Prozent des Gesamtbudgets ausmachen, (bei König Fußball  sind das nur ca. 15 Prozent der gesamten Einnahmen). Seit dem Lockdown im März gab es also kaum Einnahmen mehr, die Sponsorengelder fließen nur dank der Live-Übertragungen durch den Spartensender Sky Deutschland.

Immer wieder sickert durch, dass die Politik in den kommenden Monaten die Zulassung bei Sportveranstaltungen von 20 auf 30 oder gar 40 Prozent steigern möchte, macht dies aber logischerweise von der Pandemie und deren Verlauf abhängig. Planungssicherheit sieht anders aus. Schon jetzt haben gerade die kleinen Clubs wie Ludwigshafen, Balingen-Weilstetten, Coburg oder auch Nordhorn-Lingen Alarm geschlagen. Ihre Hallen haben geringe Kapazitäten, nur kaum mehr als 500 Zuschauer könnten die Spiele ihrer Teams verfolgen. Bei Budgets zwischen zwei und vier Millionen Euro und den prognostizierten Mindereinnahmen könne der Spielbetrieb auf diesem Niveau nur bis Ende des Jahres aufrecht erhalten werden.

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Einen Plan B haben die HBL und deren Geschäftsführer Frank Bohmann nicht auf der Platte. Zahlreiche Handball-Experten sagen jetzt schon voraus: Sollte die Bundesliga aufgrund von wirtschaftlichen Gründen ins Stocken geraten, hätte dies massiven Einfluß auf die Nationalmannschaft und deren Abschneiden bei der Weltmeisterschaft im Januar 2021 in Ägypten. Einen ersten Vorgeschmack auf das Worst Case Szenario liefern jetzt schon die eigentlich finanziell gut dastehenden Rhein-Neckar Löwen. Sie müssen sowohl das erste Europapokalspiel als auch das erste Ligaspiel ohne Zuschauer bestreiten, weil sie keine Zeit hatten, das Hygienekonzept an die derzeit maximal mögliche 20-Prozent-Auslastung der SAP Arena anzupassen.
Keine Absteiger, zwei Aufsteiger

Nebst dieser ganzen Probleme kommt auch noch hinzu, dass die Bundesliga von 18 auf 20 Teams aufgestockt werden musste. Aufgrund der Pandemie gab es in der abgelaufenen, abgebrochenen Saison keine Absteiger und die TuSEM Essen und der HSC 2000 Coburg rückten aus Liga zwei nach. Will heißen: 380 Liga-Spiele bis Juni 2021 plus Handball WM, Champions League und EHF-Cup. Jedes Team agiert fortan im Drei-Tages-Rhythmus inklusive Reisen, Corona-Tests und Spielen. Die Rechnung geht bald nicht mehr auf, falls die Zuschauer weiterhin in dieser Art fernbleiben müssen. Doch die Vereine wollten es so, denn durch die mehr als sechsmonatige Pause hat die öffentliche Wahrnehmung immens gelitten.

Es ist ein Teufelskreis. Zum einen können es sich die Clubs nicht leisten, zu spielen und zum anderen müssen sie spielen, um die Sponsoren- und TV-Gelder in dieser Größenordnung zu kassieren.

Der THW Kiel ist der Top-Favorit

Trotz der großen Sorgen bei den Clubs hat man im sportlichen Bereich wieder dafür gesorgt, dass die Handball-Bundesliga nicht langweilig wird. Die Clubs, die gegen den Abstieg spielen werden, haben sich intelligent auf den Schlüsselpositionen verstärkt und von den Vereinen, denen es wirtschaftlich noch schlechter geht, Spieler loseisen können. Die “üblichen Verdächtigen”, die um den Titel spielen und spielen wollen, konnten ihre Leistungsträger halten. Nur der THW Kiel, amtierender Meister, hat auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Schon vor Ausbruch der Pandemie wurde bekannt, dass Sander Sagosen von Paris St. Germain in die Sparkassen-Arena wechseln wird. Der 25-jährige Norweger gilt als der beste Handballer der Welt und hat schon im Supercup gegen den Erzrivalen Flensburg-Handewitt mit sieben Toren gezeigt, dass er Partien im Alleingang entscheiden kann. So gehen die Zebras als Top-Favoriten in eine Saison, deren Ausgang noch ungewiss ist und am seidenen Faden hängt.

Vom Handballstart profitieren das Eishockey und der Volleyball

Wenn am Donnerstag die Handball Bundesliga ihre 20-Prozent-Tore öffnet, dann werden die Vertreter der Eishockeyliga DEL und der Basketball-Liga BBL genau hinschauen und die nächsten Tage und Wochen verfolgen. Sie werden die Auswirkungen bei den Spielen analysieren und ihre Schlussfolgerungen für die Startschüsse ihrer Topligen ziehen. Sie haben nämlich alle das gleiche Problem: Zahlreiche Spiele, wenig Fans und wirtschaftliche Bedenken, ob der Profisport unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch einen Sinn macht. Der Fußball hat den anderen Sportarten seit Jahrzehnten den Rang abgelaufen. Der deutsche Handball und seine Vereine werden schon längst ein Lied davon singen und hoffen, dass die Pandemie bald eingedämmt werden kann. Sonst nutzt es auch nichts mehr, dass der beste Handballer der Welt beim THW Kiel unter Vertrag steht.

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