Millionenfach wurde es aufgerufen, es brachte fast eine ausgewachsene Parteienlandschaft ins Wanken und hat auch dem letzten älteren, weißen Parteimitglied die Bedeutung von YouTube klargemacht. Gelernt haben sie weiterhin, dass Influencer nichts mit Influenza zu tun haben, aber ähnliche Reaktionen auslösen können.
In dem Video »Zerstörung der CDU« rechnete YouTuber Rezo knapp vor der EU-Wahl mit der deutschen Parteienlandschaft ab. Und das auf eine Weise, dass sich eine mit dem Neuland Internet noch nicht so vertraute Parteivorsitzende zu wüsten Drohungen hinreissen ließ. Den Bengels müsste man doch dieses moderne Zeugs verbieten. Die jedoch legten – nicht faul – nach und behaupteten in Sachen „Klimaschutz“: »Es geht um die unwiderlegbare Notwendigkeit, alles dafür zu tun, den Kurs so schnell wie möglich drastisch zu verändern.«
Das „Statement“-Video versetzte Heerscharen schulisch informierter Heranwachsender noch einmal zusätzlich in Klimapanik. Fortan verabscheuten sie CDU und SPD, weil die angeblich zu wenig für die Rettung des Planeten getan hätten. Fast vier Millionen Aufrufe bekam das Video bis heute.
Doch selbst nehmen die YouTuber ihre Panikmache nicht ernst und tun das, was viele tun: Wasser predigen und Wein trinken. Sie steigen in ein Flugzeug, wenn sie verreisen möchten. BILD hat in einer sehr ordentlichen Recherche die Social-Media-Profile der Akteure verfolgt und nachgerechnet, wie oft die Helden der Klimapanik geflogen sind.
Das Ergebnis überrascht nicht wirklich. BILD stellte fest: »Im Monat nach ihrem Video-Aufruf sind acht der 32 im Rezo-Video zu sehenden YouTuber privat und beruflich ins Flugzeug gestiegen, legten mit gut 77.000 Kilometern eine Strecke zurück, die fast dem zweifachen Erdumfang entspricht und haben dabei 23.470 Kilogramm CO2 mitverursacht.«
»Neben den 32 YouTubern, die im Video zu Wort kommen, haben noch 59 weitere den Öko-Aufruf unterstützt. Nimmt man alle 91 YouTuber zusammen, kommt man sogar auf eine Strecke von mehr als 200.000 Kilometer – mehr als fünfmal um die Welt!«
BILD fragte auch bei allen acht fliegenden YouTubern nach, wie sie denn ihre Klimaverschmutzungen rechtfertigen. Eine Jodie Calussi (bürgerlicher Name Jodie S. Mair), die seit dem Rezo-Video einmal nach Japan und zu einem weiteren Ziel flog, sagte zu BILD: »Beide Flüge, die ich seitdem nehmen musste, waren beruflich und wichtige Termine, die ich wahrnehmen musste. Leider konnte keiner der beiden Strecken mit dem Zug bewältigt werden.«
Für den Rest des Jahres, quengelte Calussi, sei aber »nur noch ein Flug geplant, dieser geht auf ein Schiff, das Plastik aus dem Meer fischt und ich werde es besuchen, um es einer größeren Zielgruppe zu präsentieren und Spenden zu sammeln.«
Ein Sprecher von „Rewi“ (bürgerlicher Name Sebastian Meyer), der seit dem 24. Mai unter anderem beruflich in Tokio war, sagte zu BILD:
»Sebastian ist seit dem Video auf zwei Geschäftsreisen gewesen, die es von ihm verlangt haben zu fliegen. Italien und Japan. Vor allem nach Japan gibt es keinen anderen zumutbaren Weg als das Flugzeug.«
Fliegen sei „Teil seines Jobs“. Trotzdem achte sein Management darauf, »innerdeutsche Reisen, wie seit dem Video z.B. nach Hannover oder Frankfurt, mit dem Zug zu buchen«. Dies sei aber vor allem auf der »beliebten Strecke« Berlin – Köln »zeitlich nicht immer umsetzbar«.
Ein Sprecher von Toni Prosa (bürgerlicher Name Antonio Prosa) erklärte gegenüber BILD, der YouTuber sei nach Mallorca in seinen »ersten Urlaub seit zweieinhalb Jahren« geflogen. Der Sprecher weiter: „Inseln sind leider schwer mit anderen Mitteln erreichbar, zumindest für einen ähnlichen finanziellen und zeitlichen Aufwand.“
YouTuberin Diana zur Löwen gegenüber BILD: »Ich muss beruflich viel reisen, bin aber natürlich auch eine junge Frau, die neue Erfahrungen machen möchte. Wenn man solche Once-in-a-lifetime-opportunities bekommt, wie David Guetta zu treffen (wie Ende Juni auf Ibiza, d.Red.), sollte man sie auch wahrnehmen.« Generell sei sie jedoch »sehr umweltbewusst« und engagiere sich bereits Anfang Juli wieder politisch im französischen Straßburg.
Kritik an dem Verhalten der Rezo-YouTuber übten auch YouTuber. „Alexi Bexi“, der selbst in dem Rezo-Video am 24. Mai auftrat, veröffentlichte am 9. Juni ein eigenes Video mit dem Titel »Die Doppelmoral der YouTuber«. Darin sagt er unter anderem, die YouTuber »sollten nicht Wasser predigen und Wein saufen«.
Sie retten also nicht die Welt, sondern jetten um sie herum und pumpen sie zusätzlich kräftig mit dem bösen CO2 voll. Sie selbst sind zudem verantwortlich für einen der größten Klimakiller, das Internet. Denn: Googeln schadet der Umwelt. Allein jede kleine Abfrage verbrauche so viel Strom wie eine Energiesparlampe in einer Stunde, berichtete einmal die New York Times. Zu viel, sagte Google und präsentierte seinerseits die Zahl von 0,3 Wattstunden pro Suchanfrage. Was stimmt, lässt sich nicht so leicht einschätzen. Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.
Schon 2020 sollen Internetanwendungen für ein Fünftel des Stromverbrauches in Deutschland verantwortlich sein. Und 2030 soll das WWW so viel Strom verbrauchen wie heute die Weltbevölkerung, haben Fachleute der TU Dresden ausgerechnet.
Abends Videos unserer YouTuber ansehen, lässt in jedem Fall Datenraten in die Höhe schnellen und den Stromverbrauch drastisch ansteigen. Allein in Frankfurt fließen 20 Prozent des Stromverbrauches in Rechenzentren. Dort ist der Energiebedarf der Rechenzentren größer als der des internationalen Flughafens.
In Deutschland sollen Computer, Smartphones und IT für rund 33 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich sein. So viel stößt der deutsche Flugverkehr im Jahr aus. Allein mit ihren Handys sorgen unsere YouTuber für eine erhebliche CO2-Produktion. Schon die regelmäßige Synchronisation von Apps – all das kostet Strom – und letztlich CO2.
Unsere (Möchtegern) weltrettenden, weltjettenden YouTuber laden ihre Videos auf die Server von YouTube. Die haben einen riesigen Stromhunger, laufen rund um die Uhr und benötigen auch für die Kühlung Unmengen an Strom. Weltweit seien 25 Kernkraftwerke notwendig, um den Internet-Betrieb aufrecht zu erhalten, hat einmal Greenpeace ausgerechnet.
Tobias Müller hat versucht, den Stromverbrauch aller Smartphones in der EU zu überschlagen: »Bei einer durchschnittlichen Akkukapazität von 10,91 Wattstunden, täglicher Ladung und insgesamt 344.186.570 Smartphones in der EU, kommt man auf einen jährlichen Stromverbrauch von 1.330.062.550 Kilowattstunden. Umgerechnet auf den Brennwert von Steinkohle entspricht der Stromverbrauch aller Smartphones in der EU 163.398.348 Kilogramm Steinkohle.« 4.084 Lastwagen wären notwendig, um diese Menge zu transportieren, eine LKW-Schlange von ungefähr 67 Kilometer Länge.
Eine ZDF-Faktencheckerin zitiert gar Lotfi Belkir. Der ist Forscher an der W. Booth School of Engineering Practice and Technology in Kanada und will herausgefunden haben, dass die Emissionen bei Produktion und Gebrauch der Smartphones deutlich höher seien als bislang vermutet. »Wenn das so weitergeht, wird diese Branche im Jahr 2040 für 14 Prozent aller Emissionen verantwortlich sein«, sagt Belkhir. Das entspräche der Hälfte dessen, was der Verkehr weltweit verursache. Oje – also Reisen oder Whatsappen?
Eigentlich müssten unsere klimarettenden, klimajettenden Youtuber Smartphones, Videokameras und Rechner abschalten, nähmen sie selbst ernst, was sie sagen. Sofort, denn es kann ihnen ja nicht schnell genug gehen. Auch die Gaming-PCs müßten sofort ausgeschaltet werden. Allein für eine durchschnittliche Grafikkarte, mit der ein ordentliches Computerspiel reibungslos funktioniert, muss das Netzteil des Rechners satte 650 Watt Leistung bereitstellen. Damit kann man schon mal Kaffeewasser kochen.