1. Die schmuseweiche Oppositonswolke
In früheren Jahren war die Haushaltsdebatte die große Abrechnung der Opposition mit der Regierung. Dieses Jahr ist alles anders. Die Opposition, zahlenmäßig ohnehin schwach, wagt gar nicht mehr, die Bundesregierung zu kritisieren. Noch nie stand eine Opposition so brav hinter der Regierung wie in der Flüchtlingskrise. Opposition ist, wenn diese die Kanzlerin vor den spärlichen Kritikern in den eigenen Reihen in Schutz nimmt und so inbrünstig lobt wie der putzige Grünen-Chef Toni Hofreiter, dass sie im „Sperrfeuer“ standhält.
Sperrfeuer? Seit wann ist eine im Ton konziliant vorgetragene eigene Position schon Sperrfeuer? Das waren eher Wattebäuschchen, oder die große, schmuseweiche Oppositonswolke. Und wenn schon der aufgedonnerte militaristische Sprachgebrauch, dann gibt es da ganz andere Assoziationen.
2. Unwetter auf dem Balkan
„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“, mit diesem Sprüchlein trieb Kaiser Wilhelm Zwo die Deutschen in das mörderische Sperrfeuer des 1. Weltkriegs. Übrigens ging es da auch am Balkan los mit dem Unwetter, auf Attentat folgte Krieg und die Bombardierung Belgrads. Toll, dass die Kanzlerin im Sperrfeuer die Front hält und wir zusammenstehen wie ein Mann. Wie war das noch gleich? Teutsch sein, heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun. Stillgestanden.
Nach dem Kontrollverlust der Bundesregierung und dem offenkundigen Staatsversagen erleben wir jetzt auch noch das Oppositionsversagen. Statt einer Regierung, die hilflos, planlos, ziellos vor sich hinwurstelt, eine Alternative entgegenzuhalten, für die es sich lohnen würde, mal sein Kreuzlein woanders zu machen – eine Akt der Unterwerfung unter die Regierungslinie. Gerade ein bißchen Meckerei an dieser oder jenen Detailpanne im Gesamtchaos. Das ist nicht Opposition. Das ist Anbiedern. Tagesthemen wird dann „berichten“, es habe „keine Blatt Papier zwischen Regierung und Opposition“ gepaßt. Früher hätte man dabei Angst bekommen.
3. Die große Kontingent-Wolke
Wir schaffen es ja, sagen alle, die im Bundestag was sagen dürfen. Und dafür werden Begriffswölkchen ausgestoßen und als greifbare Politik verkauft. Da ist die Beschwörung der „Kontingente“. Nun also sollen bestimmte Zahlen von Flüchtlingen eingeflogen werden, damit sie sich nicht in die lebensgefährlichen Schlauchboote oder Busse auf der Balkanroute begeben, die klapprigen Taxis in Serbien und Österreich nicht zu vergessen. Und wenn sie also einfliegen, gehts schneller, versprechen sich Regierung und loyale Opposition gegenseitig. Und dann werden sie auf andere europäische Länder verteilt. Klingt gut. Diese Wolke bleibt heiter, zumindest die kommenden 2 bis 3 Wochen. Dann wird sich durch intensives Nachdenken herausstellen, dass die, die keinen Flug-Platz bekommen, eben doch wieder in die Boote steigen, es sei denn, die „Kontingente“ umfassen buchstäblich alle, die irgendwann nach Deutschland wollen. Bei restriktiven Kontingenten ändert sich gar nichts – wer keinen Platz offiziell kriegt, kommt eben inoffiziell.
4. Eine Wolke im Blickfeld vernebelt alles
So wird der Blick vernebelt darauf, was hinter den Wortwolken stattfindet – die Realität der wilden Zuwanderung. Die geschieht, weil in Deutschland die Wirtschaft läuft und für die 90 Prozent, die keinen Arbeitsplatz finden werden, Sozialleistungen, Wohnung und Sprachkurs für jeden Flüchtling und jedes seiner Familienmitglieder, ein attraktiveres Angebot sind, als die ökonomische Realität in den allermeisten Weltgegenden ermöglicht. Dass Menschen nicht nur von Krieg und Terror getrieben, sondern auch von einem einfacheren und besseren Leben gelockt werden – wer wollte das den Flüchtlingen vorwerfen? Jeder hat das Recht, seine Lebensumstände zu verbessern. Die Aufgabe einer Regierung wäre es, darauf zu achten, dass dies nicht zu sehr zu Lasten der Ureinwohner – viele schon früher Zugewanderte, integrierte und nicht integrierte eingeschlossen – geht. Aber darüber wird lieber nicht geredet. Der Blick auf diese Realität ist durch eine undurchdringliche Wolke versperrt. So wird es eben auch nichts mit einer an der Realität orientierten Politik.
5. Schlechtes Wetter gibts nur anderswo
Grenzen um Deutschland, so hören wir, kann man nicht dichtmachen. Das wäre Abschottung. Stimmt. Nur die Außengrenzen, die müssen wir sichern. Also ihr Griechen, Itaker, Kroaten, und wer ihr alle seid, Ungarn sowieso: Sichert die Grenzen für uns! Das trübt unser Wetterbild nicht. Schlechtes Wetter nur an den Außengrenzen. Macht, was wir uns selbst nicht zutrauen und zumuten. Bei uns gilt: Heiter bis wolkig. Allenfalls. Eigentlich nur Sonnenschein.
6. Ein Tief aus dem Osten
Dumm nur, dass aus dem Osten ein Tief heranzieht. Viele Länder dort wollen keine Kontingente. Sie wollen einfach nicht mitmachen, weil sie ihrerseits keine den Blick versperrende Wolke zulassen. Das ist aber auch gemein! Und noch gemeiner, dass neuerdings auch die Franzosen ihre Grenzen dichtmachen wollen. Die Schweden es schon gemacht haben! Das Tief aus dem Osten überzieht ganz Europa. Nur in seiner Mitte redet die Politik noch von wolkig bis heiter.
7. Ein Gewitter über Berlin
Da lässt aber die Kanzlerin ein Gewitter los. Sie droht damit, dass wir zukünftig in Europa wieder Pässe brauchen werden, wenn die anderen nicht parieren. EU-Geld kassieren, aber keine Kontingente wollen! Das geht ja gar nicht. Der Hegemon in Berlin droht wieder. Vielleicht ist das harmlose Wolkenbild falsch und Toni Hofreiter hat mit seinem Sperrfeuer doch Recht. Wilhelm Zwo hat damals den Feinden Deutschlands mit dem Schwert gedroht. Das Schwert von heute ist der europäische Scheck mit deutscher Unterschrift. Und wie damals jubeln viele Medien, sie haben ihre Lektion gelernt. „Geschlossenheit, Opferbereitschaft und Gefolgschaft“ darf nicht nur ein Wilhelm Zwo einfordern, sondern auch eine Kanzlerin, deren Worten andere Europäer nicht so folgen wollen, wie wir uns das wünschen.
Gott strafe Engeland, dass es keine Syrer nimmt! So ist Polen doch verloren, ganz ohne Kontingent! Und der Franzmann, dem gehört eine übergebraten! Nun also doch Gewitter. Ganz kurz. Gut, dass ein Hausmeister die Fenster im Reichstag offen gelassen hat, und die Wortwölkchen sich so schnell verziehen. Sonst könnte man sich ja erinnern, was in diesem Gebäude schon alles für Unsinn gesprochen wurde. Damals, vor Erfindung der Wetter-App.
Aber über all`das wurde nicht gesprochen im Deutschen Bundestag. Auch die Grünen wollen ein echt fettes Dienstauto, das hinten allerdings duftende Wolken ausstößt, so viel ist wahr. Aber am Steuer soll sie gerne bleiben, die Kanzlerin, wenn sie nur Toni Hofreiter im Kindersitz mitnimmt. Und so war die Stimmung im Bundestag wolkig bis heiter, und das im November, der doch sonst so grau und garstig ist.