Bergisch-Gladbach. Der Unions-Politiker Wolfgang Bosbach rechnet damit, dass die Große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode regieren wird. Für Union und SPD seien Neuwahlen gleichermaßen mit hohen Verlusten verbunden. „Stand heute wird die SPD Neuwahlen fürchten wie keine andere Partei. Sie kann dann, wenn sie Neuwahlen provoziert, in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden“, analysiert Bosbach im Gespräch mit dem Magazin Tichys Einblick. Aber weil neben der SPD auch die Union kein „ernsthaftes Interesse an Neuwahlen“ habe, geht Bosbach davon aus, dass „die Koalition bis zum Ende der Wahlperiode halten wird. Nicht weil beide Seiten die Koalition unbedingt wollen und restlos begeistert sind, sondern weil Neuwahlen eine Reise ins Ungewisse wären.“
Kein gutes Zeugnis stellt Bosbach der CDU-Parteispitze beim Umgang mit den erlittenen Wahlverlusten aus. „Was mich am meisten erstaunt, ist die große Gelassenheit, mit der die Parteispitze – und damit ist nicht nur Angela Merkel gemeint, sondern auch Vorstand und Präsidium der CDU Deutschlands – in den letzten Jahren die mageren Wahlergebnisse hingenommen hat. Ich hatte nie das Gefühl, dass es die Parteispitze wirklich mal aufgeregt hat, wenn wir verloren hatten“, so Bosbach. „Früher war das erklärte Ziel „40 Prozent plus x“. Heute ist erklärtes Ziel, dass nicht gegen uns regiert werden kann.“
Dabei habe die CDU die AfD von Anfang an unterschätzt. „Ich kann mich noch gut erinnern, dass es am Anfang hieß, die AfD ignorieren wir noch nicht einmal, die thematisieren wir nicht. Wenn wir nicht darüber sprechen, fällt es den Leuten gar nicht auf, dass es diese Partei gibt“, so Bosbach in der am Montag erscheinenden Ausgabe von Tichys Einblick. „Das war eine riesengroße Fehleinschätzung. Mit denen setzen wir uns nicht in eine Talkshow, meinte unser Fraktionsvorsitzender Volker Kauder damals deklamieren zu müssen. Die Erwartung war, dass es sich bei der AfD um ein vorübergehendes Phänomen handle, so wie früher die Republikaner, die DVU oder andere rechte Parteien. Auch die Wähler fühlen sich ausgeschlossen, wenn sich die Etablierten nicht mehr für ihre Sorgen interessieren. Ist es verwunderlich, wenn sie sich dann auch nicht mehr für ihre alten Parteien interessieren? Die Folge sind dann bittere Wahlniederlagen.“