Die Wohnungsnot ist auch eine Baunot. Doch die zuständige Politikerin wird derweil eher zur Abbau-Ministerin. Seit einiger Zeit ergeht sich Klara Geywitz in Ankündigungen, dass Eigenheime zu viel Fläche verbrauchen und deshalb möglichst nicht mehr neu gebaut werden sollen. Kommende Generationen könnten sich keine Eigenheime mehr leisten: „Wenn wir jetzt noch drei, vier Generationen weiterdenken, können wir nicht alle nebeneinander diese Einfamilienhausgebiete haben“, sagte Geywitz im Dezember und fand das „mathematisch ganz klar“. Stattdessen stellt sie sich die Umnutzung des vorhandenen Wohnungsbestandes vor. Das ist, wie man sieht, die Blaupause für das wohnungspolitische Denken, das gerade nicht nur von der Politik entwickelt und vorangetrieben wird.
Seit letztem Sommer schon brechen die genehmigten Bauvorhaben ein, besonders die für Einfamilienhäuser. Der Negativtrend ist auch dieses Jahr ungebrochen mit Rückgängen von bis zu 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Bauherren drückt der Kostenschuh. Auch genehmigte Wohnungen werden aus diesem Grund nicht gebaut. An den Kosten sind unter anderem angespannte Lieferketten schuld.
Daneben hemmen vor allem staatliche Vorschriften das Bauen in Deutschland, genauso wie ideologische Vorgaben der Regierung, die etwa die Gebäudesanierung größer schreiben als den Neubau. Womit wir beim Thema wären. Denn hinter der großen Bau-Verweigerung könnte ein weiteres Stück Ideologie stecken: die geplante Umnutzung des heutigen Bestands, die viel besser sein soll als alles Neubauen.
Immobilienwissenschaftler: Wohnraum ist falsch verteilt
Für den deutschen Mietmarkt gelten derzeit noch Beschränkungen, was Mieterhöhungen angeht. So dürfen Mieten in drei Jahren nicht mehr als um 20 Prozent steigen, in manchen Städten und Gemeinden nur um 15 Prozent. Das dient dem Bestandssschutz, der – so Sebastian – „Menschen extrem schützt, die ohnehin seit Jahrzehnten eine geringe Miete zahlen, egal ob sie bedürftig sind oder nicht“. Andere fänden dagegen keinen Wohnraum. Sebastian findet das sozial ungerecht, eine Subvention nach dem Gießkannenprinzip sei das.
Das mögen ökonomisch richtige Überlegungen sein. Altmietverträge haben Experten zufolge inzwischen den Charakter von „Wertpapieren“ angenommen – weil man mit kaum etwas mehr Geld sparen kann als mit einem Mietvertrag von vor der Wohnungskrise. Denn ja, diese Zeiten gab es einmal, in denen Wohnungen in den gefragten Ballungsräumen und Universitätsstädten zwar auch schon teilweise knapp, aber noch nicht vollkommen unerschwinglich waren.
Der Zwang, seine Wohnung zu wechseln, ist neu für dieses Land
Der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), sagte dazu: „Mein Verständnis von sozialer Marktwirtschaft ist nicht, dass ältere Menschen mit Mieterhöhungen aus ihren angestammten Wohnungen verdrängt werden dürfen.“ Eine plötzliche Anhebung der Mieten ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da der Wohnungsmarkt nicht genügend Platz für alle anbietet, würde die Gesellschaft einem extremen Druck aussetzen. Der Mieterbund möchte den „Wohnungstausch“ von alten Menschen organisatorisch unterstützen. Das wirkt wie Watte auf eine klaffende Wunde.
Der Zwang, seine Wohnung ab einem gewissen Alter zu wechseln, weil „es sich nicht mehr rechnet“, ist weder in Deutschland noch in seinen Nachbarländern verwurzelt. Er entspringt einer Notlage, die wesentlich von außen an die Deutschen herangetragen wird – durch eine massive Zuwanderung, die die Wohnbevölkerung des Landes in den letzten Jahren um mehrere Millionen anwachsen ließ. Dass diese Menschen irgendwo einen Platz zum Wohnen suchen werden, musste den Willkommen-Rufern von Anfang klar sein. Dass es ausgerechnet ein Platz in einer der großen Städte sein würde, hätten auch die Bewohner der „sicheren Häfen“ wissen können.
Die Bundesregierung begeht nun mehrere paradoxe Handlungen, wenn sie den Bestandsschutz bei Mietwohnungen stärkt, indem sie die Mietpreisbremse verlängert und Kappungsgrenzen auf elf Prozent (statt 15 oder 20 Prozent) senken will. Sie zeigt damit, dass sie „den Kuchen essen und zugleich behalten will“. Die hergebrachten Milieus sollen geschützt werden, große Altbauwohnungen bei der eigenen Wählerklientel verbleiben. Andererseits gibt es von der Ampel kein Signal für eine deutlich geringere illegale Zuwanderung, die als Hauptfaktor bei der Immobilienverknappung gelten darf. Der Wirtschaftswissenschaftler Steffen Sebastian fordert implizit mehr Platz für Familien, die erst noch ein Zuhause im Land suchen.
Noch ein Gesicht des sozial-ökologischen Umbaus der Gesellschaft
Erstaunlich konform geht Sebastian derart mit einem linken Programm, das man auch im Umfeld der Bundesregierung aufspüren kann. Die staatlich unterhaltene Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist seit einiger Zeit ein Rätselkind dieser Zeit, denn ihr links-woke-öko-sozialistischer Kurs scheint durch keine Gegenwehr der Gesellschaft zu erschüttern, wie aus zahllosen Publikationen erhellt.
Die politisch sicher auf linkem Pfad wandernde ‚Bundeszentrale für korrektes Denken‘ sekundierte dem Immobilienprofessor schon im Dezmber mit einem Artikel mit dem Titel „Umverteilung statt Neubau“, der die Hintergründe des akademischen Vorschlags erklären mag. Bedeutungs- und schicksalsschwanger hieß es dort: „Nur mühevoll und langsam zeichnet es sich in den Debatten ab: Gesellschaftlich können wir uns weder Flächenneuinanspruchnahme noch einen entsprechenden Materialeinsatz mit Beton und Stahl leisten. Zudem lindert Neubau die Wohnungsnot nur sehr begrenzt. Der steigende und überdies ungleich verteilte Wohnflächenverbrauch ist stattdessen einer der wichtigsten Treiber einer sozialökologischen Wohnungskrise.“
Es ginge also gar nicht um eine Wohnungskrise klassischen Zuschnitts, sondern um eine weitere Gestalt und Auswirkung des sozial-ökologischen Umbaus der Gesellschaft, wie sich ihn die grün-linken Ideologen schon seit langem wünschen, neuerdings bekanntlich mit Unterstützung aus den Chef-Etagen der Macht, alias WEF, Davos, Klaus Schwab.
Ökonom: Gebäudeenergiegesetz muss gegenfinanziert werden
Auch die bpb-Autoren – auch sie Wissenschaftler, aber für „sozialwissenschaftliche Stadtforschung“ und dergleichen – weisen gesondert auf die „ungerechte Wohnflächenverteilung“ hin. Vor allem das Einkommen bestimme skandalöserweise über die Wohnfläche pro Kopf. Willkommen in der staatlichen Gleichmacherei, mit vielleicht bald pro Kopf zugemessenen „Einheitsgrößen“ für immer weniger mündige Bürger. Kurzum: Die Autoren fordern den Ausbau der „Instrumente der Wohnraum(um)verteilung“. Das sind die Werkzeuge der ökosozialistischen Transformation, die allerdings auch die Bundes-(ab-)bauministerin gerade aus der Kiste zu nehmen scheint. So läuft eine Logik „langer Dauer“ (de longue durée) von einem weitgehenden Verzicht auf Privateigentum über lange Zeit tragbare Mietverträge nun auf nicht gesehene staatliche Eingriffe in den Mietmarkt und eine Quasi-Vergemeinschaftung des gemieteten Wohnraums hinaus.
Steffen Sebastian, Ökonom aus Regensburg: „Die Bundesregierung wird gar nicht um die Diskussion herumkommen, wie das Wohngeld oder das Gebäudeenergiegesetz finanziert werden sollen.“ Man kann demnach nicht das „Füllhorn öffnen und Wohngeld über alle Bedürftigen ausschütten, ohne an anderer Stelle Subventionen zu streichen“. Das ist ein zu selten betrachteter Aspekt staatlicher Ausgaben- und Unterstützungsprogramme: Der Steuertopf ist eben doch endlich und kann nur einmal ausgegeben werden. Seit 1. Januar 2023 haben laut Website der Bundesregierung „dreimal mehr“ Haushalte als bisher Anspruch auf die Auszahlung von Wohngeld. 4,5 Millionen Menschen sollen so „sorgenfreier wohnen“. Man merkt, es knarzt und kracht in der Republik. Rentner machen angeblich die Hälfte der Anspruchsberechtigten aus.