Tichys Einblick
Ein Winkelzug von AM nach dem anderen

Wird Annegret Kramp-Karrenbauer eine Ursula von der Leyen 2.0?

Verteidigungsministerium und CDU-Vorsitz wird sie nicht unter einen Hut kriegen. Als Ministerin hat sie maximal zwei Jahre Zeit.

imago/ZUMA Press

„Das kann ich bestätigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach entsprechenden Berichten der Nachrichtenagenturen: Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“, CDU, demnächst 57) wird Verteidigungsministerin. Was sie dazu befähigt? Darüber wird bei der Vergabe von Ministerposten schon lange nicht mehr reflektiert.

AKK ist Berufspolitikerin. So weit, so gut. Kommunale Ämter mal beiseitegelassen: 1998 rückte sie für wenige Monate als MdB in den Bundestag ein. Von 1999 bis 2018 war sie Landtagsabgeordnete im Saarland, von 1999 bis 2000 parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. Ab 2000 folgten Ministerposten im Saarland: im Innenministerium, im Bildungsministerium, im Arbeitsministerium. Von 2011 bis 2018 war sie saarländische Ministerpräsidentin unterschiedlicher Koalitionen. Alles auf CDU-Ticket: Mit 19 Jahren war die spätere Magistra Artium der Politikwissenschaft und des Öffentlichen Rechts in die CDU eingetreten. Von 1985 bis 1988 war sie an führender Stelle in der Jungen Union, von 1999 bis 2012 Landesvorsitzende der saarländischen Frauenunion. 2010 rückte sie in das CDU-Bundespräsidium auf. Im Februar 2018 wurde sie CDU-Generalsekretärin. Am 7. Dezember 2018 eroberte sie in einer Kampfabstimmung gegen Friedrich Merz mit 51,8 % den CDU-Parteivorsitz.

Sicherheits- und verteidigungspolitisch ist Kramp-Karrenbauer bislang ein völlig unbeschriebenes Blatt. Nun gut, sie hatte im März 2019 in Interviews mal Nachbesserungen beim Verteidigungshaushalt verlangt und an die Verpflichtung Deutschlands erinnert, den Anteil der Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Das war es denn auch. CSU-Chef Markus Söder, mittlerweile gefühlter Landesvorsitzender eines CDU-Landesverbandes, begrüßte die Entscheidung zugunsten von AKK jedenfalls. „Das ist die stärkste Lösung. Das gibt der Regierung neue Kraft“, lobte er. Es sei richtig, als CDU-Vorsitzende in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen.

Die stärkste oder wenigstens eine starke Lösung? Nein! Allenfalls eine Geschlechterproporzlösung und ein cleverer Schachzug Merkels. Ohne formell CDU-Vorsitzende zu sein, hat Merkel damit die CDU wieder voll im Griff. Denn wie soll die CDU von jemandem geführt werden, dem als Verteidigungsministerin ein 24-Stunden-Sisyphos-Job bevorsteht? Aber zur CDU später!

Ein Winkelzug von AM nach dem anderen
Die Ernennung von AKK zur Verteidigungsministerin wurde dann auch von verschiedenen Seiten bereits markant kritisiert. Kanzlerin und Union würden die „gebeutelte Bundeswehr“ für Personalspielchen missbrauchen, beklagt die FDP. FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff nannte die Entscheidung für die CDU-Vorsitzende „eine Zumutung für die Truppe und für unsere Nato-Partner.“ Nichts könne Merkels Geringschätzung der Bundeswehr klarer ausdrücken als diese Personalie. „Annegret Kramp-Karrenbauer hat keinerlei außen-, sicherheits- oder verteidigungspolitische Erfahrungen. Respekt vor der Bundeswehr und Glaubwürdigkeit sehen anders aus.“

Kramp-Karrenbauer tritt ihr neues Ministeramt bereits an diesem Mittwoch an. In Vertretung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird sie ihre Urkunde vom Ersten Vizepräsidenten des Bundesrates, Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD), überreicht bekommen. Der Präsident des Bundesrates übernimmt bei Abwesenheit des Bundespräsidenten dessen Amtsgeschäfte. Müller also, da der amtierende Bundesratspräsident, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), auf Auslandsreise ist. Urkundenaushändigung durch den Stellvertreter des Stellvertreters! Ein Akt mit Symbolkraft?

Wird AKK die Bundeswehr voranbringen? Auch wenn sie charakterlich ein anderes Naturell ist als ihre Vorgängerin und ihr der (Über-)Ehrgeiz nicht aus allen Poren dringt, wie das bei UvdL (Ursula von der Leyen) der Fall war: AKK droht eine UvdL 2.0 zu werden. Denn wie UvdL geht sie in dieses Ministeramt ohne jede Vorqualifikation. Nein, AKK wird dieses Amt nicht ausfüllen können, schon deshalb nicht, weil sie maximal zwei Jahre Zeit hat bis zur nächsten Bundestagswahl. Und dann – sofern die Koalition nicht schon früher platzt – werden die Karten neu gemischt. Vor allem aber ein „Nein“ deshalb, weil die Bundeswehr – sieht man von einigen tausend Mann Elitetruppen ab – politisch zu einer Karikatur von Armee gemacht wurde. AKK ist dann Merkels fünfte Verteidigungsministerin. Der desaströse Zustand der Bundeswehr ist somit weniger den vier Vorgängern aus CDU und CSU anzulasten als der Frau, die im Verteidigungsfall seit 2005 die Oberbefehlshaberin wäre: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Was kann AKK in der kurzen Zeit überhaupt tun? Sie muss erstens für eine ordentlich Haushaltsausstattung ihres Ressorts kämpfen. Sie muss zweitens eine Antenne für die Truppe entwickeln; hier war vieles in die Brüche gegangen, nachdem UvdL der Bundeswehr ein „Haltungsproblem“ und „Führungsschwächen“ vorgehalten hatte. Und AKK muss drittens im Untersuchungsausschuss zu den Beraterverträgen, die von der Leyen zu verantworten hat, die brutalst mögliche Aufklärerin geben – ohne Rücksicht darauf, wie und ob die neue Präsidentin der Kommission der EU dadurch beschädigt wird. Wie sich AKK auf dieses Amt vorbereiten kann? Am besten zieht sie sich einen Tag zurück, und liest das hier.

Und wer „macht“ jetzt die CDU? Sie könnte dem Vorbild der aktuellen SPD folgen und übergangsweise ein Trio oder ein Quartett an Leitfiguren präsentieren. Dass AKK beides d’rauf hat – Verteidigungsministerin und CDU-Chefin – ist allein schon zeitlich und physisch nicht möglich. Das war AKK ja auch klar, als sie erst kürzlich ein Ministeramt ablehnte und meinte, es gebe in der CDU viel zu tun. Das stimmt.

Nun wird die CDU in ein Sommerloch-Wachkoma fallen und erst wieder aufschrecken, wenn im Herbst in drei mitteldeutschen Ländern Wahlschlappen anstehen. Was die CDU dann mit wem an der Spitze macht, steht in den Sternen. Bis dahin kann ja das Kanzleramt der Partei zeigen, wo es langgeht.

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