Am Montag hat die Polizei die Privatwohnung, das Büro und das Auto eines Weimarer Richters durchsucht, der Anfang April einen Beschluss gegen Corona-Maßnahmen gefällt hatte. Auch ein Mobiltelefon sei “sichergestellt” worden, bestätigte die Staatsanwaltschaft Erfurt gegenüber TE. Dem Richter werde im Zusammenhang mit dem Beschluss Rechtsbeugung vorgeworfen.
Nun äußern mehrere Beobachter scharfe Kritik. “Wir sind entsetzt”, sagte ein Sprecher des Netzwerks Kritische Richter und Staatsanwälte gegenüber TE. “Es handelt sich unseres Erachtens um einen krassen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Durch diese Maßnahme wird sich kein Richter in Deutschland mehr trauen, eine Entscheidung zu treffen, die in diese Richtung geht.”
Zudem dürfte die Durchsuchung “rechtswidrig” sein, erklärte der Sprecher weiter. Vieles spreche dafür, dass der Ermittlungsrichter und die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen der Strafbarkeit nicht sauber geprüft hätten. “Der Wortlaut des Paragraphen 1666 Abs. 4 BGB lässt eine Anordnung auch gegenüber der öffentlichen Hand zu. Die einschlägige Kommentierung zu dieser Norm hat dies bislang unter Verweis auf eine gerichtliche Entscheidung gegenüber einer geschlossenen Psychiatrie als Trägerin der Staatsgewalt für zulässig erklärt”, führte der Mann aus.
Auch auf sozialen Medien kam Kritik auf. Der Berliner Abgeordnete Marcel Luthe mutmaßte, dass die Staatsanwälte auf Weisung der Politik agieren könnten. “Mir will doch niemand aus dem Kabinett von SED/SPD/Grüne erzählen, die Maßnahme – ein unfassbarer Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit – sei nicht vorher mit der politischen Hausleitung rund um den Grünen Justizminister Adams abgestimmt gewesen?”, schrieb der Politiker. Staatsanwälte seien nicht wie Richter unabhängig, sondern Teil “der politischen Weisungen unterliegenden Exekutive”. Luthe brachte einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.
Der Querdenken-Anwalt Ralf Ludwig erklärte auf Telegram, es sei jetzt jegliche Grenze des Anstands und des Rechts durchbrochen. “Die richterliche Unabhängigkeit, eine weitere Säule eines demokratische Rechtsstaates, wird ohne Wimpernzucken abgeräumt”, schrieb er.
Am Montag hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt ein Ermittlungsverfahren gegen den Richter eingeleitet hat. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass der Richter nicht zuständig und daher nicht befugt war, eine Anordnung zur Maskenpflicht zu erlassen, meldete der MDR unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Erfurt. Zuständig soll eigentlich das Verwaltungsgericht gewesen sein. Bereits zuvor hatte es mehrere Strafanzeigen gegen den Richter gegeben, berichtete der MDR.
Der Richter hatte am 8. April mit Bezug auf den Kindeswohl-Paragrafen 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches entschieden, dass die Maskenpflicht, Abstandsregeln und Schnelltestauflagen nicht mehr an zwei Schulen in Weimar gelten. Außerdem müsse Präsenzunterricht stattfinden (TE berichtete). Das Thüringer Bildungsministerium hatte daraufhin erklärt, das Urteil nicht umsetzen zu wollen. In einer Mitteilung schrieb das Ministerium: “Im Übrigen gelten an den zwei betroffenen Schulen in Weimar und im ganzen Freistaat die Infektionsschutzmaßnahmen für alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler unverändert weiter.” Außerdem wolle man den Beschluss obergerichtlich prüfen lassen, hier es weiter.
Auch die PCR-Tests und Schnelltests seien nicht geeignet, eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 nachzuweisen, heißt es in dem Papier weiter. “Laut RKI-Berechnungen (…) beträgt bei Massentestungen mit Schnelltests unabhängig von Symptomen die Wahrscheinlichkeit, beim Erhalt eines positiven Ergebnisses tatsächlich infiziert zu sein, bei einer Inzidenz von 50 (Testspezifität 80%, Testsensitivität 98%) nur zwei Prozent. Das würde heißen: Auf zwei echt-positive Schnelltest-Ergebnisse kämen 98 falsch-positive Schnelltest-Ergebnisse, welche man dann alle mit einem PCR-Test nachtesten müsste.”
Symptomlose dürften nicht zum Test gezwungen werden, schrieb der Richter in dem Papier. Das setze die Kinder unter psychischen Druck, weil sie ihre Schulfähigkeit ständig erneut beweisen müssten. Zudem habe einer der vom Gericht bestellten Gutachter anhand von Erhebungen aus dem Land Österreich nachgewiesen: “100.000 Grundschüler müssten eine Woche lang sämtliche Nebenwirkungen des Maskentragens in Kauf nehmen, um nur eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern.” Anhand dieses Ergebnisses zeige sich, “dass der diesen Bereich regulierende Landesverordnungsgeber in eine Tatsachenferne geraten ist, die historisch anmutende Ausmaße angenommen hat”, urteilte der Richter. Die Verordnungen, in denen die Corona-Maßnahmen festgeschrieben sind, seien “verfassungswidrig und nichtig”.