Der vom Volk direkt gewählte österreichische Bundespräsident hat völlig andere Kompetenzen als der deutsche von der Parteien Gnaden. Van der Bellen hätte auch jemand ganz anderen als den Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragen können. Genau das haben viele seiner Wähler von ihm erwartet. Wäre Van der Bellen so vorgegangen, hätten Neuwahlen gedroht – mit einer noch größeren türkis-blauen Mehrheit. Der Bundespräsident entschied sich zur Mitgestaltung der künftigen Regierung – inhaltlich und personell. Heute wird er die neue Regierung angeloben (vereidigen).
Zu den Demos berichtet die Tageszeitung Der Standard: „Organisatoren der Demonstrationen sind etwa die ÖH Uni Wien, die Offensive gegen Rechts, die Plattform Radikale Linke, Schulstreik gegen Schwarz-Blau sowie die Plattform für menschliche Asylpolitik oder Bike Bloc / Critical Mass.“
Etliche Straßenbahn- und Bus-Linien verkehren mehrere Stunden nicht, ein teilweiser Stillstand des Straßenverkehrs in der Innenstadt wird befürchtet. Ausgenommen vom Platzverbot sind nach einem Bericht des Kurier: „Mitglieder der künftigen Bundesregierung samt Begleitern, Nationalrats- und Bundesratsmitglieder, öffentlich Bedienstete der Präsidentschaftskanzlei, der Parlamentsdirektion sowie Ministerien, Einsatzkräfte, Journalisten und natürlich Anrainer. Bei Missachtung des Platzverbots droht eine Geldstrafe bis zu 360 Euro.“
1.500 Polizisten aus Wien und etlichen Bundesländern sind im Einsatz, 5.000 Demonstranten werden erwartet. Zu den Demos sagte im gemeinsamen Interview von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit dem „Heute“ Talk letzterer: „Das ist eine Normalität der Demokratie. Es ist gut, dass es die Demonstrationsfreiheit gibt. Und dass jene Menschen, die diesen Prozess kritisch sehen, das im Rahmen des Demonstrationsrechtes friedlich zum Ausdruck bringen können. Aber man soll der neuen Konstellation auch eine Chance geben und nicht im vorhinein alles falsch oder schlecht darstellen.“
Thomas Schmid schreibt abweichend von der allgemeinen Linie in den deutschen Medien:
„Deutsche Politiker täten gut daran, gelassen zu reagieren. Österreich steht nicht am Abgrund, wie es von links tönt. Und es ist auch nicht das Musterland, dem Deutschland in der Flüchtlingspolitik folgen sollte – wie es aus der CSU schallt.
Gut, dass ein Land und ein Politiker die Chance bekommen, eine restriktive Einwanderungspolitik nicht nur zu fordern, sondern zu verwirklichen, und zwar im Einklang mit der heimischen Verfassung und dem europäischen Regelwerk.
Es wird interessant sein zu verfolgen, wie weit Österreichs Regierung damit kommt. Und ob sie wirklich zur Lösung des Flüchtlingsproblems beiträgt.“
Also die Beckenbauer-Regel: „Schaun mer moi, dann sehn mer scho.“
Anmerkung: Über den Verlauf in Wien berichten wir am Nachmittag.