Am 13. April führte der amerikanische Sender CNBC ein Interview mit Gesundheitsminister Jens Spahn. Darin wurde Spahn unter anderem gefragt, wieso die Corona-Opferzahlen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, zum Beispiel zu den Vereinigten Staaten oder Italien, so viel niedriger liegen. In diesem Interview stellte Spahn unter Beweis, dass niemand gegen ihn Poker spielen sollte, denn mit ruhigem Blick und ohne rot zu werden, konnte Jens Spahn in die Kamera blicken und sagen: „Wir haben es [das Virus] von Anfang an sehr ernst genommen und das hat uns Zeit gegeben, um uns vorzubereiten.“
Zur Erinnerung: Dieser Beitrag enthält zentrale Aussagen des Gesundheitsministers seit dem 24.01.2020, darunter auch das von BILD am 30.1.2020 dokumentierte und mittlerweile oft verbreitete Zitat Spahns: „Ein Mundschutz ist nicht notwendig, weil der Virus gar nicht über den Atem übertragbar ist.“
Den Satz „Wir haben es von Anfang an sehr ernst genommen“ kann man angesichts dieser Abfolge eine fantastische Falsch-Aussage nennen, die der Gesundheitsminister da mit der Ruhe eines Heiligen in die Kamera spricht. „Wir haben es von Anfang an sehr ernst genommen“, sagt er, und blendet bequemerweise aus, dass er das Virus Ende Januar als weniger gefährlich als eine Grippe bezeichnete, und dass seine Behörde noch Ende Februar weiterhin abwiegelte – mit Verweis auf die alljährliche Grippewelle, die ja gefährlicher sei.
Auch die Vorbereitung des deutschen Gesundheitssystems lobt er, ohne zu erwähnen, dass Schutzmaterial für Ärzte und Pfleger nach wie vor Mangelware ist. Was war noch mit Flügen aus stark betroffenen Ländern wie Iran und Italien, die trotz zahlreicher Mahnungen bis Anfang April in Deutschland landen konnten? Mit Passagieren, die ohne weitere gesundheitlichen Checks wie Fiebermessen und ohne Quarantäne-Hinweise die Terminals passieren konnten? „Wir haben es von Anfang an sehr ernst genommen.“
Auf die Wiederöffnung der Wirtschaft angesprochen, antwortet Spahn wie alle Bundespolitiker unbestimmt, aber nicht ganz ablehnend – damit ähnelt er dem Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Laschet, den Spahn ja noch vor kurzem in seinem Kampf um den CDU-Parteivorsitz unterstützte. „Es geht nicht um den Wohlstand der Menschen gegen ihre Gesundheit. Die beiden Faktoren hängen zusammen“, sagt Spahn und verweist darauf, dass auch Pflege bezahlt sein will und die gesundheitlichen und psychischen Schäden, die eine Rezession verursacht. Das ist ironisch, wenn die Regierung erst heute verkündete, die geltenden Kontaktsperren und Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis zum 3. Mai zu verlängern.
Wie viel Wirtschaft danach noch übrig ist, wird erst dann klar sein, wenn die Bundesmittel zur Krisenbekämpfung die wirtschaftlichen Schäden des Shutdown nicht mehr übertünchen können.