Die Info-Plattform „t-online.de“ hat schon gezeigt, dass sie jemanden, der ihr nicht passt, auch gerne mal in den Senkel stellt, zum Beispiel TE-Autor und ZDF-Urgestein Peter Hahne. Bieder und brav dagegen ging t-online.de aber mit der aus eigenem Verschulden extrem angeschlagenen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im Interview um. Bereits im Vorspann merkt der Leser, wohin das Interview laufen wird. Viel Verständnis, viel Einfühlungsvermögen war angesagt. Die vielen gestellten Fragen waren brav-suggestiv-affirmativ, in Watte gepackt; kritische Fragen oder auch nur Nachfragen gab es nicht. Lambrecht hätte sich auch selbst interviewen können.
Allein ein Satz im Vorspann des Interviews ist symptomatisch: „Selbst langjährige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums finden sich in dem unübersichtlichen Gebäude an der Berliner Stauffenbergstraße nicht zurecht. Es wäre also nichts Besonderes, wenn es Christine Lambrecht ähnlich ginge. Schließlich ist sie nicht einmal ein halbes Jahr im Amt …“
Und dann nette Antworten auf nette Fragen: Für sie, Lambrecht sei entscheidend, dass sie am Ende des Tages in den Spiegel schauen könne. Die Sache mit der „Helikoptermama“ und dem Mitflug ihres 21-jähriges Sohnes in einem Bundeswehrhubschrauber kommt nur indirekt zur Sprache: „Es gibt kein größeres Kompliment für eine Mutter, als dass der erwachsene Sohn gerne Zeit mit ihr verbringt.“
Den Unmut in ihrem Ministerium tut sie damit ab, dass dort der Flurfunk immer schon stattgefunden habe. Auf ihre bereits mit ihrem Dienstantritt eigenwillige Personalpolitik an der Spitze des Ministeriums wird sie nicht angesprochen. Vorwürfe lese sie, aber manche seien so abwegig, dass sie darüber nicht länger nachdenke.
Und dazwischen Lambrechts Heldentaten. Zum Beispiel habe sie durchgesetzt, dass es zur Bewaffnung der Drohnen kommt. (Steht übrigens im „Ampel“-Koalitionsvertrag“.) Und dann: „Ich weiß, dass der Kanzler meine Arbeit schätzt.“ Für Defizite in der Bundeswehr macht Lambrecht die Union verantwortlich. Das stimmt durchaus, denn es waren die 16 Jahre Merkel, die die Bundeswehr heruntergerüstet haben. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass in den 23 Jahren seit 1998 die SPD immerhin 19 Jahre in der Koalition saß bzw. sie von 1998 bis 2005 gar führte.
Als andere Heldentat bezeichnet Lambrecht die neue „Unterschwellenvergabeverordnung“. Wörtlich: „Wir haben bei der Beschaffung die Schwelle für einfache Vergaben ohne langwierige Ausschreibung von 1.000 auf 5.000 Euro angehoben. Das hat zur Folge, dass 20 Prozent der Anschaffungen nun ohne Vergabeverfahren getätigt werden können. Das spart eine Menge Ressourcen. Weitere Veränderungen werden folgen. Dabei schadet es bestimmt nicht, dass nun eine Juristin – und ich bin das mit Leib und Seele – an der Spitze dieses Hauses steht, die auch Vergaberecht kann und es verändern will.“ Wer mit Einheitsführern spricht, erwirkt angesichts solcher Heldentaten ein schallendes Lachen.
Auch über die Ukraine wird gesprochen. Christine Lambrecht sagt: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ Und: „Wichtig ist, dass wir der Ukraine umfassend helfen und sie jetzt etwa mit dem modernsten Artilleriesystem der Welt ausstatten: der Panzerhaubitze 2000.“ Das Problem ist nur: Davon ist weit und breit nichts zu sehen – in der Ukraine schon gar nicht.
Alles in allem: Lambrecht bleibt wie ihre zwei Interviewer an der Oberfläche. Selbst bei so zentralen Fragen wie der Nachwuchsgewinnung. Dazu fällt der Verteidigungsministerin nur ein: „Wir bieten eine spannende Aufgabe … Und natürlich gibt es bei uns sichere Arbeitsplätze und eine große Vielfalt an Berufen. Das müssen wir noch stärker herausstellen.“
Also viel warme Luft. Die beiden Interviewer haben keinen blassen Schimmer von der Materie, oder sie haben diesen Schimmer und wollten nur lieb sein. Oder die Interviewte verbat sich bestimmte Fragen. Man hätte die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) freilich schon löchern können und müssen. Warum sie eigentlich der Politik den Rücken kehren wollte und dann auch noch dieses Ministerium ergatterte? Als Quotenfrau? Warum sie sich bei Besuchen in Mali nicht besser vorher beraten ließ, zum Beispiel über das angemessene Schuhwerk? Was sie über die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr tatsächlich wisse? Zum Beispiel, dass nur 40 Prozent der Hubschrauber einsatzklar sind – es sei denn sie fliegen in Richtung Sylt? Wann endlich die seit 2017 geplante Entscheidung über die Anschaffung eines neuen Transporthubschraubers erfolge? Wie sie mit den Angeboten der Rüstungsindustrie umgehe? Wie sie den Antrag von Finnland und Schweden, der NATO beizutreten, sehe?
Wir malen uns nur mal aus, wie ein solches Interview verlaufen wäre, wenn ein nun wahrlich hochkarätiger SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels, zuletzt Wehrbeauftragter, dieses Interview geführt hätte bzw. hätte mit sich führen lassen. Aber Bartels ist in gendersensiblen Zeiten eben zu wenig Frau.