Tichys Einblick
Rabiater Druck

Wie die Bundesratsentscheidung über die Düngeverordnung zustande kam

Die Bauern sagen: Ein repräsentatives Messnetz gebe es nicht, die Daten seien wertlos. Daher sei die Verordnung verfassungswidrig, weil sie etwas beseitigen wolle, das nicht existiere.

Christof Sache/AFP/Getty Images

Nach der Verabschiedung der Düngeverordnung am vergangenen Freitag sind die Bauern in heller Aufregung. Sie erheben bereits in großer Zahl Einspruch gegen die Verordnung, um ihre Rechte zu wahren. Sie treten reihenweise aus der CDU aus, von der sie sich denunziert fühlen. »Wer hat uns Bauern verraten – Christdemokraten«, schimpfen sie.

Bundesweit beraten die verschiedenen Bauernvereinigungen und Verbände über Klagemöglichkeiten. Ein Fehler des Verfahrens sei, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht abgeschlossen wurde, bevor der Bundesrat auffällig eilig die Verordnung verabschiedete.

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Weiterhin steht die Reduzierung der sogenannten roten Gebiete in der Diskussion. Oft genug gelten die Zahlen einer oder zweier Messstellen als Resultat für die Ausweisung eines sehr großen Gebietes. Die – so diese Argumentation – könnten verringert werden. Zu dieser »Binnendifferenzierung« hatte auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Bundesländer immer wieder aufgefordert.

Doch damit würden – so die andere Argumentation – die Messungen und ihre Methoden grundsätzlich anerkannt werden. Die seien jedoch falsch und manipulativ. Während in Österreich in vier verschiedenen Tiefen gemessen werde, würde in Deutschland nur an gezielt ausgesuchten, nicht repräsentativen Punkten im oberflächennahen Grundwasser gemessen und hohe Werte zur EU gemeldet.

Ergänzt würden diese Werte durch fehlerhafte Computerdaten und Modellrechnungen des Umweltbundesamtes. Ein repräsentatives Messnetz gebe es nicht, die Daten seien wertlos. Daher sei die Verordnung verfassungswidrig, weil sie etwas beseitigen wolle, das nicht existiere.

»Bis zuletzt wollte ich, dass sich Baden-Württemberg bei der Abstimmung der Stimme enthält!« Das erklärt Peter Hauk, der Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg und liefert einen kleinen, aber dafür umso intensiveren Einblick hinter die Kulissen jener Entscheidung über die neue Düngeverordnung vom vergangenen Freitag. Da hatte der Bundesrat mehrheitlich den Vorschlag abgenickt, gegen den Bauern mit heftigen Traktordemonstrationen protestiert hatten.

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Sogar Ursula von der Leyen benutzte die EU aus Brüssel als Schlagkeule. Hauk, gelernter Forstwirt, dem die Zusammenhänge auf dem Acker durchaus geläufig sind, und der die Folgen für die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland sieht, schildert: »Freitagmorgen hat mir dann kurz vor der Abstimmung der EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen per Mail mitgeteilt, dass sie einer Verschiebung wesentlicher Teile der Düngeverordnung bis 2021 zustimmt – allerdings unter der Bedingung, dass die Düngeverordnung am Freitag verabschiedet wird.«

Er fährt mit seinem kleinen Einblick in die Methoden, wie die schwankenden Länder vor der Abstimmung zu neuen Düngeverordnung am vergangenen Freitag weichgeklopft wurden, fort:

»Ich musste mich am Freitag auch für die Zustimmung deshalb entscheiden, weil das Finanz- und Umweltministerium und damit unser grüner Koalitionspartner mir schriftlich mitgeteilt hatte, dass, wenn mein Ministerium im Bundesrat bei der Abstimmung nicht zustimmt und dadurch für das Land EU Strafzahlungen fällig werden, diese Strafen komplett aus dem Haushalt des Landwirtschaftsministeriums bezahlt werden müssen.«

Hauk habe vor einer der »schwersten Entscheidung seiner politischen Laufbahn« gestanden. »An diesem Punkt war klar die Frage: Halte ich meinen angekündigten Kurs und stimme bei der Verordnung nicht zu, oder ich stimme zu, um unseren Bauern weiterhin die Fördermittel bezahlen zu können. Bei dieser Entscheidung ging es um mehr als 40 Millionen Euro, die das Landwirtschaftsministerium nicht mehr für die Bauern zur Verfügung gehabt hätte. Das wäre das faktische Aus für wesentliche Agrarförderprogramme des Landes gewesen.«

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Die Landwirtschaft aber brauche nach den Worten Hauks gerade in diesen Zeiten jeden Cent, und die Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg würden »unsere Bauern und ihre regionalen Erzeugnisse« ebenfalls brauchen. Hauk: »Denn wer weiß, ob er nächste Woche noch genug Lebensmittel aus dem Ausland bekommen. Deshalb konnte ich dieses Risiko nicht eingehen.«
Seine Entscheidung: »Ich habe schweren Herzens zur Düngeverordnung zugestimmt.«

Bauernpräsident Joachim Rukwied erklärte jetzt in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung: »Wir werden prüfen, ob der Klageweg Aussicht auf Erfolg hat.« Zudem warnte er vor den Folgen der Corona-Krise für die Ernährung: »Wir müssen damit rechnen, dass es insgesamt zu einer Verknappung bei Obst und Gemüse kommen wird.«

Hintergrund sei der Mangel an Saisonarbeitskräften aus Osteuropa. Pflanzen, Pflegen und Ernten werde in diesem Jahr nicht so ablaufen können wie gewohnt. Landwirte stünden derzeit akut vor der Entscheidung, ob sie Pflanzgut abbestellten. Rukwied: »Wir müssen uns als Verbraucher in den kommenden Monaten umstellen.« Er gehe auch davon aus, dass es Preissteigerungen geben werde.

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