Tichys Einblick
Neue Parteien – Teil zwei

Am Buffet verhungert: Werteunion und Bündnis Deutschland droht das Scheitern

Werteunion und Bündnis Deutschland haben zurzeit eins gemein: Sie suchen nach außen Partner und streiten nach innen. So droht beiden Versuchen ein frühes Scheitern. Das liegt besonders am Umgang mit der AfD.

picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka, Thomas Banneyer - Collage: TE

Exklusiv ist ein begehrtes Wort unter Journalisten. Geschichten, die man als Erster und alleine hat … Das macht aus dem Schreibtischhengst einen Scoop-Jäger. Die Information, dass „Bündnis Deutschland“ und „Wir Bürger“ fusionieren wollen, haben wir recht exklusiv. Aber so richtig gut verkaufen lässt sich eine Top-Nachricht nicht, wenn die häufigste Frage des Lesers lautet: Wer ist das?

Wir Bürger ist die Partei, die AfD-Gründer Bernd Lucke nach seinem Austritt aus der AfD ins Leben gerufen hat. Zwischenzeitlich hieß sie „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“, dann „Liberal-Konservative Reformer“. Womit ihre Geschichte schon mehr Namen als erfolgreiche Wahlen erlebt hat. Das Bündnis Deutschland ist eine Partei, die sich im November 2022 gegründet hat, um konservativer als die Merzkel-CDU zu sein, aber weniger skandalbehaftet als die AfD. Durch die Fusion mit „Bürger in Wut“ ist das Bündnis in der Bremer Bürgerschaft vertreten.

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Fusionen prägen derzeit das konservative Lager. Das könnte zu einer oder zwei großen Parteien führen. Doch gleichzeitig kommt es auch immer wieder zu Neugründungen, sodass eine unübersichtliche Lage entsteht: Da geht A mit B zusammen, um C zu bekämpfen. Dann spaltet sich aber aus AB ein D ab, das dann gegen AB vorgeht, mit C aber auch nichts zu tun haben will. Woraus ein E entsteht, das sich ein D vorstellen kann, das mit C harmoniert und so weiter. Zu der Vorgehensweise solcher Splittergruppen hat die Truppe Monty Python in „Das Leben des Brian“ eigentlich alles gesagt, was zu sagen ist.

Dabei existiert der Bedarf nach einer liberal-konservativen Partei. Studien und Umfragen gibt es reichlich, die sagen, dass es ehemalige Wähler gibt, die nicht mit CDU und FDP nach links gegangen sind. Auch gibt es ehemalige Wähler der SPD, die diese für gewerkschaftliche Themen gewählt haben – aber nicht, um die Zahl der Geschlechter ins Unendliche zu treiben oder um Radwege in Peru zu bauen. Von diesen Wählern gäbe es mehr als genug. Doch Werteunion und Bündnis Deutschland stehen an diesem üppig gedeckten Buffet und verhungern.

Dafür gibt es Gründe, die in beiden Parteien zu finden sind. Da ist zuallererst der Umgang mit der AfD. Werteunion und Bündnis Deutschland wollen deren Wähler gewinnen, aber mit der Partei nichts zu tun haben. Das Bündnis hat sich anfangs stark gegen Überschneidungen zur AfD gewehrt. Dann aber nach und nach deren Personal übernommen.

Die Werteunion stellt die AfD-Frage vor eine ernste Zerreißprobe. Parteichef Hans-Georg Maaßen nennt die CDU den „Premiumpartner“ der Werteunion und wünscht sich eine Koalition, in der die Werteunion die CDU wieder so weit nach rechts zieht, wie es die Partei in den 80er und 90er Jahren unter Helmut Kohl gewesen ist. Doch ist zu bezweifeln, ob die junge Partei stark genug für diese Aufgabe ist.

Deshalb hat sich ein weiterer Flügel gebildet, der eine Koalition mit der AfD befürwortet. Zum einen, weil die entsprechenden Mitglieder selbst eine Nähe zur AfD haben. Zum anderen, weil sie das strategische Ziel verfolgen, die „Brandmauer“ einzureißen, die CDU und FDP bisher dazu zwingt, auf eine Koalition mit der AfD zu verzichten, was sie wiederum in Koalitionen mit SPD oder Grünen nötigt. Im Osten wahrscheinlich sogar in Koalitionen mit der Linkspartei oder mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht.

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Maaßen hat Äußerungen aus dem AfD-nahen Flügel der Werteunion zurückgewiesen. Diese Stimmen kämen von Vertretern, die nur im Vorfeld-Verein Mitglied seien, aber nicht in der Partei. Das ist eine feine Unterscheidung, die selbst große Parteien wie SPD oder CDU in der Öffentlichkeit kaum durchsetzen könnten. Aber definitiv nicht eine Partei mit der ohnehin geringen öffentlichen Präsenz der Werteunion. Aber tatsächlich ist es ein tiefer Riss, der Werteunion-Verein als namensgebende Ursprungsorganisation und Werteunion-Partei trennt. Für AfD-Anhänger soll Maaßen weitere Prozente von Wählern organisieren, die die AfD ablehnen. Zudem soll sie das Auffangbecken darstellen, falls die AfD verboten oder durch öffentlichen Druck zerbröselt wird. Maaßen wiederum fürchtet die Kontaminierung der Werteunion durch die AfD, die seinen Verein Wähler kosten könnte.

Deshalb steht vor der Aufnahme in die Partei ein halbjährliches Aufnahmeverfahren, wobei die Warteschlange für Vereinsmitglieder nur verkürzt werden soll – ein Vorgang, den die treuen Kampfgefährten des zurückgelassenen Vereins als Verrat empfinden: Sie haben schließlich durch ihr Engagement für die Werteunion die Parteigründung erst ermöglicht und stehen jetzt draußen vor der Tür. Der Konflikt personifiziert sich in den Personen Max Otte und Markus Krall: Maaßen bestreitet, dass Max Otte, der für die AfD für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, überhaupt noch Vereinsmitglied sei. Vordergründig ist es ein Streit um Halbsätze in den jeweiligen Satzungen; dahinter steht das Verhältnis zur AfD. Markus Krall wiederum sagt, er habe für die Parteigründung geworben, wobei er davon ausgehen konnte, dass die Vereinsmitglieder zu den ersten Parteimitgliedern umgewandelt werden würden. Dieser Streit lähmt die Werteunion, und dieser Streit wird genüsslich von früheren Weggefährten der Werteunion ausgeschlachtet.

Interview
Was nun, Herr Maaßen?
Abgesehen davon ist die geringe öffentliche Präsenz sowohl das Problem der Werteunion als auch des Bündnis Deutschlands. Das kommt zum einen von der handwerklich mangelhaften Pressearbeit. Das Bündnis Deutschland weiß in der Pressearbeit nicht, was es will. Es hofiert die Medien, die schlecht oder gar nicht über die Partei berichten. Es reagiert beleidigt, wenn für sie offene Medien nicht so berichten, wie sie das wollen. Eine Anfrage zu den anstehenden Wahlen beantwortet der Vorsitzende Steffen Große schmallippig. Er mag sich zuvor an der Berichterstattung gestoßen haben, er sei eine wenig charismatische Führungsperson und daher der Falsche, um das Bündnis Deutschland bekannt zu machen. Allerdings endet der Putzfrauentest oder enden Gespräche über Steffen Große im Späti, im Familienkreis oder sogar unter Journalisten oft mit der Gegenfrage: „Wer ist das?“

Das passiert mit Maaßen nicht. Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes ist bundesweit bekannt, spätestens seit er sich der Darstellung verweigerte, es habe in Chemnitz Hetzjagden gegen Ausländer gegeben. Das handwerkliche Problem, dass die Werteunion anfangs in der Pressearbeit hatte, scheint inzwischen behoben. (Update 05.04.2024, 16:30h: Martin Lohmann teilte zwischenzeitlich mit, dass er die Tätigkeit als Sprecher niedergelegt hat.)

Für Maaßen ist es ein Wettlauf mit der Zeit: Kann er neue Mitglieder gewinnen, die die zornigen AfD-Fans ersetzen und seiner Strategie helfen, in die Mitte auszugreifen? Gespräche dazu werden insbesondere mit dem Berliner Kreis geführt, einem Club konservativer Unionspolitiker. Viele davon haben ihre Direktmandate verloren, weil ihre Absicherung über die Liste von der Merkel-CDU verhindert wurde. Mögliche Kandidatin ist beispielsweise die Düsseldorfer CDU-Größe Sylvia Pantel, die kürzlich aus der Union ausgetreten ist – auch wegen des unfairen Ausschlussverfahrens gegen Maaßen, so ihr Austrittsschreiben an CDU-Chef Merz. Doch jeder Erfolg wird vom eigenen Lager sofort zerschossen. So konnte Maaßen mit seiner Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz punkten – viele Beobachter empfinden es als politischen Skandal, wenn ein Oppositioneller von der geheimpolizeilich agierenden Behörde abgeschossen werden soll. Doch das kurze Hoch wurde sofort von den alten Kämpfern wieder torpediert. Am Ende droht ein Scherbenhaufen statt eines Neubeginns.

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