Es ist das erste Mal, das eine solche Urteilsbegründung von einem deutschen Gericht erinnerlich wäre. Im Fall eines syrischen Migranten und Schleppers hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster nun den Spruch des untergeordneten Verwaltungsgerichts Münster kassiert, wie die Welt mit Material der Agentur AFP berichtet. Der betreffende Syrer war 2014 nach Deutschland eingereist und hatte, da er keinen Anspruch auf politisches Asyl geltend machen konnte, auch keinen Anspruch auf den echten Flüchtlingsstatus nach Genfer Konvention hatte, subsidiären Schutz beantragt – also einen sehr geringwertigen Schutztitel, der nichtsdestoweniger häufig vergeben wird. In diesem Jahr gab es bis Ende Juni 35.235 Entscheidungen zugunsten eines subsidiären Schutztitels, aber nur 21.351 Mal den „authentischen“ Flüchtlingsstatus nach Genfer Konvention. Hinzu kamen 11.954 Abschiebeverbote, was auch ein sehr geringwertiger Status ist, der aber – der Name sagt es – ebenso zum Verbleib des Nutznießers im Bundesgebiet führt.
Dasselbe galt bisher faktisch auch für die einigen hunderttausend subsidiär Geschützten in Deutschland. Nun ist der Fall des Syrers aus der Provinz Hassaka im Nordosten des Landes ein spezieller. Denn er wurde vom Landesgericht im österreichischen Korneuburg wegen Schlepperei zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Taten hatte er im Frühjahr und Sommer 2014 begangen. Sogar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wollte daraufhin keinen Flüchtlingsstatus, nicht einmal den subsidiären, vergeben, wurde aber vom Verwaltungsgericht Münster dazu verdonnert.
Nun hat das OVG Münster dem ein Ende gemacht und dem syrischen Schlepper jeden Flüchtlingsstatus verwehrt. Begründung: Dem Syrer fehlen wichtige Voraussetzungen zur Anerkennung als Flüchtling. Vor allem droht ihm in Syrien keine politische Verfolgung, und mehr noch, auch keine ernsthafte, individuelle Bedrohung des Lebens. Das OVG hat sich damit den Einschätzungen angeschlossen, die dänische und britische Regierungsstellen schon seit Jahren über weite Teile Syriens haben.
Eine Revision des Verfahrens ist nicht möglich. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Syrer seine Heimat bald wiedersehen wird, zumindest nicht mit Gewissheit länger als für einen Urlaub. Denn alles weitere Handeln liegt in den Händen der Exekutive, also vor allem der Länder. Und die tun sich bekanntlich schwer mit der Abschiebung von irgendjemandem. Zudem zeigt auch der Bund keine Initiative etwa bei den Mittelkürzungen oder auch bei unangenehmen Internierungen für ausreisepflichtige Ausländer.
Bundesinnenministerium: Knapp 800.000 echte Flüchtlinge im Land
Laut Angaben des Bundesinnenministeriums, gemacht in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, lebten zur Jahreswende 2023/24 in Deutschland:
- 44.323 Asylberechtigte nach Artikel 16a des Grundgesetzes, davon 43 Prozent mit befristetem, 55 Prozent mit unbefristetem Aufenthaltsrecht (1,7 Prozent mit Duldung, kein Status gespeichert usw.);
- 744.932 Flüchtlinge laut Genfer Flüchtlingskonvention, davon 80 Prozent mit befristetem, 18 Prozent mit unbefristetem Aufenthaltsstatus (zwei Prozent mit Duldung, unbekanntem Status usw.);
- 325.874 subsidiär Schutzberechtigte (darunter allein 240.196 Syrer);
- 182.352 Personen mit Abschiebeverbot.
- 276.512 Personen lebten aufgrund einer „Aufenthaltsgestattung“ – auch „offener Schutzstatus“ genannt – in Deutschland (vor allem Syrer, Afghanen, Türken, Iraker, Iraner);
- 331.234 Personen waren ausreisepflichtig, davon 193.972 bei gleichzeitiger Duldung, 137.262 ohne Duldung: hier dominieren die Iraker, Nigerianer, Afghanen, Bürger der Russischen Föderation, dann auch Iraner und Serben;
- An die 300.000 Menschen dürfen aus den verschiedensten Gründen nicht abgeschoben werden können; meist geht es hier um die Niederlassungserlaubnis für Asyl-„Altfälle“, aus humanitären Gründen, wegen „Resettlement“ oder auch wegen minderjähriger Kinder im Familienverband.
Die Bundesregierung zählt demnach insgesamt 2,2 Millionen Flucht- und Asylmigranten der unterschiedlichsten Art in Deutschland. Logisch betrachtet sind es schon allein durch den hinzukommenden Familiennachzug wesentlich mehr. Mehr als 330.000 Migranten waren mithin ausreisepflichtig, davon aber zwei Drittel mit Duldung, die bekanntlich durch das Chancenaufenthaltsrecht der Ampel zum Daueraufenthalt führen soll.
Hinzu kommen aber zwischen 800.000 und 1,1 Millionen Personen mit fadenscheinigen oder windigen Aufenthaltsgründen, die von „subsidiär schutzberechtigt“ über „Abschiebeverbot“ bis hin zu „Resettlement“ oder „Altfall“ reichen. „Echte“ Flüchtlinge laut Artikel 16a GG oder der Genfer Flüchtlingskonvention gäbe es nur knapp 800.000 (genau: 789.255). Und auch hier müsste der Rotstift der Überprüfungen ansetzen. Denn viele Schutzgewährungen wurden nur befristet vergeben, nämlich drei Viertel: etwa 615.000 von den 789.000 Schutztiteln insgesamt.