Das Berliner Kondom- und Periodenproduktunternehmen Einhorn, zu dessen Knüller vegane Kondome gehören, hat sich entschlossen, die Welt zu retten. Am 12.06.2020 soll eine Bürger*innenversammlung im Berliner Olympiastadion stattfinden, um gegen den „Klimawandel, gegen die „globale Ungerechtigkeit“ und natürlich gegen den „Rechtsruck“ zu kämpfen.
Weltrettung vom Discounter
Oder die Ersetzung der Demokratie durch einen Flashmob? In der Vision der Veranstalter sollen am 12.06.2020 neunzigtausend Menschen im Berliner Olympiastadion zusammenkommen, um live für die Petitionen zu stimmen, die „in den kommenden Monaten“ erarbeitet werden. What could go wrong?
Es geht um nicht weniger, als dass 90.000 Bürger*innen den „entscheidenden Anstoß dafür geben, unsere Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so umzugestalten, dass aus unserer Zukunft wieder eine handfeste Perspektive für unseren Planeten und uns als seine Bewohner*Innen erwächst.“ Das „wieder“ ist bemerkenswert. Auf welche paradiesischen Zustände rekurrieren die Demokratie- und Geschichtsexperten der Firma Einhorn? Aber was sind schon dürre Fakten, wo doch so viel gefühlt wird?
Die „Weltbürger*innenversammlung im Olympiastadium Berlin“ soll gemäß der Träume der Veranstalter „der globale Startschuss für diese Perspektive“ sein. Den Ablauf der Veranstaltung stellen sich die Initiatoren zweiteilig vor.
Der erste Teil „dient der Inspiration und der emotionalen Aufladung“. Begriffe wie Verstand, Vernunft, Rationalität sucht man in dem Text vergeblich. Für die „emotionalen Aufladung“ sind „auch unbekannte Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen zuständig, die ihre „wichtigen Arbeits- und Forschungsfelder vorstellen“. Da man diese „Menschen“ wie „ansonsten nur Rockstars“ auf der großen Bühne des Olympiastadions „feiern“ möchte und da sie emotional aufladen sollen, geht es also nicht um die wissenschaftliche Darstellung von Forschungsresultaten, sondern um ein quasi-religiöses Ereignis. Nicht um einen Triumph der Erkenntnis, sondern um einen Triumph des Willens zur Weltrettung.
Im zweiten Teil der Veranstaltung will man dann zu Tat schreiten. Alle erhofften 90.000 Anwesenden zücken nach dem Willen der Veranstalter ihre Smartphones, nachdem sie von den Einpeitschern auf der Bühne in religiöse Ektase getrieben worden sind, um „mehrere Petitionen zum Quorum“ zu „führen“ und in den Bundestag einzureichen. Da sich der Bundestag ab 50.000 Petenten mit der Petition beschäftigen muss, will man so Politik machen und die eigenen Ziele unter Aushebelung der pluralen und repräsentativen Demokratie durchsetzen, die im Systemwechsel, in der Überführung unserer repräsentativen Demokratie in eine von pressure groups beherrschte Gemeinwohldiktatur bestehen. Man sieht daran deutlich, wer die wahren Feinde unserer Demokratie sind. Für die Weltrettung ist natürlich alles erlaubt.
Zumindest war es noch nie so billig wie heute, die Krisen der Welt zu lösen, sie sind, zum Aktionspreis von 29.90 Euro zu haben. Es ist keine Sottise, die Veranstalter versprechen wie bei einem Sektenevent die Weltrettung zum Discountpreis. So zumindest werben die Initiatoren auf einem mehr als peinlichen Video für diese Veranstaltung.
In der Vision der Veranstalter kommen also am 12.06.2020 neunzigtausend Leute im Berliner Olympiastadion zusammen, die sich eher emotional „aufladen“ lassen, als zum kritischen Nachfragen neigen, um live für die Petitionen zu stimmen, die „in den kommenden Monaten“ erarbeitet werden. Für das Merchandising bzw. den Kommerz ist auch gesorgt, schließlich wurde die Veranstaltung von einem Start up initiiert, das seine biedere Kondomproduktion mit jeder Menge Zeitgeist und Moral aufpeppt: nicht allein Kondome, sondern vegane Kondome für Pflanzensex, statt tierischen Sex. Denn an ein „Starterpaket“ und an ein „Aktivist*innen-Rucksack ist bereits gedacht. Neunzigtausend Rucksäcke?
Die Initiatoren rühmen sich, dass sie von Fridays for Future unterstützt und von Scientists for Future beraten werden. Man will ja niemanden durch Meinungsdiversität verunsichern, schließlich geht es vor allem um „emotionale Aufladung“.
Selbst wer nur grobe historische Kenntnisse besitzt, kann sich an die gelungenen „emotionale Aufladung(en)“ in der Geschichte und an ihre Folgen erinnern.
Um die 1,8 Millionen Euro, die das Unternehmen kostet, zusammen zu bekommen, müssen nur 60.000 Pewrsonen ein Ticket für die Veranstaltung erwerben. Das Crowdfundfing hierfür hat bereits über eine spezielle Plattform begonnen.
Als Botschafter für das Weltrettungsevent in Berlin drängen bereits sogenannte Promis ins Rampenlicht. Dass bei einem Kondom Start up, das eine eigene Vorstellung von Nachhaltigkeit pflegt, Charlotte Roche, die ihre Prominenz dem Unterleibsroman „Feuchtgebiete“ verdankt, nicht fehlen darf, ist leicht einzusehen.
Natürlich kann man neue Formen der Demokratie ausprobieren. Nur, was wäre, wenn zeitgleich auch über 50.000 Menschen eine Petition für die Fortsetzung der Kohleverstromung, oder für die Außerkraftsetzung des EEG, oder für die steuerliche Förderung von Dieselfahrzeugen oder für die Einstellung des Baus von Windkraftparks oder für die Aufhebung von Fahrverboten votieren würden? Was also wäre, wenn das Beispiel Schule macht und der Bundestag nur noch mit sich widersprechenden Petitionen beschäftigt wäre? Will man das eine erlauben und das andere verbieten? Eines würde mit Sicherheit daraus resultieren: der Crash unserer repräsentativen Demokratie. Es steht zu fürchten, dass die Initiatoren nicht wissen, welche Tür sie gerade öffnen.
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