Tichys Einblick
Haltungsschreiber sind das Problem

Weltkulturerbe „deutsche Oma“?

Die "deutsche Oma" als Feindbild? Nur um #Omagate zu verteidigen?

imago images / Hartenfelser

»Für den WDR besingen Kinder die Oma als „Umweltsau“. Nach Protesten zieht der Sender das Video zurück und entschuldigt sich. War das wirklich nötig?« So lautet der Vorspann eines Kommentras von David Hugendick auf ZEIT online unter der Überschrift »Nationalheiligtum deutsche Oma«.

Es geht mir nicht um Autor Hugendick, sondern um seine wohl repräsentative Art von Gegenwartsschreibe, mit ernsten Dingen sorglos und gedankenarm umzugehen, was offensichtlich Eigenschaften von Leuten mit gemeinsamen Vorurteilen sind.

Das Kernvorurteil liest sich hier so:

Wenn es gegen Rentner geht, versteht Deutschland keinen Spaß. Der deutsche Rentner gilt ja vielen andauernd als verfolgte Unschuld, als (wenn man den Boulevardmedien glaubt) unentwegtes Ziel systematischer Benachteiligung, und die Oma noch mehr als der Opa.

Was will der Autor damit sagen? Ich lese nicht täglich Boulevardmedien, aber wenn dort Rentner nach meiner Beobachtung auftauchen, dann nicht als verfolgte Unschuld, sondern als Altersarmut mit ihren traurigen Erscheinungsformen von Flaschensammlern bis zu verschämt zur Tafel Gehenden.

Dann schließen sich Sätze an, die dokumentieren, dass gedankliche Ordnung nicht zu den Stärken des Autors zählt. Satz 1:

Mit Opa hat Deutschland eine, freundlich gesagt, schwierigere Geschichte, während die „Oma“ als lebensweltliche Chiffre mit Güte verbunden wird, mit Entbehrung, Fürsorge und unverdächtigen Sonntagnachmittagen, an denen der Kaffee so schäumt wie sonst nie.

Soll der Satzbeginn – Mit Opa hat Deutschland eine, freundlich gesagt, schwierigere Geschichte – Sinn haben, spricht der Autor nicht von Opa heute, sondern Ur-Ur-Opa, denn nur die können altersbedingt im NS-Staat dabei gewesen sein.

In der Satzfortsetzung – während die „Oma“ als lebensweltliche Chiffre mit Güte verbunden wird, mit Entbehrung, Fürsorge und unverdächtigen Sonntagnachmittagen, an denen der Kaffee so schäumt wie sonst nie – hingegen spricht der Autor anscheinend von der zeitlosen Universal Grandma. Da hat er das Problem nicht am Beginn, sondern Ende seiner verbo(r)genen Zeitachse. Denn die Oma, von der der Kinderchor des WDR nur singen kann, ist die Mutter-Generation des um die vierzig Jahre alten Autors. Die Ur-Ur-Omas kannten keinen SUV und hatten für all die Umweltsünden in den Augen der Kinder for Future gar keine Gelegenheit.

Dann malt der Autor ganz grell, aber was meint er damit? Hat er einfach nur etwas gegen alte Leute, gegen die Oma noch mehr als den politisch kontaminierten Ur-Ur-Opa?

Die deutsche Oma ist offenbar ein Nationalheiligtum.

Ich mache mir wohl Gedanken über die Gedanken des Autors, wo gar keine sind, sondern nur einfach ein hingeschluderter Text, der die Eingangsfrage rechtfertigen soll:

»Für den WDR besingen Kinder die Oma als „Umweltsau“. Nach Protesten zieht der Sender das Video zurück und entschuldigt sich. War das wirklich nötig?«

Die Antwort des Autors auf die selbst gestellte Frage lautet denn auch:

Dass der Kinderchor im WDR die Chiffre „Oma“ nun allerdings benutzt, um damit eine Generation zu kennzeichnen, die klimatisch gesehen über die Verhältnisse lebt, muss unter diesen Bedingungen schon als Provokation durchgehen.

Wenn der Kinderchor »die Chiffre „Oma“ nun allerdings benutzt, um damit eine Generation zu kennzeichnen, die klimatisch gesehen über die Verhältnisse lebt«, habe ich für alle für diesen gesanglichen Rohrkrepierer Verantwortlichen und ihren selbsternannten Advokaten Hugendick diese Ratschläge:

Am Schluss sagt der Autor:

»Freuen wir uns also in diesem Sinne alle auf das nächste Jahr. Dann wird die deutsche Oma vielleicht auch endlich als Weltkulturerbe angemeldet.«

Die deutsche Oma als Feindbild? Nur um #Omagate zu verteidigen?

Anzeige
Die mobile Version verlassen