Tichys Einblick
Die Verstromlinienformung geht weiter

Weiter Ärger in der CDU nach Laschets Wahlsieg

Jetzt fürchten Merz-Anhänger den Rollback der Merkel-Garde und die nächste Runde beim Abräumen von Abweichlern. Merkels Parteisoldaten stehen bereit. Austritte stören Merkel nicht: Eine windschlüpfige Kaderpartei, in der oben vorgegeben, was unten per Akklamation bestätigt wird - genau das ist ihr Bild einer erfolgreichen Organisation.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Odd Andersen

Ein verhängnisvolles Zeichen setzte der Geschäftsführer der Mittelstandsvereinigung der CDU, Thorsten Alsleben: Unmittelbar nach der Wahl von Armin Laschet zum CDU-Vorsitzenden verbreitete er an seine Leserschaft per Retweet eine Umfrage, die die Bereitschaft zum Austritt aus der CDU ermitteln will. Rein sachlich. Als Ausruf wollte er es nachträglich verstanden wissen die Abtrünnigen zurück zu holen.

Die Antworten zeigen: Viele Merz-Anhänger drohen, die Partei zu verlassen. Werteunion-Chef Alexander Mitsch meldet Eintritte in seine Merkel-kritische Organisation sowie bundesweit Austritte aus der CDU. Andere legen Friedrich Merz den Eintritt in die FDP nahe. Ein Kanzlerkandidat Merz, der von der FDP getragen wird, das hätte Charme und Ausstrahlung, würde den Konflikt auf die Spitze treiben.

Schon Ludwig Erhard, der legendäre Wirtschaftspolitiker, pendelte lange zwischen FDP und CDU und wurde formal nie wirklich CDU-Mitglied, auch Beiträge hat er nie gezahlt: Es ist eine der großen parteipolitischen Scharaden der Nachkriegszeit.

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Erhard störte schon damals die Sozialonkelei der Union, die in Wirklichkeit nie seinen radikalen Marktkurs goutierte, sondern allenfalls ertrug, weil mit wachsendem Wohlstand Stimmen zu holen waren. Warum also sollte eine überzeugter Marktwirtschaftler wie Merz nicht den umgekehrten Weg gehen? Kompetenz kennt keine Parteien, im Gegenteil.

Jedenfalls ist unter seinen Anhängern die Wut groß. Dieses Mal ist es mehr als der übliche Frust nach einer verlorenen Parteiwahl. Es fällt auf, dass sich im Vorfeld wie im Nachhinein mehr Merz-Anhänger zu ihm bekannt hatten als etwa zu Laschet. Auch in den regionalen Umfragen in Baden-Württemberg, in einzelnen Städten wie Karlsruhe und Frankfurt oder bei virtuellen Konferenzen in den ostdeutschen Bundesländern: Überall lag Merz weit vorne. Und doch gewinnt Laschet?

Schnell machte das Wort vom „Funktionärs-Kandidaten“ die Runde: Es ist die CDU-Variante von Trumps gestohlener Wahl. Auch nach der Wahl gab es mehr öffentliches Bedauern über Merz` Niederlage als Jubel über Laschets Sieg. Zu Wort meldeten sich die bekannten Merkel-anhängenden Ja-Sager.

Und die Legende von der Funktionärswahl hat einen ebenso wahren Kern: Die von Merkel abhängige Funktionärsebene der Partei wählte still und leise gegen den Willen der Basis Armin Laschet, die öffentliche Debatte nur Theaterdonner einer längst vorentschiedenen Wahl.

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Es war ein Kampf hinter dem Theater-Vorhang. Friedrich Merz trat ja nicht offen mit inhaltlichen Positionen auf, sondern mit vagen Blinkern und Zwinkern, nur um es sich nicht mit der Merkel-Mehrheit im Funktionärskader zu verscherzen und um die Medien wie Grünen bei Laune zu halten. Natürlich hat er weder erklärt, dass die Energiewende gescheitert ist, noch, dass er Merkels Politik der Masseneinwanderung über das Asylrecht ablehnt. Der Strom reicht nicht und die Insassen der Flüchtlingslager in Moria dürften nicht nach Deutschland ausgeflogen werden – so vage und unbestimmt, alle Türen offen in jede Richtung ist kein Klartext, sondern eine im Türrahmen verklemmte Botschaft.

Dass er trotzdem gewählt wurde, zeigt, dass er die Projektionsfläche für einen dringenden Veränderungswunsch in der Partei darstellt – wobei das Projektionsbild eindrucksvoller ist als das tatsächliche Bild, das er in buckliger Haltung während seiner Vorstellungsrede dazu abgab.

Aber wenn schon solche vagen Chiffren und Andeutungen in der Partei nicht mehr erlaubt sind – wie soll dann eine Änderung der grundlegend falschen Weichenstellungen Merkels zustande kommen?

Zwar versprach Armin Laschet vollmundig „Versöhnung“. Aber inhaltlich konträre Standpunkte lassen sich nun mal nicht versöhnen; Politik ist mehr als Stuhlkreise. Es geht um Entscheidungen. Da Merkels Energiewende falsch ist, muss sie abgewickelt werden, und das kann nicht weiter mit Altmaiers Paragraphendschungel und Stromrationierung verschwiemelt werden.

Daher war die Forderung von Merz nach dem Job des Wirtschaftsministers nicht so unzulässig, wie es Laschet versucht abzutun – gewissermaßen ein Vorschlag außerhalb der Tagesordnung:

Denn längst ist Altmaier nicht nur wegen der Energiepolitik, mehr noch wegen seiner Coronapolitik eine der größten Leerstellen im Kabinett, geduldet nur, weil er niemals Merkel widerspricht. Die vollmundig versprochenen Hilfen für Unternehmen, die auf Anordnung der Regierung ihre Geschäfte einstellen müssen, diese Hilfen fließen zu spät, kaum bis hin zu gar nicht. Wie bei der Energiepolitik setzt Altmaier auf Paragraphen statt auf Lösungen. Gerade dieser Punkt trifft die Mitglieder der Mittelstandsvereinigung ins Herz.

Mit jedem Tag, an dem Altmaier weiter Politik spielt, schrumpft die Zahl der Mittelstands-Mitglieder automatisch – per Geschäftsaufgabe.

Laschet hat die Chance Merz einzubinden nicht ergriffen. Warum, ist auch klar – das Kabinett kann nur Merkel umbauen, nicht der Parteivorsitzende. Damit ist aber auch klar, über welche Macht Laschet verfügt: keine.

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Damit ist das, wofür Merz steht, so verklemmt und ängstlich auch immer es vorgetragen wurde, für die CDU Vergangenheit. Merkel lastet weiter auf der Partei, und wird darauf achten, dass auch vor, in und nach der Bundestagswahl ihr grüner Kurs nicht verändert wird. Austritte stören nicht: Eine windschlüpfige Kaderpartei, in der oben vorgegeben, was unten per Akklamation bestätigt wird – genau das ist ihr Bild einer erfolgreichen Organisation, wie sie die SED perfektioniert hatte. Demokratische Volksparteien sind historisch das Gegenmodell des Westens; damit hat sie immer gefremdelt und die Partei benutzt, aber ihr nie gedient.

Jetzt fürchten Merz-Anhänger sich vor der Säuberung. Merkels Parteisoldaten stehen bereit. Auch Thorsten Alsleben wurde sofort von Ruprecht Polenz verbellt, einem der vielen hechelnden Wadenbeißer, mit denen bislang Angela Merkel ihre Partei herumscheucht und Ausbrüche aus der braven Herde der Lämmer verhindert. Schon die Umfrage sei ein Aufruf zum Austritt, so die implizite Unterstellung. Schon Fragen kann gefährlich sein in der Merkel-Union.

Natürlich ruderte Alsleben nach dem Anpfiff durch Polenz umgehend zurück; deutete seinen Tweet in die Aufforderung um, die Reihen besonders fest zu schließen. Es klang eher nach Einknicken. Trotzdem stand die öffentliche Rechtfertigung im erkennbaren Widerspruch zu der säuerlichen Miene seines Vorsitzenden Linnemann, dem die Niederlage der Merz-Anhänger schwer zu schaffen macht: Jetzt geht die Angst vor dem Rollback der Merkel-Garde und vor dem nächsten Runde Abräumen von Abweichlern um. Nicht zu Unrecht. Aber springen wird von der Funktionärsgarde trotzdem kaum einer: Zu eng sind persönliche Karriere und Einkommen von Merkels Machtapparat abhängig.

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